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Session: 21.04.2022

Ausserkantonale Spitalschulen: ist eine erneute kantonale Finanzierung denkbar?

Gemäss Artikel 89 Absatz 2 der Verfassung des Kantons Graubünden sorgen der Kanton und die Gemeinden dafür, dass Kinder und Jugendliche einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Grundschulunterricht erhalten. Sie fördern durch ein angemessenes Bildungsangebot die Eingliederung von Kindern mit Behinderungen in die Gesellschaft. Das Recht auf Schulbesuch ist zudem auch in Art. 10 des Schulgesetzes festgehalten und auch die Bundesverfassung garantiert den Anspruch auf unentgeltlichen Grundschulunterricht. Weiter ist die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen untersagt.

Spitalschulen haben für Kinder mit chronischen Erkrankungen und wiederholten Hospitalisierungen einen hohen Stellenwert, um den Zugang zur Bildung zu gewährleisten und den Anschluss in den Herkunftsschulen sicherzustellen. Spitalschulen ermöglichen auch Gemeinschaft durch den Austausch mit Gleichaltrigen. Sie schaffen damit etwas Normalität im Ausnahmezustand. Gerade bei Bündner Kindern mit komplexen Erkrankungen erfolgt die Behandlung des Öftern zumindest teilweise ausserkantonal.

In der Praxis ergeben sich in der Schweiz immer wieder Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Besuchs von Angeboten einer Spitalschule durch hospitalisierte Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz ausserhalb des Standortkantons des Spitals (vgl. NZZ am Sonntag vom 31. Oktober 2021).

Der Kanton Graubünden galt bis vor wenigen Jahren als «Musterschüler», indem die Finanzierung auf kantonaler Ebene gewährleistet und somit auch einheitlich gesichert wurde. Nach Abschaffung dieser kantonalen Regelung hat sich das Bild gemäss Fachleuten diametral verändert: Einige Gemeinden kommen ihren Zahlungsverpflichtungen systematisch nicht nach. Die Regelung auf Gemeindeebene ist insofern unbefriedigend, als dass die Planbarkeit dort nicht gegeben ist: Die Eintretenswahrscheinlichkeit ist gerade für eine kleine Gemeinde gering, liegt aber ein Fall vor, kann dies eine substanzielle Auswirkung auf die Rechnung haben.

In gewissen medizinischen Programmen, die eine Hospitalisierung bedingen und bei denen der schulische Aspekt einen integralen Bestandteil darstellt, wird gerade bei knapper Platzzahl vermehrt diskutiert, ob die Kostengutsprache für die Schulkosten zu einer Aufnahmebedingung gemacht werden soll. Kinder von entsprechenden Bündner Gemeinden würden somit auch den Zugang zu medizinischen Angeboten verlieren.

Vor diesem Hintergrund bitte ich die Regierung, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie schätzt die Regierung die Bedeutung von Spitalschulen ein?
  2. Ist der Regierung das Problem bekannt, dass Gemeinden die entsprechenden Rechnungen nicht bezahlen?
  3. Kann die Regierung sich vorstellen, wieder auf eine kantonale Finanzierungslösung zurückzukommen und damit die einheitliche Finanzierung aller Bündner Kinder in ausserkantonalen Spitalschulen sicherzustellen?
  4. Wie ist die Finanzierung der innerkantonalen Spitalschulen gewährleistet?

Chur, 21. April 2022

Ruckstuhl, Thür-Suter, Märchy-Caduff, Baselgia-Brunner, Berther, Berweger, Brunold, Buchli-Mannhart, Caluori, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Crameri, Degiacomi, Della Vedova, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Epp, Föhn, Gugelmann, Hardegger, Holzinger-Loretz, Jochum, Kunfermann, Loepfe, Maissen, Müller (Felsberg), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schmid, Thomann-Frank, Ulber, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Wieland, Zanetti (Landquart), Bürgi-Büchel, Costa, Gujan-Dönier, Tomaschett (Chur), van Kleef

Antwort der Regierung

In der Februarsession 2017 hat der Grosse Rat den Auftrag Caluori betreffend Finanzierung Spitalschule überwiesen und die Regierung insbesondere beauftragt, die gesetzliche Grundlage im Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz; BR 421.000) zu schaffen, welche das Führen einer Spitalschule regelt. Auf interkantonaler Ebene hat im Juni 2021 der Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) den Entwurf für eine neue Interkantonale Vereinbarung für schulische Angebote in Spitälern (Interkantonale Spitalschulvereinbarung, ISV) in die Vernehmlassung gegeben. Frühestens Ende 2022 ist mit dem Start der kantonalen Beitrittsverfahren zu rechnen. Die ISV liegt im Kompetenzbereich der Regierung, welche zu gegebener Zeit den Beitritt prüfen wird.

Zu Frage 1: Die Regierung misst sowohl der inner- als auch ausserkantonalen Beschulung von erkrankten oder verunfallten Schülerinnen und Schüler (SuS) sehr grosse Bedeutung zu. Erkrankte oder verunfallte SuS brauchen Unterrichtsangebote, die ihren individuellen kognitiven, sozialen und emotionalen Bedürfnissen angepasst sind. Mit anderen Worten haben SuS Anspruch auf einen angemessenen Unterricht. Bei kürzeren Aufenthalten zu Hause oder im Spital kümmert sich meist die Klassenlehrperson um diese angemessene Schulung. Bei längeren Aufenthalten, insbesondere in ausserkantonalen Einrichtungen, ist ein Unterricht durch die zuständige Schulträgerschaft nicht oder nur mit grossem Aufwand durchführbar.

Zu Frage 2: Im Kanton Graubünden gibt es aktuell zwei Spitalschulen (im Kantons­spital und in der Jugendstation der Kinder- und Jugendpsychiatrie Graubünden). Der Aufenthalt von SuS im Kantonsspital dauert in der Regel, im Gegensatz zu den meist längeren Aufenthalten in der Jugendstation, nur wenige Tage und für rund 95 % nicht länger als 15 Tage. Bei solchen Kurzaufenthalten ist das vorgängige Einholen einer Kostengutsprache für eine Spitalschulung administrativ aufwendig bzw. nicht immer umsetzbar. Deshalb, aber auch aus anderen Gründen, gab es vereinzelt Schulträgerschaften, welche die Kosten für die Spitalschulung nicht übernahmen. Mit der aktuell getroffenen Lösung der Verrechnung der Schultage über die zwölf Gesundheitsversorgungsregionen konnte dieses Problem für Bündner SuS weitgehend behoben werden. Im Gegensatz dazu werden die Schultage der Spitalschulung der Jugendstation den Schulträgerschaften direkt verrechnet. Laut Auskunft gibt es verschiedene Schulträgerschaften, welche die Bezahlung verweigern (im Jahr 2021 insgesamt im Umfang von 60 000 Franken). Bei ausserkantonalen Spitalschulen, namentlich bei der wichtigsten Institution, dem Kinderspital Zürich mit insgesamt drei Spitalschulen, haben gemäss Auskunft in den vergangenen zwei Jahren alle Schulträgerschaften, mit einer Ausnahme, die Kosten vollständig übernommen. Bei ausserkantonalen SuS, welche eine Bündner Spitalschule besuchen, gibt es immer wieder ausserkantonale Gemeinden, welche die Kostenübernahme insbesondere im Kantonsspital ablehnen. Dieses Problem kann nicht mit der kantonalen Gesetzgebung gelöst werden, sondern voraussichtlich nur mit einem allfälligen Beitritt zur ISV.

Zu Frage 3: Die Regierung wird nach Vorliegen der definitiven Vereinbarung den Beitritt zur ISV prüfen. Im Zuge der anstehenden Teilrevision des Schulgesetzes wird die Kostenteilung zwischen Kanton und Schulträgerschaften geregelt werden. Sinnvollerweise erfolgt eine einheitliche Regelung der Kostenteilung. Der Auftrag Caluori fordert eine Aufteilung der Vollkosten hälftig auf Kanton und Schulträgerschaften. Für Schüler der Mittel- und Berufsschulen hat gemäss Auftrag Caluori der Kanton die Voll­kosten zu tragen.

Zu Frage 4: Laut Schulgesetz sind die Schulträgerschaften für den Unterricht von kranken oder verunfallten SuS der Regelschule mit Aufenthalt auf ihrem Gebiet zuständig. Das heisst, SuS mit und ohne Behinderungen haben mit Rücksicht auf das begrenzte staatliche Leistungsvermögen Anspruch auf einen ausreichenden, nicht aber auf einen idealen und optimalen Unterricht. Die Schulträgerschaft kann die Schulung von beispielsweise hospitalisierten SuS selber vornehmen oder, sofern vorhanden, die betreffende Spitalschule mit dieser beauftragen. In letzterem Fall ist die Finanzierung der anfallenden Schultage gewährleistet.

15. Juni 2022