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Session: 19.10.2022

Eine der Prioritäten im Regierungsprogramm 2021-2024 kennzeichnet die Stärkung der Dreisprachigkeit als Charakteristikum unseres Kantons. Als Antwort auf eine kritische Einschätzung des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) über die Sprachpolitik des Kantons Graubünden, hat die Regierung im Oktober 2020 einen Katalog mit 80 Massnahmenvorschlägen für die Förderung der Sprachminderheiten präsentiert. Darin werden allerdings weder konkrete Ziele oder Fristen genannt, noch konkrete Angaben zu den finanziellen Aufwendungen gemacht. Man kann demnach behaupten, dass unser dreisprachiger Kanton heute nicht über eine konsolidierte Sprachpolitik verfügt (im Unterschied beispielsweise zum zweisprachigen Kanton Bern).

In den letzten Jahren hat die Regierung nicht die nötige Führungsverantwortung gezeigt, um die Problematik der sprachlichen Minderheiten anzugehen. Die in den letzten Jahren erzielten Verbesserungen im Bereich der Förderung der kantonalen Minderheitssprachen sind lediglich auf sporadische Interventionen auf kommunaler, kantonaler oder nationaler Ebene zurückzuführen, z. B. die Studie des ZDA, die Einführung der zweisprachigen Schulen in Chur und Domat/Ems, die Schaffung einer SDA-Stelle für die italienischsprachigen Medien in Chur, die Förderung der kantonalen Medien im Allgemeinen.

Damit der von der Regierung präsentierte Massnahmenkatalog eine effektive Sprachpolitik zu Gunsten der Minderheiten ermöglicht, fordern die Unterzeichnenden die Regierung auf, eine kantonale Sprachstrategie zu erarbeiten und dem Grossen Rat zu unterbreiten. Darin sollen Ziele quantifiziert und terminiert (evtl. Zwischenziele) werden. Die Sprachstrategie soll die im «Manifesto GR3 für drei Sprachen» geforderten Punkte aufnehmen und mit konkreten Massnahmen verbindlich umsetzen.

Chur, 19. Oktober 2022

Rettich, Jochum, Beeli, Atanes, Bardill, Baselgia, Berther, Biert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Censi, Crameri, Della Cà, Derungs, Dietrich, Furger, Gartmann-Albin, Hoch, Kaiser, Kreiliger, Lehner, Luzio, Mazzetta, Menghini-Inauen, Michael (Castasegna), Müller, Nicolay, Perl, Preisig, Rusch Nigg, Rutishauser, Spagnolatti, Wilhelm

Antwort der Regierung

Die Regierung ist der Ansicht, dass der Kanton Graubünden sehr wohl über eine konsolidierte und effektive Sprachpolitik mit klaren Zielen und einer Strategie verfügt. Es gelten die Verfassung, das Sprachengesetz, die Sprachenverordnung, das Regierungsprogramm und die Leistungsvereinbarungen mit dem Bund und den Sprachorganisationen sowie deren Strategien. Hinzu kommt als strategisches Instrument der Regierung der Massnahmenkatalog, welcher in folgende Handlungsfelder gegliedert ist: Mehrsprachige kantonale Verwaltung; Fokussierung des Mitteleinsatzes auf den Bildungssektor; Governance; Medien und Digitalisierung; Sprachidentität; Territorialitätsprinzip und Massnahmen ausserhalb des traditionellen Verbreitungsgebiets. Die Mehrheit der Massnahmen befinden sich in Umsetzung oder sind bereits umgesetzt. Ein Teil der Massnahmen ist in die Leistungsvereinbarungen mit den Sprachorganisationen eingeflossen. Deren Hauptakzente im 2021–24 bilden die Diaspora, die digitale Transformation sowie der Medienwandel. Das Jahresprogramm 2022 sieht bei der Sprachenförderung Ausgaben von rund 10,2 Mio. Franken vor. Mehr als die Hälfte der gesamten Sprachenförderungsmittel erhalten die Sprachorganisationen und Nachrichtenagenturen. In den vergangenen Jahren konnten zahlreiche Erfolge verbucht werden (nachfolgend eine Auswahl): FMR und SDA-Keystone für Italienischbünden, Fachstelle Mehrsprachigkeit, Ausbau der Sprachkurse der Kantonalen Verwaltung, Gestaltungsrichtlinien für die Signaletik von kantonalen Gebäuden, Verbesserung des Internetauftritts der Dienststellen, Zusammenarbeit mit den zweisprachigen Kantonen, Institutionalisierung des Austauschs mit den Sprachorganisationen und Aufnahme der Sprachenfrage in die Personalverordnung. Weiter sind erstmals Leistungsaufträge an die privaten Mittelschulen erteilt worden, gemäss welchen die Förderung der kantonalen Mehrsprachigkeit zu berücksichtigen ist (mit Immersionsfächern in RM oder IT). Auch zu erwähnen ist das Projekt DistancE-Learning. Die PHGR wurde beauftragt, eine Rekrutierungsstrategie für rätoromanisch- und italienischsprachige Studierende zu erarbeiten und die mehrsprachige Ausbildung weiter zu fördern. Im Volksschulbereich werden fortlaufend Lehrmittel in den romanischen Idiomen und Italienisch bereitgestellt und es gibt eine Koordinationsstelle für Schüleraustauschprogramme. Bei Botschaften ist das Wichtigste in Kürze neu dreisprachig und die Simultanübersetzung im Grossen Rat wurde beschlossen. Aktuelle Schwerpunkte des Kantons sind u. a. die Prüfung von Massnahmen zu Gunsten der Medien Italienischbündens, Arbeiten im Bereich Digitalisierung (Strategia digitala rumantscha) sowie die Einrichtung eines Sprachzentrums an der PHGR (Sprachkurse und Sprachzertifikat), die Teilrevision der Sprachenverordnung, die Einführung eines Sprachenförderungskodex, die Schaffung eines dreisprachigen Staatskundelehrmittels und die Einführung eines dreisprachigen Corporate Designs. Bereits in Umsetzung ist u. a. die Sensibilisierung von privatwirtschaftlichen Unternehmen für die Dreisprachigkeit. Im Weiteren hat die Lia Rumanscha 2021 ein Strategiepapier verabschiedet, welches die Anliegen gemäss "Manifesto GR3" der Sprachgruppen des Grossen Rats sowie die im Auftrag Rettich angesprochenen Bereiche mitberücksichtigt. Nicht zuletzt gab und gibt es erfreulicherweise zahlreiche Initiativen zur Förderung des Romanischen und Italienischen, etwa im digitalen Bereich (Übersetzungs- und Korrekturprogramme, Wörterbuch-App), in Form einer reichhaltigen Kulturproduktion (Theater, Musik, Literatur u. a.) sowie zu Gunsten der Diaspora (Vereinsgründungen, Sprachunterricht und Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche). Den Vorwurf der fehlenden Führungsverantwortung lässt die Regierung nicht gelten. Entgegen dem Vorhalt im Auftrag ist die Regierung bei der Förderung der Dreisprachigkeit in den letzten Jahren strategisch und operativ sehr aktiv gewesen und hat viele wichtige Massnahmen zum Schutz und zur Förderung der Dreisprachigkeit umgesetzt. Anstatt eine weitere Strategie zu erarbeiten, wird es als zielführender erachtet, die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen in die Umsetzung der verschiedenen, bereits aufgegleisten Massnahmen und die Entwicklung neuer konkreter Massnahmen basierend auf dem Massnahmenkatalog einzusetzen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen und als erledigt abzuschreiben.

22. Dezember 2022