Die Sozialhilfe umfasst gemäss kantonalem Sozialhilfegesetz die persönliche und die materielle Hilfe. Unter persönlicher Sozialhilfe wird gemeinhin die Sozialberatung und unter materieller Sozialhilfe die klassische Fürsorge verstanden.
Das Sozialhilfegesetz sieht vor, dass die persönliche Sozialhilfe durch private, gemeindeeigene oder kantonale Sozialdienste erbracht wird. In der Praxis sind fast alle Bündner Gemeinden zu klein, um dies professionell sicherstellen zu können. Deshalb stellen dies seit dem kantonalen Fürsorgegesetz von 1920 kantonale Stellen sicher, seit 1943 regional im gesamten Kanton organisiert (mit Ausnahme der Landschaft Davos). Jedoch werden die Kosten der Regionalen Sozialdienste seit Inkrafttreten der FA–Reform am 1. Januar 2016 nach Art. 7 des Sozialhilfegesetzes auf die Gemeinden im jeweiligen Einzugsgebiet verteilt. Sie können weder auf die Kostenentwicklung noch auf die Leistungserbringung der Sozialberatung massgeblich Einfluss nehmen. Dies widerspricht dem Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz. Gemäss dieser soll nämlich diejenige staatliche Ebene eine Aufgabe erbringen, welche sie auch bezahlt und einen Nutzen aus ihr zieht.
Die materielle Sozialhilfe ist gemäss Art. 4 Abs. 2 Sache der Gemeinden. Der Kanton beteiligt sich daran gemäss Unterstützungsgesetz. Darüber hinaus entlastet er nach Massgabe des Finanzausgleichsgesetzes Gemeinden, welche übermässige finanzielle Soziallasten zu tragen haben. Weil die materielle Sozialhilfe ein zunehmend komplexeres Rechtsgeschäft ist, können viele Gemeinden ihre Aufgaben der Prüfung der Gesuche und der aktiven professionellen Bewirtschaftung nur sehr beschränkt wahrnehmen. Die kommunale Zuständigkeit in der materiellen Sozialhilfe führt zudem dazu, dass bei Umzügen formalrechtliche Abläufe wiederholt werden müssen, weil Verfügungen nicht auf die neue Wohngemeinde übertragen werden.
Die Sozialhilfe ist zentral für das gute Zusammenleben und den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft. Umso mehr, weil fast jede dritte Person, die Sozialhilfe bezieht, ein Kind oder eine jugendliche Person ist. Ihre Unterstützung bedeutet eine Investition in die Zukunft. Rund 80% aller Fälle können zudem in weniger als 5 Jahren abgeschlossen werden. Die Förderung der beruflichen und sozialen Integration ist deshalb eine wichtige Zielsetzung der Sozialhilfe. Geld kann in der Sozialhilfe vor allem dann eingespart werden, wenn eine rasche und nachhaltige Integration erfolgt. Eine über den Kanton einheitlich hohe Beratungsqualität ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Für eine nachhaltige Ablöse und Integration ist die Koordination von persönlicher und materieller Sozialhilfe von zentraler Bedeutung. Das Sozialhilfesystem funktioniert im Grundsatz gut. In Graubünden ist die Sozialhilfe aber offensichtlich nicht im Sinne der fiskalischen Äquivalenz organisiert und finanziert.
Die Regierung wird daher beauftragt, die Organisation und Finanzierung der Sozialhilfe so zu verbessern, dass eine optimalere Steuerung im Sinne der fiskalischen Äquivalenz möglich wird und dass die Aufgaben jenen staatlichen Ebenen zugewiesen werden, die sie in aller Regel am professionellsten erbringen können. Dadurch soll die Beratungsqualität für hilfesuchende Personen mindestens erhalten, wenn irgendwie möglich jedoch verbessert werden. Die Qualität und Leistung soll dabei nicht davon abhängen, wo jemand im Kanton wohnhaft ist.
Chur, 4. Dezember 2019
Degiacomi, Rüegg, Widmer (Felsberg), Berweger, Bettinaglio, Bigliel, Caluori, Casty, Cavegn, Claus, Deplazes (Chur), Dürler, Flütsch, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hofmann, Hohl, Holzinger-Loretz, Jenny, Jochum, Kienz, Kunfermann, Marti, Natter, Noi-Togni, Pfäffli, Ruckstuhl, Stiffler, Thomann-Frank, Thür-Suter, Pajic