Am 11. Juni 2013 hat der Grosse Rat mit 94 zu 1 Stimme bei 0 Enthaltungen einer Teilrevision des Steuergesetzes zugestimmt, die die Frist für die absolute Veranlagungsverjährung von 10 auf 15 Jahre verlängert. Im selben Jahr trat diese Revision in Kraft. Die Regierung begründete das Vorhaben in der Botschaft vom 11. Februar 2013 mit einzelnen Verfahren, bei denen der Eintritt der absoluten Veranlagungsverjährung drohte. Würde die Verjährungsfrist nicht verlängert, könnten „im Einzelfall sehr hohe Steuerbeiträge“ für den Kanton verloren gehen (Botschaft der Regierung, Heft Nr. 15/2012-2013, S. 953). Es sei auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit und der rechtsgleichen Behandlung aller Steuerpflichtigen zu verhindern, „dass die Veranlagungsverjährung eintritt, bevor die Veranlagungsbehörde überhaupt die Möglichkeit hatte, das entsprechende Steuerjahr bzw. den entsprechenden Sachverhalt zu veranlagen“ (Botschaft der Regierung, Heft Nr. 15/2012-2013, S. 951). Während der Grossratsdebatte betonte Barbara Janom Steiner als zuständige Regierungsrätin, es handle sich in diesen Einzelfällen um „Steuerforderungen in Millionenhöhe“ und stellte die rhetorische Frage: „Meine Damen und Herren Grossräte, soll nun wirklich der Staat zuschauen, wie Steuerforderungen in Millionenhöhe untergehen?“ (Grossratsprotokoll, 11. Juni 2013, S. 1033).
Am 26. Juni 2017 berichtete das Regionaljournal Graubünden über das Urteil vom 4. April 2017 des Bündner Verwaltungsgerichts (A 15 60 und A 15 61), wonach Remo Stoffel im Jahr 2003 hohe Gewinne mithilfe einer Scheinfirma nicht korrekt versteuert habe. Wie dem 200-seitigen Urteil zu entnehmen ist, gab das Gericht den Steuerbehörden zum grossen Teil Recht. Am 27. Juni 2017 berichtete das Regionaljournal weiter, dass Remo Stoffel das Urteil an das Bundesgericht weitergezogen habe und daher eine Verjährung der Steuerforderungen drohe. Bis Ende 2018 müsse das Bundesgericht einen Entscheid fällen, sonst sei die Verjährungsfrist wiederum abgelaufen. Auf dem Spiel stehen laut dem Urteil des Verwaltungsgerichts rund acht Millionen Franken.
Mit der Publikation des Verwaltungsgerichtsurteils und der erwähnten Berichterstattung in den Medien wurde im Nachhinein öffentlich, dass Remo Stoffel einer der genannten „Einzelfälle“ von „Steuerforderungen in Millionenhöhe“ ist. Vor diesem Hintergrund stellen sich für die Unterzeichnenden folgende Fragen:
1. Wie beurteilt die Regierung zum aktuellen Zeitpunkt das Risiko einer Verjährung der genannten Steuerforderungen an Remo Stoffel?
2. Gibt es neben dem öffentlich gewordenen Fall von Remo Stoffel noch weitere „Einzelfälle“ von „Steuerforderungen in Millionenhöhe“, die man mit der genannten Teilrevision des Steuergesetzes rechtzeitig veranlagen wollte? Wenn ja, konnten diese weiteren Fälle rechtzeitig veranlagt werden und wie hoch waren die einzelnen Steuerforderungen gegenüber den Steuerbehörden von Gemeinden, Kanton und Bund?
3. Gab oder gibt es Steuerforderungen, die trotz der genannten Teilrevision des Steuergesetzes nicht rechtzeitig veranlagt werden konnten oder können? Wenn ja, wie hoch sind die geschätzten Ausfälle für die Steuerbehörden von Gemeinden, Kanton und Bund?
4. Wurden die erwähnten Ziele der genannten Teilrevision des Steuergesetzes – Verhindern von Einnahmeausfällen, Steuergerechtigkeit, rechtsgleiche Behandlung aller Steuerpflichtigen – aus Sicht der Regierung erfüllt?
Chur, 14. Februar 2018
Pult, Caviezel (Chur), Perl, Atanes, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Deplazes, Jaag, Locher Benguerel, Monigatti, Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Thöny