Der 23. August 2017 und die darauffolgenden Tage werden aufgrund der verheerenden Folgen des Bergsturzes am Piz Cengalo und der Murgänge, welche die Valle Bondasca und Teile der Dörfer Bondo, Spino und Sottoponte verwüstet haben, in die Geschichte des Bergells und des Kantons Graubünden eingehen. Der Bergsturz forderte acht Menschenleben, bedeckte und veränderte die Landschaft der Val Bondasca und des Bergells in der Nähe von Bondo und führte zur Zerstörung und zum Verlust zahlreicher Gebäude, wobei die Schäden von der Gebäudeversicherung Graubünden bewertet und zeitnah entschädigt wurden.
Aus einer eingehenden Analyse der Funktionsweise des Versicherungssystems im Fall von Bondo ergibt sich jedenfalls die Notwendigkeit, die von der Gebäudeversicherung Graubünden angewandte Praxis anzupassen, wobei auch den bedeutenden und einschneidenden, in den letzten Jahren in der Raumplanung erfolgten Veränderungen Rechnung getragen werden soll.
Die Einführung des Zweitwohnungsgesetzes sowie die bedeutenden Änderungen im Raumplanungsgesetz sehen neue Auflagen hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes über die Gebäudeversicherung vor und schränken de facto die Interventionsmöglichkeiten ein.
Derzeit sieht das Gesetz vor, dass der Versicherte Anrecht auf Entschädigung zum Zeitwert hat, sofern sein Gebäude einen Totalschaden erlitten hat. Unter bestimmten Bedingungen hat dieser ausserdem die Möglichkeit, die Entschädigung zum Neuwert zu erhalten, falls er innerhalb einer bestimmten Frist in Graubünden ein neues Gebäude ähnlicher Grösse und mit dem selben Zweck wieder aufbaut. Bei Erwerb eines bestehenden Gebäudes erhält er bisher als Entschädigung nur den Zeitwert, unabhängig davon, ob er in das erworbene Gebäude einen höheren Betrag investiert. Im Lichte der neuen Ausrichtung der Raumplanung, welche auf die Reduktion oder auf die Umverteilung der Bauzonen, auf die Siedlungsentwicklung nach Innen und auf die Verdichtung der bestehenden Siedlungen abzielt, wie auch unter Berücksichtigung der gewünschten Belebung der Dorfkerne ist diese Ausnahme unlogisch und widersprüchlich. Die neue Zweitwohnungsgesetzgebung sieht ausserdem für Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent zusätzliche Einschränkungen vor, wie die Pflicht, für neue Gebäude eine Nutzung als Erstwohnung vorzuschreiben. Dem Eigentümer einer Zweitwohnung untersagt sie sogar den Wiederaufbau des eigenen Gebäudes, da der Bau neuer Zweitwohnungen nicht zulässig ist.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen fordern die Unterzeichnenden die Regierung auf, die Entschädigungspraxis zum Neuwert eines Gebäudes – falls nötig durch eine Gesetzesänderung – anzupassen, damit sämtliche geschädigte Gebäudeeigentümer davon profitieren können und die neu eingeführten Bedingungen (Raumplanungsgesetz, Zweitwohnungsgesetz) diese nicht zusätzlich benachteiligen, respektive damit ein aus Sicht der Raumplanungspolitik erwünschtes Verhalten der Gebäudeeigentümer nicht bestraft wird (z. B. Erwerb und Umbau eines bestehenden Gebäudes in einem Dorfkern). Im Besonderen wird Folgendes gefordert:
1. Die Entschädigung zum Neuwert eines Gebäudes soll unter vollständiger Beachtung der gesetzlich vorgesehenen Grundsätze auch beim Erwerb und beim Umbau oder bei der Umwandlung eines bestehenden Gebäudes gewährt werden können.
2. Es soll eine Ausnahmeklausel für jene Geschädigten geschaffen werden, welche aufgrund eines Totalschadens in der Gefahrenzone 1 (rot) das Gebäude nicht am selben Ort wieder aufbauen dürfen. Im Idealfall sollten diese ein Gebäude wieder aufbauen dürfen, ohne an Auflagen gebunden zu sein, oder bestehende Gebäude erwerben und dabei die Differenz zwischen Zeitwert und Neuwert für wertsteigernde Investitionen verwenden können.
3. Das Recht auf Entschädigung sowie die vorstehenden Forderungen sollen auch für jene Gebäude gelten, welche das zerstörerische Ereignis nicht materiell beschädigt hat, sofern diese aus Sicherheitsgründen langfristig unzugänglich und nicht nutzbar sind.
Pontresina, 14. Juni 2019
Michael (Castasegna), Crameri, Alig, Atanes, Berther, Berweger, Bondolfi, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Davos Clavadel), Censi, Clalüna, Claus, Della Cà, Derungs, Ellemunter, Engler, Fasani, Felix, Flütsch, Gasser, Giacomelli, Gugelmann, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Hug, Jenny, Jochum, Kasper, Kienz, Koch, Kohler, Kunfermann, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Kuoni, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Donat), Mittner, Natter, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pfäffli, Rüegg, Salis, Sax, Schmid, Schwärzel, Stiffler, Tanner, Thomann-Frank, Thür-Suter, Waidacher, Weidmann, Wellig, Wieland, Zanetti (Sent)