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Session: 16.02.2022

Nach einem langen Anhörungsprozess mit den interessierten Kreisen, bei dem das Sprachlehrkonzept im Vordergrund stand, hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) die Reform «Kaufleute 2022» im vergangenen August definitiv genehmigt. Aufgrund der Verzögerung wird die Reform erst im Jahr 2023 umgesetzt werden. Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf sieht die Reform nun die Beibehaltung von zwei sogenannten «Fremdsprachen» als Pflichtfächer vor, wobei die Ausbildungspläne für die beiden Sprachen jedoch anders gestaltet sind. Die erste und die zweite «Fremdsprache» sind in operativer Hinsicht und daher – muss man voraussetzen – auch in strategischer Hinsicht nicht gleichgestellt. Obwohl die Möglichkeit einer nationalen Lösung zugunsten der Landessprachen bestand, wurde die Entscheidung darüber, welche «Fremdsprachen» in der Grundbildung angeboten werden sollen, schliesslich an die Kantone übertragen; bietet ein Kanton mehrere Sprachen als erste «Fremdsprache» an, sollen sich die Lehrvertragsparteien auf die Sprache einigen.

Gleichzeitig hat die Bündner Regierung im Februar letzten Jahres in Anlehnung an die Ziele des Regierungsprogramms 2021-2024 (Ziel Nr. 5) einen Katalog von 80 Massnahmen zur Förderung der kantonalen Minderheitensprachen vorgelegt. Eine der strategischen Massnahmen erwähnt ausdrücklich die verstärkte «Förderung des Unterrichts in den Kantonssprachen als Erst- und Zweitsprache (auch in Mittelschulen, Gewerbeschulen, Fachhochschulen und höheren Fachschulen)».

Angesichts dieser Entscheidungen auf Bundesebene und der erklärten Ziele der Regierung in Bezug auf die Förderung der kantonalen Minderheitensprachen, stellen die Unterzeichnenden die folgenden Fragen:

  1. Welche Lösung wird im Kanton Graubünden im Detail umgesetzt? Wird das Angebot für die erste «Fremdsprache» auch die Kantonssprachen berücksichtigen?
  2. Wird es auf regionaler Ebene, d. h. für bestimmte Berufsschulen, unterschiedliche Lösungen geben?
  3. Falls es keine Wahlmöglichkeit geben wird und z. B. Englisch als erste «Fremdsprache» für alle oder nur für deutschsprachige Schüler angeboten wird, wie wäre diese Entscheidung angesichts des erklärten Zieles der Regierung, die kantonalen Minderheitensprachen zu fördern, zu rechtfertigen?
  4. In welcher Weise wird für romanisch- und italienischsprachige Schüler der Unterricht des Romanischen bzw. des Italienischen als Erstsprache gewährleistet?

Chur, 16. Februar 2022

Papa, Crameri, Censi, Alig, Atanes, Berweger, Bondolfi, Brandenburger, Danuser, Degiacomi, Della Cà, Deplazes (Rabius), Fasani, Flütsch, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Jochum, Kienz, Lamprecht, Loi, Maissen, Michael (Castasegna), Michael (Donat), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Pfäffli, Preisig, Rettich, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Wellig, Widmer-Spreiter (Chur), Wieland, Wilhelm, Bürgi-Büchel

Antwort der Regierung

Auf Lehrbeginn 2023 wird die Reform Kaufleute umgesetzt. Die aktualisierte Bildungsverordnung (Verordnung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation [SBFI] über die berufliche Grundbildung Kauffrau/Kaufmann mit eidgenössischem Fähigkeitsausweis [EFZ]; SR 412.101.221.73) ist am 16. August 2021 erlassen worden und tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Sie schreibt vor, dass die Ausbildung eine erste und zweite Fremdsprache umfasst. Durch die Reform werden damit neu alle Lernenden der beruflichen Grundbildung im Beruf Kauffrau/Kaufmann EFZ mindestens eine zweite Landessprache vertiefen oder bereits gewonnene Sprachkompetenzen festigen. Für beide Fremdsprachen (zweite Landessprache oder Englisch) gilt als Bezugsrahmen für den Unterricht der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER). Die erste Fremdsprache (Zielniveau B1 GER) wird integriert in den verschiedenen Handlungskompetenzbereichen (HKB) während 196 Lektionen, verteilt auf drei Jahre, unterrichtet. Die zweite Fremdsprache (zweite Landessprache oder Englisch) wird separat während 240 Lektionen, verteilt auf zwei Jahre, entweder im Wahlpflichtbereich «zweite Fremdsprache» (Zielniveau B1 GER) oder im Wahlpflichtbereich «individuelle Projektarbeit» (Zielniveau gemäss Bildungsplan: Verstehen B1 GER / Sprechen B1 GER / Schreiben A2 GER) vermittelt. Die lehrbegleitende Berufsmaturität kann indes nur mit dem Wahlpflichtbereich «zweite Fremdsprache» absolviert werden.

Für die Erarbeitung der Umsetzung des Sprachenkonzepts an den kaufmännischen Berufsfachschulen (kBFS) fand in einem ersten Schritt am 3. Dezember 2021 ein Austausch mit den Schulleitenden der kBFS (Berufsfachschule Davos, Kaufmännische Berufsfachschule Surselva, Kaufmännische Berufsfachschule Oberengadin und KV Wirtschaftsschule Chur) statt. In einem zweiten Schritt wurden der Kaufmännische Verband Sektion Südostschweiz, der Kaufmännische Verband Sektion Oberengadin sowie die Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden und die Sprachorganisationen Lia Rumantscha und Pro Grigioni Italiano am 21. Januar 2022 im Rahmen einer Austauschsitzung angehört. Zwecks Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten und Besprechung von Umsetzungsvarianten wurden die betroffenen kBFS sowie die Sprachorganisationen im März 2022 zu weiteren Treffen eingeladen. Parallel dazu liefen verschiedene rechtliche Abklärungen mit dem SBFI. Die Auswertung der verschiedenen Anhörungen ist noch nicht abgeschlossen und die Festlegung der Umsetzung des Sprachenkonzepts folglich noch offen.

Zu Frage 1: Zum aktuellen Zeitpunkt kann dies nicht beantwortet werden. Die Regierung erachtet es im Sinne der Förderung der kantonalen Minderheitensprachen als wichtig, den sprachlichen Besonderheiten in Graubünden für den Entscheid über das Sprachenkonzept Reform Kaufleute gebührend Rechnung zu tragen. Dabei sollen die Durchlässigkeit des Bildungssystems und die Arbeitsmarktfähigkeit der Lernenden weiterhin gewährleistet werden. Die mit den sprachlichen Besonderheiten einhergehende Komplexität erfordert sorgfältige Abklärungen, welche Zeit in Anspruch nehmen. Voraussichtlich wird der Entscheid im zweiten Quartal 2022 erfolgen.

Zu Frage 2: Gestützt auf die regionalen Gegebenheiten werden zum aktuellen Zeitpunkt sowohl die kBFS wie auch die Sprachorganisationen aktiv in die Erarbeitung verschiedener Lösungsvarianten einbezogen. Gemäss aktuellem Stand der Abklärungen geht die Regierung davon aus, dass regional unterschiedliche Umsetzungsvarianten erfolgen werden.

Zu Frage 3: Dies kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Die Regierung ist, wie in den Antworten auf Frage 1 und 2 aufgezeigt, bemüht – unter Einbezug der verschiedenen Anspruchsgruppen und Berücksichtigung der kantonalen Minderheitensprachen – Lösungen zu erarbeiten.

Zu Frage 4: Diese Frage kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantwortet werden.

13. April 2022