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Session: 30.08.2019

Die Bündner Landwirtschaft steht mit der Zunahme der Wolfsbestände vor einer grossen Herausforderung. Vor allem Kleinviehhalter sehen ihre Ausrichtung durch die steigenden Wolfsangriffe in grosser Gefahr. Zunehmend vor grosse Probleme gestellt werden auch die Mutterkuhhalter. Durch das steigende Schutzbedürfnis der Mutterkühe wird das Handling der Einzeltiere und Herden auf Alpen und Weiden gegenüber Personal und Touristen immer schwieriger.

Herdenschutzmassnahmen bei der Kleinviehhaltung mit elektrifizierten Zäunen und/oder Schutzhunde sind zum Teil umgesetzt oder in Umsetzung. Da der Einsatz von Herdenschutzhunde aufgrund von fehlender Anzahl und logistischen Schwierigkeiten für den breiten Einsatz nicht möglich ist, ruhen die Hoffnungen der Bauern vor allem auf den technischen Herdenschutz. Diesen Sommer gab es aber trotz anerkanntem Herdenschutz mit Zäunen und Herdenschutzhunde auf Heimweiden und Alpen tödliche Wolfsangriffe. Bis zum 21. August dieses Jahres wurden bei 21 Attacken 97 Risse bei Schafen und Ziegen festgestellt. In Präz und im Safiental wurden mit grösster Wahrscheinlichkeit vom gleichen Wolf oder Wolfsrudel total 16 Ziegen aus geschützten Herden gerissen. Auf Alp Mer in Pigniu wurden 5 Schafe trotz Herdenschutzhunde gerissen. Diese Entwicklung stellt die Tierhalter vor einer grossen Ohnmacht. Es ist zu befürchten, dass ohne Massnahmen gegen schadenverursachende Wölfe viele Landwirte die von Kanton Graubünden geförderte Kleinviehhaltung aufgeben werden.

Die aktuelle Gesetzgebung lässt eine behördliche Regulierung von Schaden verursachende Wölfe bei umgesetztem Herdenschutz zu. Es wird unterschieden zwischen dem behördlichen Einzelabschuss eines Einzelwolfes, wenn dieser einen konkreten und erheblichen Schaden verursacht (Art. 12 Abs. 2 JSG i.V.m. Art. 9bis JSV) und der behördlichen Regulierung eines sich aktuell fortpflanzender Wolfsrudels (=Wolfsbestand), wenn dieses einen konkreten grossen Schaden verursacht (Art. 12 Abs. 4 JSG i.V.m. Art. 4bis JSV). Die Kantone verfügen dabei über eigene Kompetenzen.

Art. 4 Regulierung von Beständen geschützter Arten (JSV)
Mit vorheriger Zustimmung des BAFU können die Kantone befristete Massnahmen zur Regulierung von Beständen geschützter Tierarten treffen, wenn Tiere einer bestimmten Art trotz zumutbarer Massnahmen zur Schadenverhütung: c. grosse Schäden an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen oder Nutztierbeständen verursachen; oder

Art. 9bis1 Massnahmen gegen einzelne Wölfe (JSV)
Der Kanton kann eine Abschussbewilligung für einzelne Wölfe erteilen, die erheblichen Schaden an Nutztieren anrichten. Ein erheblicher Schaden an Nutztieren durch einen einzelnen Wolf liegt vor, wenn in seinem Streifgebiet: a. mindestens 35 Nutztiere innerhalb von vier Monaten getötet werden; oder b. mindestens 25 Nutztiere innerhalb eines Monats getötet werden; oder c. mindestens 15 Nutztiere getötet werden, nachdem im Vorjahr bereits Schäden durch Wölfe zu verzeichnen waren.

Aufgrund der Entwicklung und der zu befürchteten starken Zunahme der Wolfsbestände sowie die damit einhergehende Schadenszunahme im Kanton Graubünden, auch in geschützten Herden, beauftragen die Unterzeichnenden die Regierung, alle Kompetenzen bei der behördlichen Regulierung gegenüber Schaden verursachenden Wölfen zu nutzen und sofort umzusetzen.

Chur, 30. August 2019

Michael (Donat), Schmid, Niggli (Samedan), Aebli, Alig, Berther, Bettinaglio, Brandenburger, Brunold, Buchli-Mannhart, Caluori, Casty, Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Chur), Caviezel (Davos Clavadel), Censi, Clalüna, Claus, Danuser, Della Cà, Deplazes (Chur), Deplazes (Rabius), Derungs, Dürler, Ellemunter, Epp, Fasani, Favre Accola, Felix, Flütsch, Föhn, Gartmann-Albin, Gasser, Giacomelli, Gort, Grass, Gugelmann, Hardegger, Hefti, Hitz-Rusch, Hohl, Hug, Jenny, Jochum, Kasper, Koch, Kohler, Kunz (Fläsch), Kuoni, Loepfe, Loi, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Castasegna), Mittner, Müller (Susch), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pfäffli, Rettich, Ruckstuhl, Rüegg, Salis, Sax, Schneider, Tanner, Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Ulber, Valär, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Sent), Costa, Davaz, Engler (Surava), Federspiel, Niederreiter

Antwort der Regierung

Für die Regierung ist die im Auftrag dargelegte Einschätzung, wonach gerade die Landwirtschaft von der Grossraubtierproblematik besonders betroffen ist, nachvollziehbar. Die Umstellung der Weide- und Sömmerungsbetriebe auf einen gut funktionierenden Herdenschutz ist schwierig, zeitintensiv und kostspielig.

Im Kanton Graubünden wird seit Jahren auf allen möglichen Ebenen versucht, das Zusammenleben von Wolf und Mensch im intensiv genutzten Kantonsgebiet zu ermöglichen. Dies zeigt sich einerseits im konsequent durchgeführten Grossraubtier-Management und dem Bestreben um eine möglichst transparente Kommunikation. Andererseits wird dies verdeutlicht durch das Engagement der am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof eingeführten Beratung für Herdenschutz. Mit Engagement und mittlerweile auch mit grosser Erfahrung werden die Viehhalter zum Thema Herdenschutz beraten. Aufgrund der zunehmenden Ausbreitung des Wolfs auf dem Kantonsgebiet und den jüngsten Vorkommnissen ist allerdings eine konfliktbringende Entwicklung des Verhaltens einzelner Wölfe, aber auch einzelner Rudel, zu erkennen. Ereignen sich bei Nutztierherden trotz Herdenschutzmassnahmen Schäden, sind griffige Massnahmen nötig, um schnell vor Ort eingreifen zu können.

Die aktuelle Gesetzgebung lässt eine behördliche Regulierung von Schaden verursachenden Wölfen unter gewissen Voraussetzungen und mit vorheriger Zustimmung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) zu. Es wird unterschieden zwischen dem behördlichen Einzelabschuss eines Einzelwolfes, wenn dieser einen konkreten und erheblichen Schaden verursacht (Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel [Jagdgesetz, JSG; SR 922.0]) und der behördlichen Regulierung eines sich aktuell fortpflanzenden Wolfsrudels, wenn dieses einen konkreten grossen Schaden verursacht (Art. 12 Abs. 4 JSG). Diese Möglichkeit zur "Regulierung von Wölfen" in der heutigen Form besteht erst seit der Revision der Ausführungsbestimmungen zum JSG Mitte 2015. Vorausgesetzt ist, dass es trotzt griffiger Herdenschutzmassnahmen zu Schadensereignissen kommt.

Im Sommer 2019 töteten Wölfe aus dem Beverinrudel rund 48 Schafe und Ziegen, wobei während zwei Rissereignissen im Juni bei Prau da l'Alp und im Juli bei Safien-Neukirch insgesamt 15 Ziegen auf Weiden getötet wurden, die mittels wirksamen Herdenschutzmassnahmen geschützt waren. Damit war die rechtlich definierte Schadenschwelle erstmals erreicht und die Bedingungen für das Erteilen einer Regulationsbewilligung durch den Kanton gegeben. Seitens der Behörden wurde unmittelbar das Verfahren für die Regulierung des Beverinrudels eingeleitet. Nach Vorliegen der genetischen Analysen und auf entsprechendes Gesuch hin erteilte das BAFU am 23. September 2019 seine Zustimmung zum Abschuss von insgesamt vier Wölfen aus dem Beverinrudel, unter Schonung der Elterntiere. Am 4. Oktober 2019 erging die kantonale Verfügung zur Bestandesregulierung des Wolfsrudels Beverin.

Die Regierung ist davon überzeugt, dass nur mit der Möglichkeit eines Eingriffs bei verhaltensauffälligen Wölfen und Bestandesregulationsmassnahmen ein Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf in der Kulturlandschaft möglich ist. Nebst der Schutzaufgabe im Umgang mit geschützten Arten gehört die konsequente Ergreifung von Interventionsmassnahmen deshalb genau gleich zur Praxis der zuständigen Behörden, wie auch Präventions- und Vergrämungsmassnahmen umgesetzt werden. Es kann demzufolge festgestellt werden, dass die rechtlich eingeräumten Kompetenzen bei der behördlichen Regulierung von Schaden verursachenden Wölfen bzw. Wolfsrudeln bereits heute konsequent genutzt und sofort umgesetzt werden. Die Regierung ist zudem zuversichtlich, dass mit dem vom Bundesparlament revidierten eidgenössischen Jagdgesetz der erwünschte Spielraum entsteht, um den Wolfsbestand auf ein annehmbares Mass zu regulieren.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen.

24. Oktober 2019