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Session: 19.10.2022

Der schweizweite Lehrpersonenmangel wurde im Sommer 2022 medial stark thematisiert. Eltern fürchten um die Bildung ihrer Kinder, Lehrpersonen erwarten weitere Belastungen im Berufsalltag und die Gesellschaft muss sich mit der Frage auseinandersetzen, wie viel ihr gute Bildung wert ist.

Wie LEGR-Präsidentin Laura Lutz mitteilt, trifft der momentane quantitative Lehrpersonenmangel Graubünden nicht ganz so hart wie andere Kantone. Allerdings blickt sie differenzierter auf die Situation und zeigt auf, dass bereits heute ein qualitativer Lehrpersonenmangel herrscht. Viele Lehrpersonen weisen nicht das entsprechende Diplom für die Fächer aus, die sie effektiv unterrichten, oder sind für eine andere Schulstufe diplomiert. Besonders auffällig ist die Problematik in rätoromanischen Gebieten. Hier verfügen viele Lehrpersonen nicht über ein Diplom für das Fach Rätoromanisch. Ein Grund für diesen Mangel besteht darin, dass eine Diplomierung an der PH Zürich respektive Universität Zürich für das Fach Rätoromanisch nicht möglich ist. Auch wenn die PH Graubünden in der Diplomierung auf der Stufe Sek I das Angebot ausbaut, ist davon auszugehen, dass künftige Bündner Lehrpersonen weiterhin auch in Zürich studieren. Für diese fehlt ein entsprechendes Angebot für die Diplomierung im Fach Rätoromanisch. Zudem fehlen Anreize für die Nachdiplomierung, wenn Lehrpersonen aufgrund des Lehrpersonenmangels auch ohne Diplom einer Unterrichtstätigkeit nachgehen können. Dies verschärft die Gefahr eines Qualitätsverlustes oder stellt Lehrpersonen vor das Problem, trotz absolvierten Studiums nicht angemessen entlöhnt zu werden.

Vor diesem Hintergrund bitte ich die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Gibt es eine Vereinbarung zwischen den Kantonen Graubünden und Zürich (oder anderen Kantonen mit Studienangebot Rätoromanisch) hinsichtlich der Finanzierung für das Sek-I-Studium im Fach Rätoromanisch und wie sieht diese konkret aus?
  2. Wie gedenkt die Regierung die Möglichkeit zur Diplomierung im Fach Rätoromanisch auf Stufe Sek I zu verbessern und zu fördern?
  3. Welche Mittel zieht die Regierung in Betracht, um die Diplomierung im Fach Rätoromanisch auf Stufe Sek I für (angehende) Lehrpersonen möglichst attraktiv zu machen?

Chur, 19. Oktober 2022

Kaiser, Epp, Biert, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia, Beeli, Bergamin, Berther, Bischof, Bisculm Jörg, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Candrian, Censi, Collenberg, Della Cà, Dietrich, Furger, Gartmann-Albin, Gredig, Kohler, Kreiliger, Lehner, Luzio, Mazzetta, Müller, Nicolay, Perl, Preisig, Rauch, Rettich, Rusch Nigg, Rutishauser, Walser, Wilhelm

Antwort der Regierung

Im Kanton Graubünden kann nicht von einem qualitativen Lehrpersonenmangel gesprochen werden. 99,8 % der unterrichtenden Lehrpersonen verfügen über eine anerkannte, pädagogische Ausbildung. Diejenigen Lehrpersonen, die nicht über einen schulgesetzkonformen, stufengemässen Abschluss oder die spezifische fachliche Qualifikation verfügen, sowie Lehrpersonen ohne pädagogisches Diplom bedürfen einer Lehrbewilligung des Amts für Volksschule und Sport (AVS).

Zu Frage 1: Eine Vereinbarung zwischen Graubünden und Zürich oder anderen Kantonen über die Finanzierung für das Studium des Fachs Rätoromanisch für die Sekundarstufe I besteht nicht. Die Mitfinanzierung der an ausserkantonalen Fachhochschulen und Universitäten studierenden Bündnerinnen und Bündner erfolgt über die Interkantonale Fachhochschulvereinbarung vom 12. Juni 2003 (FHV) sowie über die Interkantonale Universitätsvereinbarung vom 27. Juni 2019 (IUV). Der Kanton Graubünden ist beiden Vereinbarungen beigetreten. Diese regeln den gleichberechtigten Zugang ausserkantonaler Studierenden zu den erwähnten Institutionen. Die für die Studierenden zuständigen Kantone leisten dabei einen durch die EDK bzw. deren jeweilige Konferenz der Vereinbarungskantone festgelegten Pro-Kopf-Beitrag.

Zu Frage 2 und 3: Mit Beschluss vom 24. November 2020 (Prot. Nr. 979/2020) betreffend Masterstudiengang Sekundarstufe I auf der Basis eines Fachbachelors hat die Regierung des Kantons Graubünden die Pädagogische Hochschule Graubünden (PHGR) beauftragt, ein dauerhaftes und kantonseigenes Angebot für die Ausbildung von Lehrpersonen für die Sekundarstufe I aufzubauen. Für die Sekundarstufe I bietet die PHGR gestützt auf Beschlüsse der Regierung neu zwei Studiengänge an, nämlich einen Masterstudiengang Sekundarstufe I für Primarlehrpersonen, sowie einen Masterstudiengang Sekundarstufe I für Personen mit einem Fachbachelor (z. B. Rätoromanisch, Italienisch, Geschichte usw.). Durch die Erweiterung des Grundauftrags der PHGR werden im Kanton Graubünden zukünftig Lehrpersonen für alle Volksschulstufen ausgebildet. Die Regierung hat im Leistungsauftrag an die PHGR festgehalten, dass die mehrsprachige Ausbildung weiter zu fördern sowie auch die kulturellen Aspekte der kantonalen Mehrsprachigkeit im Allgemeinen zu berücksichtigen sind. Die Ausbildung von qualifiziertem Lehrpersonal für die Sekundarstufe I in allen Sprachregionen wird durch Angebote in den drei Kantonssprachen unterstützt.

Mit Bezug auf das Regierungsziel 5 «Die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Kantons Graubünden als Chance nutzen» des Regierungsprogramms 2021–2024 hat die Regierung mit Beschluss vom 2. Februar 2021 (Prot. Nr. 85/2021) einen Massnahmenkatalog zur Kenntnis genommen, der unter anderem eine «Rekrutierungsstrategie rätoromanisch- und italienischsprachiges Lehrpersonal» (Massnahme 2.1), die «Förderung des Unterrichts in den Kantonssprachen als Erst- und Zweitsprache auch an Mittelschulen, Gewerbeschulen, Fachhochschulen und höheren Fachschulen» (Massnahme 2.2) sowie die «schulische Sensibilisierung der Vorteile der Mehrsprachigkeit» (Massnahme 2.13) verlangt. Die PHGR wurde beauftragt, eine langfristig orientierte Rekrutierungsstrategie für rätoromanisch- und italienischsprachige Studierende zu erarbeiten, damit qualifiziertes Lehrpersonal zukünftig in ausreichender Anzahl zur Verfügung steht. Die Umsetzung der Massnahmen 2.2 und 2.13 erfolgt ebenfalls gemeinsam mit der PHGR sowie unter Einbezug der tertiären Ausbildungsanbieter und Mittelschulen und beinhaltet zusätzlich die Erarbeitung eines Grobkonzepts mit Aussagen zur Machbarkeit für ein «Sprachzentrum». Ergänzend dazu wird ein Sprachzertifikat in Rätoromanisch schrittweise, beginnend mit Sursilvan und Vallader, für die einzelnen Idiome etabliert und weiterentwickelt.

7. Dezember 2022