Die Schule bereitet die Jugendlichen gut auf den Übergang I von der obligatorischen Schule in die Berufsschule bzw. das Gymnasium vor. Nur wenige Jugendliche stehen nach der Schulzeit ohne Anschlusslösung da. In der Phase dieses Übertritts und auch danach gibt es jene gewohnte Begleitung durch die Schule nicht mehr. Zudem verlieren weitere wichtige Angebote der Schulen (u.a. Schulsozialarbeit, Heilpädagogik) von da an ihre Zuständigkeit, womit wichtige unterstützende Angebote im Alltag der Jugendlichen entfallen. Der Übergang von der obligatorischen Schule in eine abgeschlossene Berufslehre oder eine erfolgreiche weiterführende Schule gelingt nicht allen Jugendlichen. Laut nationalen Studien erreichen bis zu 10% der jungen Erwachsenen keinen erfolgreichen Lehrabschluss oder eine weiterführende Schule.
In einer digitalisierten Welt, in welcher Bildung einen noch höheren Stellenwert einnimmt, als dies bereits in der Vergangenheit der Fall war, stellt das Fehlen einer Erstausbildung ein Armutsrisiko dar. Die erhöhte Belastung durch Stellenwechsel, die Prekarisierung des Arbeitsmarktes sowie psychische Risikofaktoren wie Existenzängste führen zu einem gesteigerten Risiko gesundheitlicher Folgeschäden.
In der Stadt Chur verfügten 2018 (Kennzahlenvergleich 2018 zur Sozialhilfe in 14 Schweizer Städten) mehr als die Hälfte (52.4%) der Sozialhilfebeziehenden nicht über eine berufliche Ausbildung (dies im Vergleich zu 5.7% bei Personen mit einer Universitären / höheren Fachausbildung).
Der im April 2020 erschienene Grundlagenbericht des Bundesamts für Gesundheit (BAG) formuliert Massnahmen, welche zu einer Steigerung der Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt beitragen. Darin wird das Thema Ausbildung als essenzieller Faktor erfasst.
Im vergangenen Oktober hat die Stadt Zürich diese Problematik aufgegriffen und eine Bildungsstrategie für Geringqualifizierte erarbeitet. Durch die Förderung von Aus- und Weiterbildungen sollen Personen innerhalb und ausserhalb des Arbeitsmarkts befähigt werden, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhöhen. Neben Sozialhilfebeziehenden soll neu auch Menschen, die zwar heute noch im Erwerbsleben stehen, deren Arbeitsplatz in Zukunft aber als gefährdet gilt, Weiterbildung ermöglicht werden.
Aus diesem Grund stellen die Unterzeichnenden der Regierung folgende Fragen:
- Wie hoch ist der Anteil an jungen Erwachsenen, welche ohne Erstausbildung im Kanton Graubünden ins Erwerbsleben startet und wie hat sich deren Anzahl in den vergangenen Jahren entwickelt?
- Welche Auswirkungen haben nicht abgeschlossene (Erst-)Ausbildungen auf die Arbeitsmarktfähigkeit von jungen Erwachsenen, deren Gesundheit und das Sozialverhalten?
- Wie können vulnerable Jugendliche verbindlicher begleitet werden, wenn diese ihre Lehre oder Ausbildung abbrechen (müssen) und keinen schnellen Wiedereinstieg schaffen?
- Ist die Regierung, mit Blick auf den Grundlagenbericht des BAG sowie die nationale Weiterbildungsoffensive «Arbeit dank Bildung» der SKOS, bereit, eine kantonale Bildungsstrategie für Geringqualifizierte, ähnlich der Stadt Zürich, zu erarbeiten?
Chur, 19. Juni 2020
Rettich, Tanner, Casutt-Derungs, Baselgia-Brunner, Brandenburger, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Cavegn, Deplazes (Chur), Deplazes (Rabius), Föhn, Gartmann-Albin, Gasser, Geisseler, Gugelmann, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hofmann, Holzinger-Loretz, Horrer, Kohler, Maissen, Märchy-Caduff, Michael (Castasegna), Müller (Felsberg), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Perl, Preisig, Rutishauser, Schmid, Schwärzel, Thöny, von Ballmoos, Widmer (Felsberg), Wilhelm, Zanetti (Landquart), Pajic