Mit Antwort vom 22. Juni 2021 (Prot. Nr. 563/2021) hat die Regierung zur Anfrage Horrer vom 21. April 2021 betreffend Areal Sennhof Chur die Rahmenbedingungen des durchgeführten Investorenwettbewerbs sowie die Entscheidkriterien für die Baurechtsvergabe erläutert. In ihrer Antwort wies sie zudem auf die Gesetzesvorgaben des Finanzhaushaltsrechts hin, welche dem Kanton die Abgabe von Liegenschaften im Finanzvermögen zu marktüblichen Werten vorschreiben (vgl. dazu auch Antwort der Regierung vom 13. März 2013 zur Anfrage Michel betreffend Umnutzung Sennhof: Ein Gefängnis das Freiraum ermöglicht und Antwort der Regierung vom 23. August 2017 zur Anfrage Widmer-Spreiter betreffend wie weiter mit dem Sennhof?).
Zu Frage 1: Die Baurechtsverträge des Kantons wie jener zum Areal Sennhof entsprechen schweizweit üblichen Standards. Eine vergünstigte Abgabe von Bauland ist dem Kanton aufgrund der finanzrechtlichen Vorgaben nicht erlaubt. Durch die Abgabe von Grundstücken unter dem Marktwert vermindert sich das Finanzvermögen des Kantons, was finanzrechtlich einer Ausgabe gleichkommt und immer einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Eine solche fehlt in der kantonalen Gesetzesordnung. Die vom Kanton verwendeten Baurechtsverträge sind deshalb auch nicht auf die spezifischen Eigenheiten von preisgünstigen Genossenschaftswohnungen ausgerichtet.
Zu Frage 2: Die Anforderungen zum Erhalt eines zinsgünstigen "Fonds de Roulement"-Darlehens für die Bereitstellung von preisgünstigen Wohnungen ergeben sich aus der Wohnraumförderungsgesetzgebung des Bundes und sind sehr strikt. Im Ergebnis sind diese Vorgaben nicht kompatibel mit den marktüblichen Standards von Baurechtsvergaben. Die im Rahmen eines Investorenwettbewerbs bekanntzugebenden Konditionen des Baurechtsvertrags müssten von Anbeginn konsequent auf gemeinnützigen Wohnungsbau ausgerichtet sein, damit die "Fonds de Roulement"-Auflagen erfüllt werden können.
Zu Frage 3: Um in den Genuss eines "Fonds de Roulement"-Darlehens zu kommen, müssten die Baurechtsverträge in mehreren Punkten von üblichen Vorgaben der freien Marktwirtschaft abweichen. Baurechte an gemeinnützige Wohnbauträger zeichnen sich in der Regel durch die Festlegung eines tieferen Baurechtszinses sowie durch Nutzungseinschränkungen (z.B. Kostenmiete, Mindestbelegung oder Auflagen an die Mieterschaft bezüglich Einkommens- und Vermögensgrenzen) und Zusatzvereinbarungen (z.B. altersgerechtes Bauen, Erstellung von Flächen zur öffentlichen Nutzung wie Kindergärten oder Quartierzentren oder Kunst am Bau) aus. Diese Anforderungen des "Fonds de Roulement" lassen sich mit den geltenden Grundsätzen des Finanzhaushaltsrechts nicht in Einklang bringen.
Zu Frage 4: Der Kanton betreibt heute, wenn auch in bescheidenem und geografisch klar abgegrenztem Rahmen, Wohnbauförderung. Diese konzentriert sich aufgrund des vom Grossen Rat 2006 beschlossenen Ausstiegs aus dem sozialen Wohnungsbau auf die Verbesserung der Wohnverhältnisse im Berggebiet (vgl. Grossratsprotokoll vom 12. Juni 2003, S. 13). Gestützt auf die kantonale Gesetzgebung über den sozialen Wohnungsbau und die Verbesserung der Wohnverhältnisse im Berggebiet (BR 950.250) werden jährlich Investitionsbeiträge von insgesamt rund 1,3 Mio. Franken ausgerichtet. Unterstützt werden die in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebende bäuerliche wie auch nichtbäuerliche Bevölkerung aller Talschaften des Kantons in den Hügel- und Bergzonen gemäss landwirtschaftlicher Zoneneinteilung.
Die Wohnbauförderung mittels vergünstigter Baulandabgabe (z.B. an ansässige Familien) wird heute je nach Erfordernis von einzelnen Gemeinden zur Steuerung des lokalen Wohnraumangebots als eine von mehreren raumplanerischen Massnahmen vorgenommen. Die bestehende Aufgabenteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden hat sich bewährt.
Sofern die kantonale Gesetzgebung gemäss der Antwort zur Frage 4 erweitert werden soll, wäre entweder eine Grundlage in bestehenden Gesetzen einzufügen oder ein neues Gesetz zu erlassen. Das Finanzhaushaltsgesetz sollte für sektoralpolitische Aufgaben aus Gründen der Gesetzessystematik demgegenüber nicht genutzt werden.
24. Februar 2022