Über den Lohn zu reden, ist in der Schweiz ein Tabu, Lohntransparenz nicht nur sprachlich ein Fremdwort. Dies behindert unter anderem jeglichen Fortschritt in Sachen Lohngleichheit zwischen Frau und Mann. Es gibt unzählige Schilderungen von Frauen, namentlich von Kaderfrauen, die durch puren Zufall erfahren, dass ihr Kollege – im besten Fall einer mit vergleichbarer Ausbildung und vergleichbar langer Verweildauer im Betrieb – einen höheren Lohn kassiert als sie. Dagegen vorzugehen, ist alles andere als einfach, da die Beweislast gemäss Gleichstellungsgesetz bei der Frau liegt und nicht etwa bei der Arbeitgeberin.
Eines der Mittel gegen solche Vorkommnisse ist die Herstellung von Transparenz. Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf, Lohntransparenz in der kantonalen Verwaltung einzuführen. Die kantonale Verwaltung wird durch Steuergelder alimentiert, und deshalb besteht ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit und der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu erfahren, wie diese Steuergelder eingesetzt werden. Der Kanton Graubünden ist einer von zwei (!) Kantonen in der Schweiz, die fast keine Informationen über die in der Verwaltung bezahlten Löhne bekannt geben. In den übrigen Kantonen können die Lohntabellen mit den Lohnklassen und den Lohnbandbreiten auf den entsprechenden Websites eingesehen werden. Lediglich in der Verordnung zu unserem Personalgesetz werden die Grundsätze der Lohntabelle in Artikel 18 geschildert, so dass eine gut informierte Mitarbeiterin den ungefähr ausbezahlten Lohn errechnen kann. Es ist noch nicht so lange her, dass kantonale Mitarbeitende auf der Lohnabrechnung keine Angaben zu ihrer Lohnklasse finden konnten. Intransparent ist zudem, welche Kriterien der Funktionsanalyse zu welchen Lohneinreihungen führen und warum es bei Neueinstellungen zu einer verzögerten Lohnentwicklung kommt.
Die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen hat am 8. März 2021 eine neue Richtlinie zur Lohntransparenz in die Vernehmlassung geschickt. Darin werden unter anderem die Betriebe zur Bekanntgabe des Einstiegslohns in der Stellenausschreibung verpflichtet. In Österreich ist die Angabe des Einstiegslohns in Stelleninseraten seit zehn Jahren obligatorisch. Argumentiert wird auch ausdrücklich mit der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann.
Selbst in der Schweiz gibt es Betriebe, die Lohntransparenz kennen. Allen voran die Zürcher Verkehrsbetriebe VBZ oder die Organisation «Médecins Sans Frontières». Die interkantonale Personalberatung «careerplus» macht dies ebenfalls auf ihrem Jobportal.
Zur Herstellung von Lohntransparenz in der kantonalen Verwaltung fordern die Unterzeichnenden die Regierung auf:
- Die Lohntabelle mit den Lohnklassen und den Lohnbandbreiten für alle zugänglich und zuhanden der interessierten Öffentlichkeit im Internet zu publizieren.
- In den Stelleninseraten der kantonalen Verwaltung den Einstiegslohn für die jeweilige Lohnklasse bekannt zu geben.
- Die Mitarbeitenden der kantonalen Verwaltung transparent und verständlich über ihre Lohneinreihung und Lohnentwicklung zu informieren.
Davos, 16. Juni 2021
Hofmann, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Atanes, Baselgia-Brunner, Cantieni, Caviezel (Chur), Degiacomi, Gartmann-Albin, Horrer, Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schwärzel, von Ballmoos, Wilhelm, Spadarotto, Stieger, Tomaschett (Chur)