Zu den Fragen 1 und 2: Die Hundebissvorfälle waren in den Jahren 2012 bis und mit 2017, also bis im ersten Jahr nach der Abschaffung des Sachkundenachweises (SKN), immer relativ konstant. In den Jahren 2018 und 2019 haben die Bissvorfälle dann aber deutlich zugenommen. Der Veterinärdienst ist von der Meldedisziplin der involvierten Stellen (Ärzte- und Tierärzteschaft, Polizei, Hundeausbildende etc.) abhängig. Auch wird seit 2014 eine konstante Zunahme von Hundehaltenden und Hunden verzeichnet. Ob die Zunahme der Bissvorfälle und von Hundehaltenden und Hunden auch mit der Abschaffung des obligatorischen SKN zusammenhängt, kann nicht schlüssig beantwortet werden. Für den Anstieg der Bissvorfälle in den letzten zwei Jahren gibt es – neben der Abschaffung des SKN und der Mehrzahl von Hunden – weitere mögliche Erklärungen, so z. B. dass der florierende, häufig illegale Import von günstigen Hunden und falsch verstandene Tierliebe viele Personen dazu verleitet, unüberlegt einen Hund anzuschaffen, oder dass infolge verschiedener Sensibilisierungskampagnen die involvierten Personen sensibler auf Hundebissfälle reagieren und beim Arzt bzw. Tierarzt auf einer Meldung beharren.
Seit dem Jahr 2017 wird statistisch unterschieden zwischen Vorfällen Hund-Mensch und Hund-Hund. In diesen drei Jahren haben die Bissvorfälle Hund-Hund stärker zugenommen als die Bissvorfälle Hund-Mensch. Es gibt dabei keine Rasseprädispositionen (Mischlingshunde beissen zwar am meisten, diese kommen aber auch am häufigsten vor). Darüber, ob Hunde von Tierhaltenden ohne SKN häufiger beissen als von solchen mit SKN können keine Aussagen gemacht werden.
Zu Frage 3: Im Heimtierbereich werden im Unterschied zum Nutztierbereich keine systematischen und flächendeckenden Kontrollen durchgeführt. Tierschutzfälle im Heimtierbereich erfolgen vorwiegend aufgrund von Hinweisen oder Meldungen aus der Bevölkerung oder von Beobachtungen der Polizei und der Sozialdienste. Eine signifikante Zunahme der Tierschutzfälle in der Hundehaltung – neben den Bissvorfällen – und eine Zunahme des Schweregrades der einzelnen Tierschutzfälle konnte in den letzten zwei Jahren nicht beobachtet werden. Die Abklärungen der Fälle werden aber immer komplexer und verwaltungsrechtlich aufwendiger.
Zu Frage 4: Die Regierung erachtet zwar eine Ausbildungspflicht für Ersthundehaltende grundsätzlich für sinnvoll, damit diese die richtige und nötige Fachkompetenz erlangen können. Einzuräumen ist aber, dass die Problematik vielschichtiger ist und dass eine Ausbildungspflicht allein wohl nicht massgeblich zu einer erkennbaren Reduktion der Bissvorfälle führen würde. Daneben stellt sich das Problem, dass die Tiere häufig angeschafft werden, ohne dass sich die Neuhundehaltenden vorgängig über die Bedingungen einer Hundehaltung aktiv informiert oder den theoretischen Teil der Ausbildung absolviert hätten. Letztlich hat sich der Grosse Rat vor drei Jahren gegen die Einführung einer Ausbildungspflicht auf kantonaler Ebene ausgesprochen (Auftrag Danuser).
Das zuständige Amt hat mit ausgewählten Instruktoren einen neuen kynologischen Ausbildungslehrgang (KAL) erarbeitet. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der ehemaligen SKN wurden dabei berücksichtigt und die negativen Seiten weitgehend ausgemerzt oder verbessert. In Graubünden kommt der KAL als amtliche Massnahme im Zusammenhang mit Tierschutzfällen, Hundebissvorfällen und/oder bei verhaltensauffälligen Hunden zum Einsatz. Der KAL könnte für eine kantonale Ausbildungspflicht für Ersthundehaltende Anwendung finden.
In den letzten Jahren hat die Vermarktung von ausländischen Rassehunden per Internetplattformen enormen Aufwind erhalten, und auch der teils fragwürdige Import durch Tierschutzorganisationen ist seit einigen Jahren wachsend. So werden zum einen Welpen diverser Rassen von professionellen Organisationen aus zwielichtigen Zuchten im Internet angeboten und an unerfahrene Hundekäuferinnen und Hundekäufer in der Schweiz vermittelt, andererseits sind es in der Regel Mischlingshunde (ehemalige Strassenhunde etc.), die in eine ihnen absolut fremde Umgebung verschoben werden. Der Kanton ist in diesem Bereich in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen und dem Bund präventiv durch vermehrte Kontrollen der importierenden Organisationen, aber auch durch Information und Sensibilisierung von Kaufwilligen, aktiv.
27. August 2020