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Session: 12.02.2020

Die Bündnerinnen und Bündner leben erfreulicherweise überdurchschnittlich lange und gesund. Neben einer guten Gesundheitsversorgung leistet der Kanton auch wichtige Präventionsarbeit (z.B. Programm «Bisch fit?», Darmkrebsvorsorge). Dies ist erfreulich, denn damit können viel Leid und hohe Kosten vorsorglich vermieden werden.

Wie verschiedene Medien (z.B. NZZ am Sonntag, 18.1.2020: «Bildung bringt mehr Jahre mit guter Gesundheit») berichteten, hat die Universität Genf kürzlich im Rahmen einer Langzeitstudie1 herausgefunden, dass die Schweizerinnen und Schweizer zwar zunehmend länger leben, jedoch bezüglich Anzahl gesunder Lebensjahre die Schere zwischen den sozialen Schichten aufgeht. Bei Leuten mit hohem Bildungsstand hat sich die gesunde Lebensspanne deutlich verlängert, bei denjenigen mit tiefem Bildungsstand sind seit Jahrzehnten kaum gesunde Lebensjahre dazugekommen. Die Studie zeigt, dass diesbezüglich insbesondere die Gesundheitsvorsorge eine wichtige Rolle spielt. Die gesundheitsförderlichen Verhaltensempfehlungen werden bei sozioökonomisch bessergestellten Personen eher befolgt als bei einkommensschwachen resp. weniger gebildeten Personen. Die Informationen erreichen diese Gruppen nicht oder sie haben zu wenig finanzielle und mentale Ressourcen, sie umzusetzen.

Die Autoren schlagen daher vor, die Informationen und Massnahmen zielgerichteter zu platzieren, damit mehr Wirkung erzielt werden kann. Dies mit dem übergeordneten Ziel vor Augen, dass alle Gesellschaftsschichten langfristig von mehr gesunden Lebensjahren profitieren können.

In diesem Kontext stellen die Unterzeichnenden folgende Fragen:

1.     Wie beurteilt die Regierung die Studienergebnisse mit Blick auf den Kanton Graubünden?

2.     Was unternimmt die Regierung, um explizit bildungsferne und ärmere Personen bzgl. Gesundheitsvorsorge zu erreichen?

3.     Erachtet es die Regierung für notwendig, die Massnahmen in den Bereichen Gesundheitsförderung und Prävention bei den unterprivilegierten Teilen der Bevölkerung zu intensivieren?

1 Remund, A., Cullati, S., Sieber, S. et al. Longer and healthier lives for all? Successes and failures of a universal consumer-driven healthcare system, Switzerland, 1990–2014. Int J Public Health 64, 1173–1181 (2019).

Chur, 12. Februar 2020

Caviezel (Chur), Rüegg, Tomaschett-Berther (Trun), Atanes, Baselgia-Brunner, Brandenburger, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Cavegn, Degiacomi, Deplazes (Chur), Deplazes (Rabius), Derungs, Flütsch (Splügen), Gartmann-Albin, Geisseler, Hofmann, Hohl, Holzinger-Loretz, Horrer, Kappeler, Kienz, Kunfermann, Loi, Maissen, Märchy-Caduff, Müller (Felsberg), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, Salis, Thomann-Frank, Thür-Suter, von Ballmoos, Waidacher, Weber, Widmer (Felsberg), Wilhelm, Spadarotto, Stieger

Antwort der Regierung

Die in der Anfrage erwähnte Studie der Universität Genf zeigt auf, dass sich die gesunde Lebensspanne der Schweizer Bevölkerung mit hohem Bildungsstand verlängert hat, während bei der Bevölkerung mit tiefem Bildungsstand mehr Jahre mit schlechter Gesundheit dazugekommen sind. 

Zu Punkt 1: Die Studienergebnisse sind auch für den Kanton Graubünden relevant. Es ist bekannt, dass es starke Wechselwirkungen zwischen sozialen Einflussfaktoren und Gesundheitsverhalten und -zustand gibt. In diesem Sinn gilt: "Armut macht krank" und "Krankheit macht arm". Neben der Bildung, dem Beruf und dem Einkommen wirken sich auch das Geschlecht, der Familienstand, ein allfälliger Migrationshintergrund sowie die psychische Gesundheit auf den Umgang mit Gesundheitsrisiken aus. Die Ressourcen für die Risikobewältigung sind ungleich verteilt und damit ist auch die gesundheitliche Chancengleichheit nicht immer gewährleistet.

Zu Punkt 2: Der Kanton verfolgt im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention zwei Ansatzpunkte: Zum einen regt er Investitionen in gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen an (z.B. gesundheitsförderliche Schulen, Bewegungsräume in Gemeinden), welche allen zugutekommen. Zum anderen dienen Aktionsprogramme und Kampagnen der Stärkung des Gesundheitsverhaltens (z.B. Kampagne zur Stärkung der psychischen Gesundheit). Ein strategisch wichtiger Ansatzpunkt ist es dabei, Zielgruppen zu definieren und Schwerpunkte zu setzen. Der Kanton stellt Aktionsprogramme für folgende Zielgruppen ins Zentrum: Frühe Kindheit (Familien mit Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter), Kinder und Jugendliche im Schulalter und im Übergang zum Berufsleben sowie ältere Menschen. Dabei arbeitet er bereits heute mit Fachpersonen und Schlüsselpersonen aus vulnerablen Gruppen zusammen, um die Botschaften und Massnahmen auch in diesen Gruppen verankern zu können. Gerade durch die Massnahmen im Bereich der frühen Kindheit und Kinder und Jugendliche im Schulalter können alle sozialen Schichten erreicht werden. Schliesslich achtet der Kanton bei der Umsetzung sämtlicher Massnahmen auf einen niederschwelligen Zugang, kostengünstige oder kostenfreie Angebote sowie einfaches und verständliches Informationsmaterial. 

Zu Punkt 3: Ja, die Regierung erachtet es als notwendig, die bestehenden Massnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention mit einem Fokus auf unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen weiterzuentwickeln, um die Chancengleichheit auch in Bezug auf die Gesundheit weiter zu erhöhen. Dazu ist der Einsatz zahlreicher Akteure der Gemeinden und des Kantons und bei letzterem eine interdepartementale Zusammenarbeit gefordert. Insbesondere Bildung aber auch der Zugang zur Migrationsbevölkerung sowie zu Armutsbetroffenen sind zentrale Erfolgsfaktoren für eine Erhöhung der gesundheitlichen Chancengleichheit.

Der Entwicklung einer "Strategie der frühen Förderung" im Rahmen des Programms Kinder- und Jugendpolitik im Kanton Graubünden unter der Leitung des kantonalen Sozialamts kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Die "Frühe Förderung" gilt als eines der wichtigsten Instrumente zur Prävention von Armut und dem daraus entstehenden Risiko von oft lebenslangen Benachteiligungen von Individuen und Gruppen. Kinder aus sozial benachteiligten Familien profitieren besonders stark von einer qualitativ guten frühen Förderung (Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut, BSV). Ein weiterer zentraler Ansatzpunkt der Armutsprävention ist die Unterstützung von geringqualifizierten Erwachsenen beim Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen sowie bei einem Berufsabschluss oder einem Berufswechsel. In diesen Bereichen steht der Kanton erst am Anfang und braucht entsprechend ganzheitliche Strategien und weiterführende Massnahmen. Der Handlungsbedarf für eine kohärente Politik ist dabei gross. Weiter bietet die Bearbeitung des Entwicklungsschwerpunkts 6.2 im Regierungsprogramm 2021-2024 mit dem Ansatz "Stärkung der Gesundheitskompetenz" wichtige Möglichkeiten, um wirksame Rahmenbedingungen für die gesundheitliche Chancengerechtigkeit aufzubauen.

30. April 2020