Die Problematik bezüglich knappen oder bezahlbaren Wohnraums ist einerseits schon seit Jahren Thema und gestaltet sich andrerseits sehr vielschichtig. Sie lässt sich nicht auf die altrechtlichen Wohnungen gemäss dem Bundesgesetz über Zweitwohnungen (ZWG; SR 702) reduzieren. Zudem sind auch Gemeinden, die nicht dem ZWG unterstellt sind, betroffen. Die Leerwohnungsziffer in unserem Kanton lag zwischen 2003 und 2013 jeweils unter einem Prozent, erhöhte sich bis auf rund 1,7 Prozent in den Jahren 2017 und 2019, reduzierte sich im 2020 auf rund 1,4 Prozent und fiel im 2021 wieder auf 0,87 Prozent. Der Wohnungsbau in Graubünden hat in den ersten Jahren nach Annahme der Zweitwohnungsinitiative bzw. des ZWG einen Dämpfer erhalten – seit 2016 ist er aber mehr oder weniger stabil. Im Bereich der Raumplanung und der Zweitwohnungen sind im Kantonalen Richtplan Leitsätze zur "Förderung der Hotellerie", zur "Verbesserung der Auslastung der Zweitwohnungen" sowie zum "Schaffen und Erhalten von Wohnraum für Einheimische" festgelegt. Die Umsetzung dieser Leitsätze erfolgt gemäss Handlungsanweisung durch die Gemeinden. Auch was preisgünstigen Wohnraum angeht, sind die Gemeinden aufgerufen, Massnahmen im Rahmen der Ortsplanung zu treffen. Daneben fördert der Kanton die Sanierung oder den Erwerb von Wohnbauten für die bäuerliche und nichtbäuerliche Bevölkerung in bescheidenen finanziellen Verhältnissen im Berggebiet. Die Thematik hat sich durch die Corona-Pandemie je nach Region aufgrund der dadurch forcierten neuen Arbeits- und Lebensmodelle akzentuiert. Die weitere Entwicklung ist derzeit aufgrund der vielschichtigen Ursachen nicht abschätzbar – es ist allerdings damit zu rechnen, dass der Druck auf Immobilien und Bauland, insbesondere in Regionen mit starkem Wachstum oder in Regionen, in denen das Angebot durch staatliche Massnahmen wie z.B. das ZWG weiter verknappt wird, kurzfristig wohl kaum wesentlich nachlassen wird.
Zu Frage 1: Der Kanton hat bereits im Jahr 2009, parallel zum Erlass des Richtplans "Erst- und Zweitwohnungen sowie touristische Beherbergung" einen Werkzeugkasten erarbeitet. Der Druck auf altrechtliche Wohnungen war in diesem Werkzeugkasten bereits thematisiert und Massnahmen und deren Wirkungsmechanismen dazu formuliert. Die Beschreibung der Vor- und Nachteile der Massnahmen konnte aber nicht im Lichte des ZWG erfolgen. Die grundsätzlichen Lösungsansätze sind jedoch unverändert. Der seinerzeitige Richtplan "Erst- und Zweitwohnungen sowie touristische Beherbergung" wurde, soweit dies aufgrund des ZWG nötig war, in den Richtplan Siedlung integriert. Im Verfahren zur Vorprüfung und Genehmigung der kommunalen Grundordnungen werden die kantonalen Stellen begrüsst. Falls Gemeinden Besprechungen wünschen, steht der Kanton mit seinem Fachwissen zur Verfügung. Daneben können im Rahmen der Modellvorhaben "Nachhaltige Raumentwicklung" des Bundes Projekte eingegeben werden. So wurden z.B. im Zeitraum 2014 bis 2018 schweizweit sechs Projekte im Bereich "ausreichendes und bedürfnisgerechtes Wohnraumangebot schaffen" eingegeben. Der Kanton steht den Gemeinden bei der Erarbeitung solcher Projektskizzen mit Wissen und finanziellen Mitteln unterstützend zur Seite. Der Anstoss geht jedoch von den Gemeinden bzw. der Basis aus.
Zu Frage 2: Der Kanton selbst sieht im Rahmen von Art. 12 ZWG keine weiteren konkreten Massnahmen als die oben beschriebenen vor. Einerseits ist die Problemstellung je nach Gemeinde sehr unterschiedlich, weshalb ein generelles Handeln des Kantons nicht zielführend ist. Andrerseits sind Eingriffe in den Bestand der altrechtlichen Wohnungen nicht nur rechtlich heikel. Die freie Nutzbarkeit des bestehenden Wohnraums war für den Kanton Graubünden sowie die Gebirgskantone bei der Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, sprich bei der Erarbeitung des ZWG zusammen mit dem Bund, ein unverhandelbarer Punkt und somit oberstes Ziel, das letztlich erreicht werden konnte. Letztlich sind generell keine Missbräuche oder unerwünschte Entwicklungen nur aufgrund der freien Nutzbarkeit der altrechtlichen Wohnungen erkennbar. Entsprechend sind allfällige Einschränkungen auf Gemeindeebene zu prüfen, wobei solche, sofern sie überhaupt umsetzbar und mit Blick auf das Ziel wirksam sind, aus Sicht des Kantons nur die ultima ratio darstellen können.
13. April 2022