Die Eidgenössische Bürgerrechtsverordnung regelt die sprachlichen Mindestanforderungen zur Erlangung des Schweizer Bürgerrechts. Sie verweist auf den sechsstufigen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Einbürgerungswillige müssen mindestens B1 mündlich und A2 schriftlich aufweisen. Den Kantonen steht es frei, höhere Hürden zu verlangen. Die Mindestanforderungen sind eher tief. Das ist offenbar auch der Grund, dass in der Schweiz bereits politische Forderungen gestellt werden, Abstimmungsbroschüren in andere Sprachen zu übersetzen. Dies mit der Begründung, dass bei Beherrschung des Niveaus A2 die Voraussetzungen für die Einbürgerung zwar erfüllt sind, die eingebürgerte Person aber kaum in der Lage ist, am politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Muss man knappe Sprachkenntnisse wirklich mit Übersetzungen wettmachen? Nein. Ziel muss sein, die sprachliche Integration von Einbürgerungswilligen stärker zu fördern. Die Sprache ist der Schlüssel zu Land und Leuten, Gesellschaft, Arbeitswelt, Kultur und Politik. Ein normales Gespräch mit Muttersprachlern zu führen ist für die Teilnahme am öffentlichen Leben unabdingbar.
Wer die heutige Mindestanforderung A2 (zweittiefste von sechs Stufen) aufweist, kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (z. B. Informationen zur Person und zur Familie, Einkäufe, Arbeit, nähere Umgebung), und kann sich in einfachen, routinemässigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht.
Niveau B1 heisst, man kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Man kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Man kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äussern.
Das Niveau B2 bedeutet, dass man die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen kann. Man kann sich so spontan und fliessend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne grössere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Man kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.
Vor diesem Hintergrund stellen die Unterzeichnenden folgende Frage:
Ist die Regierung bereit, sofern der Kanton hierzu das Recht hat, die gesetzlichen Grundlagen dahingehend zu ändern und zu ergänzen, dass zur Erlangung des Schweizer Bürgerrechts mündliche Kenntnisse einer Kantonssprache (Deutsch, Italienisch oder Rätoromanisch) entsprechend dem Referenzniveau B2 des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarats (GER) und schriftliche Kenntnisse einer Kantonssprache entsprechend dem Referenzniveau B1 nachgewiesen werden?
Chur, 15. Februar 2023
Krättli, Menghini-Inauen, Morf, Casutt, Cortesi, Della Cà, Dürler, Favre Accola, Gort, Grass, Heim, Hug, Metzger, Roffler, Sgier, Städler, Weber