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Session: 12.02.2019

In der Dezembersession 2018 hat die Regierung dem Grossen Rat den Gemeindestrukturbericht zur Kenntnisnahme unterbreitet (Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 8/2018-2019, 11. Gemeindestrukturbericht). Der Bericht ist eine Bestandsaufnahme der Gemeinde- und Gebietsreform, deren Richtung der Grosse Rat anlässlich der Februarsession 2011 in Auftrag gegeben hatte. Die Zielsetzung des Grossen Rates ist es, die Anzahl Gemeinden bis ins Jahr 2020 auf 50 bis 100 starke und autonome Gemeinden, langfristig auf unter 50 zu reduzieren.

Der Bericht betont mehrfach, dass die fusionierten Gemeinden nicht nur grösser, sondern dank der Zusammenschlüsse auch stärker und autonomer seien. Dies bezieht sich zum einen auf die Reduktion der interkommunalen Zusammenarbeit. Logische Konsequenz wäre jedoch auch, dass sich das Mehr an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung in einer Rückgabe an Aufgaben und Kompetenzen zeigen würde, die in den vergangenen Jahrzehnten an den Kanton abgeflossen sind. Dies wird auch in der Botschaft von 2010 erwähnt (S. 636).

In Bericht und Botschaft über die Gemeinde- und Gebietsreform der Regierung an den Grossen Rat von 2010/11 werden in einem Kapitel ausserdem ausführlich die Auswirkungen der Gemeindefusionen auf den Kanton dargelegt. Auch hier gälte es eine Bestandsaufnahme zu machen resp. allfällige Auswirkungen nachzuvollziehen.

Der Regierung werden in diesem Zusammenhang folgende Fragen gestellt:

1.     Wie beurteilt die Regierung die eingeschlagene Strategie des Grossen Rates im Jahre 2011 vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklung? Braucht es allenfalls eine Anpassung der Strategie, neue inhaltliche Anreize oder andere Finanzinstrumente?

2.     Welche Aufgaben hat der Kanton in den letzten Jahren, trotz der Stärkung der Gemeinden, zentralisiert? Welche Aufgaben und Kompetenzen (nicht allein die Finanzierung) hat er neu an die Gemeinden delegiert resp. wird er in Zukunft an die Gemeinden aufgrund ihrer Stärkung übertragen können?

3.     Wie gross sind die Einsparungen an Aufwand für Beratung, Steuerung und Aufsicht seitens des Kantons infolge der reduzierten Anzahl an Gemeinden? In welchen Bereichen erfährt der Kanton strategische Vorteile als Folge der neuen Strukturen?

Chur, 12. Februar 2019

Maissen, Lamprecht, Kasper, Alig, Atanes, Berther, Berweger, Bigliel, Brunold, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Crameri, Danuser, Degiacomi, Della Cà, Deplazes (Chur), Deplazes (Rabius), Derungs, Dürler, Ellemunter, Engler, Epp, Fasani, Flütsch, Föhn, Gasser, Geisseler, Giacomelli, Hartmann-Conrad, Jenny, Kienz, Kohler, Kunfermann, Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Mittner, Müller (Susch), Noi-Togni, Paterlini, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Sax, Schmid, Schneider, Thomann-Frank, Waidacher, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Sent), Zanetti (Landquart), Buchli (Tenna), Collenberg, Holliger, Lunghi

Antwort der Regierung

In der Februarsession 2011 beantwortete der Grosse Rat 24 Grundsatzfragen, welche die Stossrichtung der Strukturreformen festlegten. Aufgrund dieser strategischen Weichenstellungen und der eingeleiteten Umsetzung wurde die Initiative "Starke Gemeinden – starker Kanton" im Mai 2013 zurückgezogen. Der in der Dezembersession 2018 besprochene Gemeindestrukturbericht (Botschaft Heft Nr. 8/2018-2019, S. 667 ff.) zeigte ein weitgehend positives Bild über die Wirkungen der zahlreichen Gemeindefusionen sowie der mittlerweile abgeschlossenen Gebietsreform.

Zu Frage 1: Noch vor rund 15 Jahren gab es lediglich zurückhaltende Diskussionen über die Fusion von Gemeinden. Einzelne kleinere Projekte ebneten damals den Weg zur späteren Fusionswelle. Die Strategie des Kantons, in ihren Grundzügen bereits mit der Teilrevision des Gemeindegesetzes des Kantons Graubünden (GG; BR 175.050) im Jahr 2006 (Botschaft Heft Nr. 12/2005-2006, S. 993 ff.) initiiert, darf ohne Übertreibung als grosser Erfolg bezeichnet werden. Im Jahr 2006 lag die Anzahl Gemeinden bei 207; aktuell liegt sie bei 106. Im selben Verhältnis reduzierten sich auch die interkommunalen Zusammenarbeitsformen. Mit den laufenden Projekten nähert sich diese Zahl dem vom Grossen Rat festgesetzten Ziel von unter 100 Gemeinden bis im Jahr 2020. Zwar wird das Ziel in zeitlicher Hinsicht knapp nicht erreicht. Die Ziele der Gemeindereform sind jedoch nicht alleine an der Anzahl der Gemeinden, sondern primär an deren Qualität zu messen. Der Gemeindestrukturbericht zeigte auf, dass die Ziele, wie sie im Bericht und der Botschaft über die Gemeinde- und Gebietsreform (Botschaft Heft Nr. 8/2010-2011) auf Seite 625 f. aufgeführt worden sind, weitgehend erreicht wurden.

Graubünden gilt als ein Vorreiterkanton, wenn es um das Thema Fusionen geht, und verfügt über erhebliche Erfahrungen aus den bereits erfolgten Fusionen. Jene Kantone mit noch zahlreicheren Zusammenschlüssen wie die Kantone Tessin oder Freiburg behalfen sich mit einer zentralistischen Fusionsplanung oder Zwangsfusionen. Letztere wären auch in Graubünden grundsätzlich möglich (vgl. Art. 72 GG).

Aus Sicht der Regierung ist eine Anpassung der Strategie sachlich nicht angezeigt bzw. verfrüht. Die parlamentarische Debatte während der Totalrevision des GG im Oktober 2017 liess nicht erkennen, dass zusätzliche Regulierungen gegenüber den Gemeinden im Allgemeinen bzw. im Bereich der Gemeindezusammenschlüsse im Speziellen gewünscht wären. Das heutige Förderinstrumentarium ist ausreichend und zudem flexibel genug, damit den unterschiedlichen Voraussetzungen in Graubünden differenziert Rechnung getragen werden kann. 

Zu Frage 2: Starke Gemeinden schaffen eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich nicht eine schleichende Zentralisierung einstellt. Aufgrund des Erfolges in der Gemeindereform und des Bekenntnisses der Regierung zu starken Gemeinden fand in jüngerer Vergangenheit mit Ausnahme der folgenden, politisch kontrovers diskutierten Aufgaben keine Kantonalisierung statt: Quellensteuer-Erhebung, Steuerscanning, Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Davon zu unterscheiden ist die Zentralisierung kantonaler Aufgaben, welche ebenso zu Diskussionen geführt hat, namentlich die Schliessung der Pflegefachschule Ilanz bzw. die Verlagerung des Sanitätsnotrufs nach Chur. Die Gebietsreform hat ihrerseits die Gemeindeautonomie zusätzlich erhöht, wurden doch nur ganz wenige obligatorische Aufgaben den Regionen zugewiesen.

Als Folge des in der Augustsession 2015 überwiesenen Auftrags Albertin betreffend Stärkung der Gemeinden zeigt die Regierung bei Gesetzgebungsvorhaben jeweils bereits im Vernehmlassungsbericht auf, welche Auswirkungen eine Vorlage auf die Aufgaben der Gemeinden, deren Kompetenzen und Finanzen zeitigt. Vorweg wird auch abgeklärt, ob Zuständigkeiten auf die Gemeinden übertragen werden können. 

Zu Frage 3: Eine Auswertung der in der kantonalen Verwaltung möglichen Einsparungen liegt nicht vor. Eine solche ist auch schwerlich erstellbar, sind es doch nicht alleine die erfolgten Gemeindezusammenschlüsse, die eine konkrete Auswirkung auf die personelle Ausstattung der kantonalen Verwaltung haben.

Die Vorteile des Kantons sind vorwiegend indirekter Natur, welche aber nicht eine geringe Wirkung zeitigen. Dank den sich bietenden raumplanerischen und wirtschaftsentwickelnden Möglichkeiten können Projekte einfacher, rascher und effizienter durchgeführt werden.

18. April 2019