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Session: 15.02.2023

Die Debatte rund um den Gedenkstein für gefallene deutsche Soldaten des 1. Weltkriegs auf dem Friedhof Daleu, welcher auf Grundlage der nationalsozialistischen Ideologie errichtet worden ist, hat aufgezeigt, dass die Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus im Kanton Graubünden gerade in der Zeit vor Ausbruch des 2. Weltkriegs kaum beziehungsweise nie systematisch erforscht und aufgearbeitet worden ist. Der Gedenkstein auf dem Friedhof Daleu ist dabei nur einer der Anhaltspunkte, welche darauf hinweisen, dass in Graubünden faschistisches und nationalsozialistisches Gedankengut oder zumindest Sympathien dafür existierten – genauso wie Widerstand dagegen. Und auch die Geschichte der Opfer und der Betroffenen gilt es näher zu untersuchen beziehungsweise zu erzählen.

Der Kanton Graubünden hat mit der Aufarbeitung der Geschichte der Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen ein dunkles Kapitel seiner Vergangenheit vorbildlich aufgearbeitet. Gleiches soll nun mit der Aufarbeitung der Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus im Kanton Graubünden geschehen.

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung daher, die Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus im Kanton Graubünden mit Schwerpunkt vor der Zeit des Ausbruchs des 2. Weltkriegs im Rahmen eines gesamtheitlichen Forschungsprojekts wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen.

Chur, 15. Februar 2023

Schneider, Hofmann, Danuser (Chur), Bachmann, Bardill, Baselgia, Bergamin, Berther, Bischof, Brunold, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Claus, Collenberg, Degiacomi, Derungs, Dietrich, Epp, Furger, Gansner, Gartmann-Albin, Gredig, Hoch, Jochum, Kohler, Kreiliger, Loepfe, Maissen, Mani, Mazzetta, Müller, Nicolay, Pajic, Perl, Pfäffli, Preisig, Rettich, Righetti, Rusch Nigg, Rutishauser, Saratz Cazin, Spagnolatti, von Ballmoos, Zanetti (Sent), Zaugg-Ettlin

Antwort der Regierung

Die Berichterstattung von SRF im Januar 2023 über das Grabmal bzw. den Gedenkstein auf dem Stadtfriedhof Daleu in Chur, der an die während des Ersten Weltkriegs hier verstorbenen internierten deutschen Soldaten erinnert, hat eine breite Debatte ausgelöst. Das öffentliche Interesse an der Geschichte Graubündens während und zwischen den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts ist dadurch intensiviert worden. Vor diesem Hintergrund fordert der vorliegende Auftrag eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus im Kanton Graubünden mit Schwerpunkt auf den Jahren vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Die Regierung begrüsst Forschungsinitiativen, die zu einem vertieften historischen Verständnis der fraglichen Zeit sowie der damaligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Graubünden beitragen. Erfreulicherweise wurden in jüngerer Vergangenheit mehrere wissenschaftliche Beiträge zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, zu den Aktivitäten der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Graubünden im Allgemeinen und zur Ermordung des NS-Landesgruppenführers Wilhelm Gustloff im Speziellen sowie zur Geschichte der Holzverzuckerungs AG (HOVAG) veröffentlicht. Damit wurden bereits wichtige Erkenntnisse in Teilbereichen der Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus im Kanton Graubünden gewonnen. Um die mit dem Auftrag angestrebte systematische Erforschung zu erreichen, scheint es daher unerlässlich, zunächst den aktuellen Forschungsstand von Fachleuten genau erheben, eine umfassende Bibliografie der relevanten Literatur erstellen und bestehende Forschungslücken identifizieren zu lassen. Diese Recherchearbeit soll Forschungsdesiderate aufzeigen. Grossrätin Silvia Hofmann richtet überdies aktuell eine Anfrage betreffend Erinnerungskultur und Kontextualisierung des Mausoleums auf dem Friedhof Daleu in Chur an die Regierung, die den Fokus auf die Erforschung der Zwischen- und Nachkriegszeit legt. Es bietet sich deshalb an, den Untersuchungszeitraum entsprechend auszuweiten, um ein umfassenderes Bild zu erhalten. Darauf aufbauend wird die Regierung konkrete Forschungsprojekte in Auftrag geben und finanzieren.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag wie folgt abzuändern:

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung, den Forschungsstand zum Thema der Geschichte des Kantons Graubündens während der Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus bis zu den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen eines wissenschaftlichen Rechercheprojekts erheben zu lassen. Gleichzeitig sollen Forschungslücken eruiert und benannt werden. Darauf aufbauend wird die Regierung beauftragt, eines oder mehrere Forschungsprojekte in Auftrag zu geben.

19. April 2023