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Session: 19.06.2020

Den Medien kommt in einem demokratischen Staat eine wichtige Aufgabe zu. Sie nehmen nicht nur eine Informationspflicht wahr, sondern spielen eine zentrale Rolle für das Funktionieren unserer Demokratie. Sie sind systemrelevant und unverzichtbar. Im Kanton Graubünden beleben sie zusätzlich die Regionen und fördern die Mehrsprachigkeit.

Die Bündner Medien haben in der aktuellen Krise einen deutlich gesteigerten Bedarf am Service public abgedeckt. Das Bedürfnis nach zuverlässigen Informationen sowie auch einem öffentlichen Diskurs über behördliche Massnahmen war und ist nach wie vor stark erhöht. Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Bündner Medien für unseren Kanton demokratierelevant sind. Ohne ihre Arbeit wäre die Bevölkerung in unserem dreisprachigen Kanton weitaus schlechter informiert gewesen.

Im Gegensatz zu anderen Branchen lässt sich die Krise bei den Bündner Medien nicht durch die Anordnung von Kurzarbeit bewältigen. Im Gegenteil: Journalistische Ressourcen wurden und werden verstärkt gebraucht.

Die Werbeeinnahmen der Schweizer Medien sind demgegenüber seit Mitte März stark rückläufig. Sowohl die Printmedien als auch die elektronischen Medien Radio und TV und die Online-Portale verzeichneten seit Ende März Rückgänge von 50% bis 75% der erwarteten Werbeeinnahmen. Branchenexperten gehen davon aus, dass die Verluste der vergangenen drei Monate nicht mehr kompensiert werden können. Wegen der fortdauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den nächsten Monaten werden sich die Verluste noch deutlich erhöhen. Auch in Graubünden sind die Werbeeinnahmen stark eingebrochen. Diese Entwicklung wird in Graubünden anhalten, zumal die Finanzierung über Werbeeinahmen angesichts der regionalen und sprachlichen Fragmentierung zusätzliche Schwierigkeiten bereitet. Ohne Soforthilfe ist das Überleben von Bündner Zeitungen und Online-Newsplattformen in Frage gestellt. Es ist offensichtlich, dass ein Verlust von Bündner Medien kaum mehr kompensiert würde. Die Bündner Medienlandschaft wäre nachhaltig geschädigt.

Der Bund hat zwar Hilfe in Aussicht gestellt. Die vom Bund beschlossenen Unterstützungsmassnahmen für die privaten Medien dienen in erster Linie den Radio- und Fernsehstationen. Die aktuell geförderten abonnierten Tages- und Wochenzeitungen der Regional- und Lokalpresse werden ab dem 1. Juni 2020 während sechs Monaten im Tageskanal der Post kostenlos zugestellt. Zeitungen hingegen, die mittels Frühzustellung zugestellt werden – das sind in Graubünden eine Mehrheit der abonnierten Exemplare – erhalten vom Bund keine kurzfristige Soforthilfe.

In Ergänzung zur Bundeshilfe und subsidiär zu allfälligen weiteren Massnahmen des Bundes soll der Kanton Graubünden deshalb den Bündner Medien mit tagesaktuellem Informationscharakter (Zeitungen / Online-Plattformen) eine kurzfristige Soforthilfe leisten, um weiterhin eine qualitativ hochstehende Berichterstattung zu gewährleisten und um den Erhalt der Arbeitsplätze, wenn nicht gar ihr Überleben zu sichern. Diese gezielten Sofortmassnahmen sollen ergänzend und subsidiär zu den vom Bund getroffenen Massnahmen verordnet werden.

Zu diesem Zweck beauftragen die Unterzeichnenden, dass die Regierung als Massnahmenpaket zur Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus im Bereich der Bündner Medien ein à-fonds-perdu-Beitrag in der Höhe von maximal 1.5 Mio. Franken bereitstellt. Aufgrund der Dringlichkeit soll die Regierung schnellstmöglichst handeln. Für die Gewährung von Beiträgen sind folgende Bedingungen zu erfüllen (analog Massnahmenpakete in anderen Kantonen, beispielsweise Kanton Freiburg):

a.     Empfängerkreis: Ein Gesuch stellen können Zeitungsverleger und Betreiber von regionalen Online-Newsplattformen:

I.    mit Firmensitz im Kanton Graubünden und einer Leserschaft, die sich zu über 80% aus Bündner Leserinnen und Lesern zusammensetzt;

II.  deren Tätigkeit durch die Auswirkungen von COVID-19 erheblich beeinträchtigt wurde;

III. die eine Finanzhilfe des Staats benötigen, um den Erhalt der Arbeitsplätze, wenn nicht gar das Überleben der verlegten Zeitungen und ihrer Online-Plattformen, zu gewährleisten.

b.     Gegenstand der Finanzhilfe: Der Beitrag des Staats deckt einen Teil des Umsatzverlusts ab.

c.     Umfang der Finanzhilfe: Der Staat übernimmt maximal 50% der gegenüber der Vorjahresperiode eingebüssten Werbeeinnahmen nach Kompensation allfälliger Mehreinnahmen aus dem Verkauf zusätzlicher Abonnemente. Der Empfänger unterliegt einer Auskunftspflicht für die notwendigen Informationen.

d.     Einmaliges Gesuch: Ein Empfänger kann nur ein Gesuch stellen, das für alle auf dem Kantonsgebiet herausgegebenen und verteilten Zeitungen gilt.

e.     Dauer: 1. März bis 31. Dezember 2020.

Chur, 19. Juni 2020

Cavegn, Hofmann, Crameri, Berther, Brunold, Buchli-Mannhart, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Deplazes (Chur), Epp, Fasani, Gartmann-Albin, Gasser, Horrer, Kunfermann, Loepfe, Maissen, Michael (Donat), Perl, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Rutishauser, Sax, Schmid, Schwärzel, Tomaschett (Breil), Ulber, von Ballmoos, Wilhelm, Giudicetti, Pajic

Antwort der Regierung

Grundsätzlich gehört die Medienlandschaft zu denjenigen Bereichen, in die der Staat nur sehr zurückhaltend eingreift. Dies aus zwei Gründen: Zum einen um nicht dirigistisch auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen (Meinungs- und Pressefreiheit), zum anderen um nicht wettbewerbsverzerrend zu wirken (marktwirtschaftlicher Aspekt). Bisher beschränkten sich die regulatorischen Massnahmen seitens der öffentlichen Hand denn auch auf das Bereitstellen eines Basisangebots (SDA/ATS, SRG SSR) sowie auf ausgewählte Förderinstrumente (Presseförderung in Form der ermässigten Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften; Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Minderheitensprachen). Gesetzlich geregelt sind diese traditionellen Steuerungsmechanismen weitgehend auf Bundesebene. Auf kantonaler Ebene beschränkte sich das Engagement der öffentlichen Hand bisher – analog und in Ergänzung zum Bund – auf Fördermassnahmen zu Gunsten der beiden Minderheitensprachen Rätoromanisch und Italienisch. 

Eine zusätzliche, völlig neue Dimension haben medienpolitische Fragestellungen nun aber seit der Jahrtausendwende erhalten: Der umfassende Medienwandel stellt einen der aktuellen globalen Megatrends dar und bildet auch für die Schweiz und für Graubünden eine komplett neue Ausgangslage, der mit den traditionellen Fördergefässen nicht beizukommen ist. Der Wandel im Medienverhalten führt zu neuen Nutzungsformen, die häufig indifferent gegenüber den etablierten politischen Geltungsräumen, Prozessen und Kommunikationsregeln sind. Konkret läuft die öffentliche Hand Gefahr, vorhandene und bewährte Standards einzubüssen, und dies gleich in zweierlei Hinsicht, nämlich in Form von möglichen demokratiepolitischen Defiziten und als Bedrohung der kleinräumigen Vielfalt.

Vor diesem Hintergrund hat die Regierung im Mai 2018 dem Grossen Rat beantragt, den «Auftrag Atanes betreffend Zukunft der Berichterstattung in Graubünden» zu überweisen. Dieser sieht vor, in einem Bericht die mittel- bis langfristigen finanziellen Perspektiven der in sämtlichen Kantonssprachen tätigen Medien beurteilen zu lassen sowie Varianten für eine Unterstützung (finanzieller oder anderer Art) zugunsten der Medien im Kanton aufzuzeigen, damit diese ihre wichtige Funktion für die Demokratie auch in Zukunft ausüben können.

Die Regierung ist sich bewusst, dass die Corona-Krise die Situation für die Medien noch verschärft hat resp. die angeführten Entwicklungen noch beschleunigt hat. Zusätzliche kurzfristige Massnahmen für die Medien seitens des Kantons – über die COVID-19-Soformassnahmen des Bundes hinaus – erachtet die Regierung jedoch als nicht zielführend: Diese wären nur kurzfristig von Nutzen und zeitlich begrenzt; zudem müsste zuerst die entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Vielmehr zeigt sich aus obigen Ausführungen, dass die strukturellen Umwälzungen im Medienbereich im Rahmen einer breiten Auslegeordnung und einer mittel- bis langfristigen Planung anzugehen sind – gerade auch in Anbetracht der hohen demokratiepolitischen Bedeutung der medialen Berichterstattung. 

Aufgrund des Auftrags Atanes hat das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement (EKUD) die Universität St. Gallen (HSG) und die Fachhochschule Graubünden (FHGR) beauftragt, eine Studie mit dem Titel «Die Medien im Kanton Graubünden: Bestandesanalyse und Zukunftsperspektiven» zu verfassen. Im Rahmen der Erarbeitung sind auch Gespräche mit Vertretern sämtlicher Medienunternehmen im Kanton Graubünden geplant. Der Bericht soll voraussichtlich gegen Ende 2020 vorliegen und auch Möglichkeiten der Medienförderung seitens der öffentlichen Hand aufzeigen. Allfällige kantonale Massnahmen sollen dabei subsidiär zum Massnahmenpaket zu Gunsten der Medien auf Bundesebene sein, der im Herbst im Nationalrat beraten wird. 

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

31. August 2020