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Session: 02.09.2023

Leitplanken reduzieren massgeblich schwere Unfallfolgen, indem sie verhindern, dass Fahrzeuge von der Strasse abkommen. Was für Auto- und Lastwagenfahrer ein Vorteil ist, ist hingegen für Motorrad-, aber auch für Fahrradfahrende oft lebensgefährlich.

Die grösste Gefahr geht dabei nicht unbedingt von den eigentlichen Leitschienen aus, vielmehr sind es die Pfosten, an welchen die Leitplanken befestigt sind, denen Motorradfahrer häufig zum Opfer fallen. Besonders tückisch ist, dass die Pfosten meist über scharfe Kanten verfügen. Abgetrennte Gliedmassen oder auch schwere innere Verletzungen sind bei solchen Unfällen typische Folgen.

Für die Schweiz sind hierzu wenig statistische Daten vorhanden. Eine Studie des Instituts für Zweiradsicherheit in Essen D (ifz) zeigt jedoch, dass fast 61 Prozent der Zweiradfahrer, die von einer Strasse mit Leitplanke ohne Unterfahrschutz abkommen, schwer verletzt oder getötet werden. Schon ein Aufprall mit Tempo 35 gegen einen «formaggressiven Leitplankenpfosten» kann zu schwersten Verletzungen führen.

Für den Kanton Graubünden liegen hingegen exakte Zahlen über Verkehrsunfälle mit Zweiradfahrzeugen vor (Quelle: KAPO GR) und diese zeigen eine unerfreuliche Entwicklung. So wurden im Jahr 2022 allein bei Verkehrsunfällen mit Motorrädern 42 Personen schwer verletzt (+16 gegenüber Vorjahr) und 8 getötet (+4). Bei den stark frequentierten Passübergängen ereigneten sich im Jahr 2022, um drei Beispiele zu nennen, am Flüelapass 14 Unfälle mit 11 verletzten und einer getöteten Person, am Berninapass 8 Unfälle mit 5 getöteten Personen und am Julierpass 7 Unfälle mit 5 Verletzten. Am Julierpass kollidierten bei insgesamt 13 Motorradunfällen (2021+2022) fünf davon mit der Leitplanke, was fast einem Drittel entspricht. Dieses Beispiel zeigt, dass wirksamen Leitplankenschutzsystemen, wie sie an der Nordseite des Julierpasses mehrheitlich vorhanden sind, eine sehr grosse Bedeutung zukommt. An unzähligen anderen kurvenreichen und vielbefahrenen Strecken sind jedoch nur wenige solcher Unterfahrschütze vorhanden beziehungsweise sie fehlen gänzlich.

Nun sollen nicht etwa auf Kosten der Sicherheit von Auto- und Lastwagenfahrenden Verbesserungen erfolgen. Vielmehr soll auf kurvenreichen Strecken ein Unterfahrschutz unter der bestehenden Leitplanke nachgerüstet werden. Erfolgt dies mit modernen und stossdämpfenden Unterfahrschutzsystemen, kann das Verletzungsrisiko noch signifikanter reduziert werden. Unterfahrschutzsysteme lassen sich nachträglich anbringen und können zudem dank eines Schnellmontagesystems in den Wintermonaten, wo nötig, einfach entfernt werden und beschränken damit den Mehraufwand für den Winterdienst auf ein Minimum.

Fragen an die Regierung:

  1. Teilt die Regierung die Meinung, dass Unterfahrschutzsysteme an Leitplanken bei kurvenreichen Strassen den Grad der Verletzung bei gestürzten Motor- und Fahrradfahrern erheblich senken können?
  2. Wenn ja, ist die Regierung bereit, bei Kurven mit Unfallhäufungen von Zweiradfahrern sowie präventiv an Strecken mit hohem Motorradaufkommen mit der Montage von geeigneten Unterfahrschutzsystemen die Reduktion des Verletzungsrisikos von gestürzten Zweiradfahrenden zu bewirken?
  3. Ist die Regierung bereit, soweit noch nicht erfolgt, mit einer einfachen Erhebung die gefährlichen und noch nicht mit Unterfahrschutzsystemen ausgestatteten Stellen beziehungsweise Strecken zu ermitteln?
  4. Ist die Regierung bereit, mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) bezüglich der drei Nationalstrassen im Kanton N13 (San Bernardino), N28 (Prättigau), N29 (Julier) eine sinngemässe Verbesserung anzuregen?

Chur, 2. September 2023

Cortesi, Bachmann, Tomaschett, Atanes, Bavier, Biert, Bisculm Jörg, Bundi, Butzerin, Candrian, Casutt, Crameri (Li Curt), Della Cà, Dürler, Gort, Grass, Hohl, Krättli, Lehner, Mani, Morf, Rauch, Rettich, Roffler, Salis, Saratz Cazin, Sgier, von Ballmoos, Weber

Antwort der Regierung

Das Tiefbauamt Graubünden (TBA) ist für Projektierung, Bau sowie Unterhalt der rund 1'400 km Kantonsstrassen zuständig. Im Weiteren ist das TBA gemäss Leistungsvereinbarung mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) in der Gebietseinheit V für den betrieblichen und baulichen Unterhalt von rund 220 km Nationalstrassen verantwortlich. In diesen Funktionen trägt das TBA der Verkehrssicherheit angemessen Rechnung. So hat der Kanton gestützt auf Art. 6a Strassenverkehrsgesetz (SVG; SR 741.01) unter anderem eine für den Verkehrssicherheitsbereich verantwortliche Ansprechperson (Sicherheitsbeauftragter; SiBe) für National- und Kantonsstrassen ernannt. Weiter sieht Art. 6a SVG vor, dass der Kanton das Strassennetz regelmässig auf Unfallschwerpunkte und Gefahrenstellen zu überprüfen und bei Bedarf eine Planung zu deren Behebung zu erarbeiten hat. Für den Vollzug dieser Aufgabe hat das ASTRA sechs Infrastruktur-Sicherheitsinstrumente (ISSI) entwickelt, deren Anwendung sowohl Strassenprojekte als auch bestehende Strassen sicherer macht. Der Kanton stützt sich neben den ISSI auf die entsprechende Norm des Schweizerischen Verbandes der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) sowie auf den kantonalen Leitfaden für Projektierende im Bereich der passiven Sicherheit im Strassenraum, welcher Grundlagen für die Ausführung von Leitschranken auf National-, Haupt- und Verbindungsstrassen beinhaltet. Zudem findet ein regelmässiger und enger Austausch mit den Blaulichtorganisationen, insbesondere der Kantonspolizei Graubünden, statt.

Zu Frage 1: Beim Unterfahrschutz handelt es sich um eine präventive Massnahme, um das Verletzungsrisiko bei Unfällen zu reduzieren. Unterfahrschutzsysteme sind federnd angebrachte Stahlplanken, die im Falle einer Kollision Aufprallenergie absorbieren und ein Durchrutschen wirkungsvoll verhindern. Dadurch wird auch der Kontakt mit dem scharfkantigen Stützpfosten verhindert. Diese Systeme senken im Falle eines Anpralls das Verletzungsrisiko von Motorradfahrenden, haben jedoch keine Auswirkungen auf das Fahrverhalten selbst und somit auf die Unfallhäufigkeit.

Zu Frage 2: Bereits heute werden an Unfallschwerpunkten auf den Kantons- wie auch Nationalstrassen Unterfahrschutzsysteme montiert. Diese Systeme werden auch präventiv auf Strecken mit hohem Aufkommen von Motorradfahrenden montiert. Im Rahmen einer Risikoabschätzung und Güterabwägung ist zu berücksichtigen, dass als Folge von Unterfahrschutzsystemen die Schneeräumung nicht übermässig erschwert werden darf. Die temporäre Entfernung der massangefertigten Elemente wäre sehr aufwändig, weshalb Unterfahrschutzsysteme gezielt an Unfallschwerpunkten und auf Strecken mit hohem Aufkommen von Motorradfahrenden angebracht werden. Zudem kann der Schattenwurf von Unterfahrschutzsystemen zu Vereisungen auf der Fahrbahn führen, was der Verkehrssicherheit allgemein abträglich ist.

Zu Frage 3: Wie einleitend dargelegt überprüft das TBA systematisch die Verkehrssicherheit auf Kantonsstrassen. Dabei wird das Potenzial analysiert, wo die Infrastruktur optimiert werden kann (NSM Network Safety Management). Diejenigen Strassenabschnitte, auf denen mit gezieltem Ressourceneinsatz das Niveau der Verkehrssicherheit am effektivsten und effizientesten durch bauliche, verkehrstechnische und/oder betriebliche Massnahmen verbessert werden kann, werden anschliessend priorisiert. Im Rahmen des Unfallschwerpunktmanagements wird die Strassenverkehrssicherheit im Bereich bestehender Unfallschwerpunkte verbessert. Bei Bedarf werden auch Inspektionen (Road Safety Inspection) durchgeführt und die erkannten Sicherheitsdefizite behoben. Auf Nationalstrassen führt das ASTRA zusammen mit den Kantonen ein Informationssystem "Strassenverkehrsunfälle" bestehend aus einem Erfassungs- und einem Auswertungssystem.

Zu Frage 4: Der enge Austausch zwischen ASTRA und dem Sicherheitsbeauftragten für National- und Kantonsstrassen führt zur steten Verbesserung der Sicherheit innerhalb des Bereichs der Nationalstrassen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurde auch das Projekt "Massnahmen passive Sicherheit" lanciert, um die Umsetzung der vorerwähnten Aspekte zu unterstützen.

27. Oktober 2023