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Session: 21.04.2022

In vielen Bündner Gemeinden mangelt es an Wohnraum für die eigene Bevölkerung, für Neuzuzüger und für Saisonangestellte. Gemäss dem Bundesamt für Statistik betrug der Anteil der leerstehenden Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand in den Regionen Albula, Prättigau/Davos, Engiadina Bassa und Maloja im Jahr 2021 zwischen 0,41 Prozent und 1,05 Prozent. Bei Leerwohnungsbeständen von weniger als 2 Prozent spricht man von Wohnungsnot.

Die Kombination von verschiedenen Einflussfaktoren hat zu dieser Situation geführt: die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative (Umnutzung altrechtlicher Wohnungen), RPG 1, die anhaltende Tiefzinslage und Corona mit dem wachsenden Bedürfnis nach Zweitwohnungen im Berggebiet. Diese Rahmenbedingungen führen unter anderem dazu, dass altrechtliche Wohnungen als Ferienwohnungen verkauft werden und einheimische Familien keine Wohnungen mehr finden oder dazu gezwungen werden, neue Bauten zu erstellen. Der Neubau von Wohnungen wird jedoch immer schwieriger, da viele Gemeinden im Kanton Graubünden Bauland auszonen müssen. Ohne verfügbare, attraktive Wohnungen ist eine Stabilisierung oder gar ein Wachstum der Bevölkerung in unserem Kanton nicht möglich. Auch im Bereich des Fachkräftemangels ist die Wohnungsnot eine weitere Hürde, um neue Arbeitskräfte in die Regionen zu bekommen.

Mit dieser Thematik vor allem konfrontiert sind die Gemeinden. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Wohnraumpolitik vor allem über Neueinzonungen funktioniert. Nun sind andere Ansätze gefordert, mit denen viele Gemeinden jedoch noch wenig vertraut sind. Das Bundesamt für Wohnungswesen hat 2013 einen Baukasten für Städte und Gemeinden erarbeitet, welcher Arbeitshilfen zur Verfügung stellt. Aufbauend auf diesem Instrument braucht es eine Aktualisierung und Spezifizierung auf die bündnerischen Gegebenheiten.

Daher ersuchen die Unterzeichnenden die Regierung, die nachfolgenden Fragen zu beantworten:

  1. Ist sich die Regierung der Problematik bewusst?
  2. Wie sieht die Regierung den Handlungsbedarf auf Kantonsebene beziehungsweise wie kann der Kanton die Gemeinden unterstützen?
  3. Sieht die Regierung Handlungsbedarf zur Anpassung der kantonalen gesetzlichen Grundlagen oder Vollzugshilfen?

Chur, 21. April 2022

Bettinaglio, Wilhelm, Maissen, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther, Brunold, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Caluori, Cantieni, Caviezel (Chur), Crameri, Danuser, Degiacomi, Derungs, Ellemunter, Epp, Flütsch, Föhn, Gartmann-Albin, Gugelmann, Hardegger, Hofmann, Horrer, Lamprecht, Loepfe, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Niggli-Mathis (Grüsch), Perl, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Rutishauser, Schmid, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, von Ballmoos, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Landquart), Bürgi-Büchel, Costa, Gujan-Dönier, Sigron, Tomaschett (Chur), van Kleef

Antwort der Regierung

In dieser vielschichtigen und regional unterschiedlich ausgeprägten Problematik geht es insbesondere um ein genügendes Angebot an Wohnungen für die einheimische Bevölkerung (inkl. Arbeitskräfte) zu angemessenen Preisen und an preisgünstigen Wohnungen für die einkommensschwache Bevölkerung. In einigen Gemeinden spielen auch die Auswirkungen des Zweitwohnungsgesetzes (ZWG) eine gewisse Rolle, wonach ein (wieder) nachgefragtes Angebot beschränkt ist. Dazu sei erwähnt, dass die freie Nutzbarkeit altrechtlicher Wohnungen – welche für die Gebirgskantone anlässlich der Ausarbeitung des ZWG (v. a. zum Schutz der eigenen Bevölkerung) unverhandelbar war – weder die einzige noch die hauptsächliche Ursache für die Problematik ist (auch in Nicht-ZWG-Gemeinden ist Wohnraum knapp und/oder teuer). Eingriffe in den Bestand der altrechtlichen Wohnungen, die rechtlich heikel und kaum befriedigend umsetzbar sind, sind zu vermeiden. Andere (vielfältig verfügbare) Massnahmen zur Schaffung von mehr und auch preisgünstigem Wohnraum sind in der Praxis umsetzbar, rechtlich unproblematisch und damit zielführend. Mit ortsplanerischen Massnahmen können die Gemeinden gezielt und massgeschneidert gemäss der lokalen Situation Einfluss auf den Wohnungsbau nehmen. Im Kantonalen Richtplan sind Leitsätze zum "Schaffen und Erhalten von Wohnraum für Einheimische" festgelegt, welche die Gemeinden umsetzen. Trotz Pflicht zur Reduktion überdimensionierter Bauzonen gemäss RPG1 sind noch viele ungenutzte Bauzonenreserven vorhanden (es sei hier der Bericht in der SO vom 4. Mai 2022 erwähnt, wonach in den Oberengadiner Gemeinden genügend Baulandreserven für Erstwohnungen zur Verfügung stünden). Mit deren Mobilisierung kann die Wohnbautätigkeit seitens der Gemeinde insgesamt gefördert werden; alsdann können in gewissen Gebieten bei konsequenter Mobilisierung der inneren Reserven auch wieder Neueinzonungen erfolgen. Eine aktive Bodenpolitik durch die Gemeinde ermöglicht es auch, bei Bedarf preisgünstigen Wohnraum für bestimmte Zielgruppen zu realisieren. Bei Ein-, Um- oder Aufzonungen können Vorgaben bezüglich erschwinglichen Wohnraums in der Ortsplanung verankert werden. Wegleitungen zur Baulandmobilisierung sind auf der Website des Amts für Raumentwicklung einsehbar. Im Jahr 2013 hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) die Hilfe "Preisgünstiger Wohnraum: Ein Baukasten für Städte und Gemeinden" publiziert. Sie enthält zahlreiche Massnahmenvorschläge und -beispiele, die aber letztlich vor allem durch die Gemeinden umgesetzt werden müssen. Mit dem Bericht "Wohnraum für Einwohnerinnen und Einwohner schaffen" vom April 2022 hat das Wirtschaftsforum Graubünden Ansätze für Gemeinden skizziert, um der Wohnraumknappheit entgegenzutreten. Eine weitere Hilfestellung "Angebote der Wohnhilfe für sozialbenachteiligte Haushalte" im sozialen Bereich wurde seitens des BWO und des Bundesamts für Sozialversicherungen im 2018 bereitgestellt. Auch die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe hat im 2020 ein Papier "Wohnen – Herausforderungen und Handlungsansätze aus Sicht der Sozialhilfe" verfasst. Der Kanton unterstützt daneben mit den Verbesserungen der Wohnverhältnisse im Berggebiet (WS) den Erwerb und die Sanierung von Wohnbauten im Berggebiet zugunsten der einkommensschwachen Bevölkerung. Der Bund unterstützt den gemeinnützigen Wohnungsbau mit indirekten Hilfen (fonds de roulement für zinsgünstige Darlehen, Rückbürgschaften bei der Hypothekar-Bürgschaftsgenossenschaft hbg, Bürgschaften für Anleihen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger EGW).

Zu Frage 1: Ja. Es sind, wie oben ausgeführt, bereits viele Möglichkeiten vorhanden, um der Problematik entgegenzutreten. Primär sind die Gemeinden gefordert, v. a. auch um den regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen.

Zu Frage 2: Mit dem aktuellen Raumplanungsgesetz für den Kanton Graubünden und mit der WS verfügt der Kanton bereits über Massnahmen. Absolut zentral ist die Raumplanung (Baulandmobilisierung, Zonenvorschriften etc.), in welcher er auch beratend wirkt. Die Regierung ist der Ansicht, dass auf kantonaler Ebene derzeit keine weiteren Massnahmen zu ergreifen sind, weil erstens viele wirkungsvolle Massnahmen primär auf kommunaler Ebene umzusetzen sind und zweitens sich die Problematik regional differenziert zeigt (Agglomerationen, Tourismusorte, Abwanderungsregionen etc.). Angesichts dessen erscheint die Prüfung wie etwa einer kantonalen Ergänzungsförderung zum Bund im gemeinnützigen Wohnungsbau, kantonalen Subventionen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus oder die Erarbeitung weiterer Papiere zur Hilfestellung nicht als primär zu ergreifende Handlungsoption.

Zu Frage 3: Im Lichte obenstehenden Ausführungen ist diese Frage zu verneinen.

15. Juni 2022