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Session: 03.09.2022

Das Velo kann im Alltagsverkehr als nachhaltiges und ökologisches Verkehrsmittel auf kürzeren Distanzen eine wichtige Rolle spielen. Es ist eine attraktive und kostengünstige Alternative oder Ergänzung zum öffentlichen Verkehr und zum motorisierten Individualverkehr. Die Regierung hat dies erkannt und im Jahr 2019 den Sachplan Velo erlassen. Dieser hat zum Ziel, die Velo-Infrastruktur zu verbessern, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und so den Veloverkehr attraktiver zu machen. Dies soll zu einem höheren Veloverkehrsanteil am gesamten Alltags- und Freizeitverkehr führen.

Der Kanton kann im Rahmen der kantonalen Strassengesetzgebung substanzielle Beiträge an den Bau von Radwegen leisten. Radwege sind die für Radfahrende bestimmten, von der Fahrbahn durch bauliche Massnahmen getrennten und entsprechend signalisierten Wege (Art. 1 Abs. 6 der Verkehrsregelverordnung, VRV; SR 741.11). Im Dezember 2021 hat der Grosse Rat mit der Überweisung des Auftrags Cahenzli die kantonalen Beiträge für Radwege pauschal auf 80 Prozent für das Grundnetz und 50 Prozent für das Ergänzungsnetz festgelegt.

Radstreifen hingegen sind gemäss dem kantonalen Strassengesetz (StrG; BR 807.100) Teil der Kantonsstrasse und werden damit zu 100 Prozent vom Kanton finanziert (Art. 5 Abs. 1 lit. a StrG). Aus diesem Grund besteht heute für die Gemeinden ein finanzieller Anreiz, den Bau von Radstreifen auf der Kantonsstrasse gegenüber separaten, abgetrennten Radwegen zu bevorzugen. Radstreifen dürfen vom motorisierten Verkehr mitbenutzt werden und bieten damit keinen ausreichenden Schutz vor schnelleren Verkehrsteilnehmenden.

Mit der heutigen Regelung wird eine Velo-Infastruktur begünstigt, die hauptsächlich für geübte Pendler:innen und Rennradfahrende von Nutzen ist. Für Familien, Tourist:innen, Senior:innen und die meisten Alltagsvelofahrenden sind Radstreifen auf Kantonsstrassen nicht geeignet. Sind Radstreifen einmal realisiert, ist der Anreiz, für die betreffende Verbindung zusätzlich einen Radweg zu erstellen, stark vermindert. Die bestehende Regelung kann deshalb dazu führen, dass wichtige Veloverbindungen im Kanton dauerhaft nicht realisiert werden.

Die Unterzeichnenden möchten von der Regierung im Hinblick auf die genannten Fehlanreize wissen:

  1. Teilt die Regierung die Einschätzung, dass vom Verkehr baulich abgetrennte Radwege für die Realisierung des Velonetzes Alltags- und Freizeitverkehr zielführender sind als Radstreifen?
  2. Gedenkt die Regierung, den aktuell bestehenden finanziellen Fehlanreiz zu Gunsten von Radstreifen gegenüber Radwegen zu beheben?
  3. Ist die Regierung bereit, auch bei bereits realisierten Radstreifen auf Kantonsstrassen zusätzlich einen Radweg mitzufinanzieren, wo dies sinnvoll und zielführend ist?

Chur, 3. September 2022

Gredig, Oesch, Kocher, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia-Brunner, Biert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Crameri (Igis), Degiacomi, Dietrich, Hartmann, Hoch, Hofmann, Kaiser, Kreiliger, Mazzetta, Nicolay, Preisig, Rusch Nigg, Rutishauser, von Ballmoos, Walser, Wilhelm

Antwort der Regierung

Gemäss Art. 6 Abs. 3 des Strassengesetzes des Kantons Graubünden (StrG; BR 807.100) sind Projektierung, Bau und Unterhalt von Anlagen des Langsamverkehrs Aufgaben der Gemeinden. Die Behebung der im kantonalen Sachplan Velo festgehaltenen Schwachstellen der Alltagsverbindungen des kantonalen Velonetzes und die Optimierung des Freizeitnetzes hat daher durch die Gemeinden zu erfolgen. Der Kanton fördert den Bau des kantonalen Velonetzes mit Kantonsbeiträgen (Art. 58 StrG). Bei einer Mehrfachnutzung wie bei kombinierten Rad- und Fusswegen werden die dem Veloanteil entsprechenden anrechenbaren Kosten ermittelt. Befindet sich die Velo-Infrastruktur vollumfänglich auf dem Kantonsstrassenperimeter (Radstreifen), gehen 100 Prozent der Kosten zulasten des Kantons. Dies ist eine Folge der per 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Teilrevision des Strassengesetzes, welche Radstreifen auf Kantonsstrassen zu deren Bestandteilen erklärte (Art. 5 Abs. 1 lit. a StrG). Auslösender Grund war die Überlegung, dass Unterhalt und Signalisation von Radstreifen – markierte Bereiche auf der Fahrbahnfläche – sinnvollerweise durch den Kanton vorzunehmen sind (Botschaft Heft Nr. 16 / 2014 – 2015, S. 933).

Zu Frage 1: Radstreifen trennen den Veloverkehr mit Hilfe einer Markierung vom motorisierten Individualverkehr und schaffen so grössere Verkehrssicherheit. Motorfahrzeugen ist es aber gestattet, den mit einer unterbrochenen Linie abgegrenzten Radstreifen zu befahren. Aufgrund der fehlenden baulichen Trennung bleiben knappe Überholmanöver möglich. Radstreifen führen damit bei vielen Velofahrenden zu keiner wesentlichen Verbesserung ihres Sicherheitsempfindens. Die gemäss Normalmass 1.50 m breiten, unmittelbar an die Fahrstreifen der Motorfahrzeuge anschliessenden Radstreifen sind für einen Grossteil der Radfahrenden wenig attraktiv. Entsprechend hat die Regierung bereits im kantonalen Sachplan Velo festgehalten, dass der Velo-Alltagsverkehr aus Sicherheits- und Attraktivitätsgründen wo möglich und sinnvoll auf separaten, motorfahrzeugfreien Wegen bzw. Radwegen zu führen ist (Projektierungsrichtlinie, Kapitel 1.1). Gleiches gilt für den Velo-Freizeitverkehr. In Ausnahmefällen mag die Anordnung von Radstreifen begründet sein, so wenn die Topographie eine bauliche Trennung des Veloverkehrs verunmöglicht. Denkbar ist auch, dass Sicherheitskonflikte auf der Kantonsstrasse einen Radstreifen erfordern, wie beispielsweise Rückstaus auf der bergwärts führenden Spur bevorzugter Rennvelotouren. Die Regierung bekennt sich als Grundsatz demnach aber zu einer baulich getrennten Führung von Motorfahrzeug- und Veloverkehr.

Zu Frage 2: Ein grosser und stark wachsender Teil der Bevölkerung verlangt nach einem ausgebauten Velonetz. Der Druck auf die Gemeinden nimmt zu. Die Realisierung der geforderten Veloinfrastruktur erfolgt jedoch nur zaghaft. Die Regierung hat daher in Beantwortung des Auftrags Cahenzli-Philipp betreffend "Velonetz Alltagsverkehr als Kantonsaufgabe" einen finanziellen Anreiz geschaffen, indem sie in Aussicht stellte, den gesetzlich vorgegebenen Beitragsrahmen auszuschöpfen und für das kantonale Velonetz Alltagsverkehr einen einheitlichen Beitragssatz von 80 Prozent (Grundnetz) bzw. 50 Prozent (Ergänzungsnetz) einzuführen. Festgehalten wurde aber auch, dass die Projektierung und der Bau dieser Verbindungen eine Verbundsaufgabe bleiben muss – zumal das Velonetz Alltagsverkehr grösstenteils auf Gemeindestrassen mit Mehrfachnutzungen verläuft (Beschluss vom 26. Oktober 2021, Prot. Nr. 930/2021). Eine an Radstreifen angelehnte, hundertprozentige Finanzierung von Radwegen würde eine kantonale Zuständigkeit für den Veloverkehr und damit eine Änderung der im Strassengesetz festgelegten Aufgabenteilung bedingen.

Zu Frage 3: Die Beitragsvoraussetzungen für Radweganlagen sind in Art. 31 der Strassenverordnung des Kantons Graubünden (StrV; BR 807.110) festgelegt. Entspricht ein Radweg diesen Kriterien, leistet der Kanton einen finanziellen Beitrag. Dies gilt auch dann, wenn gleichenorts auf der Kantonsstrasse ein Radstreifen realisiert wurde. Ein Radstreifen auf Kantonsstrassen ist gemäss geltender Gesetzgebung kein ausschliessendes Kriterium für Beitragszahlungen an Radweganlagen.

21. Oktober 2022