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Session: 15.02.2023

Im Kanton Graubünden herrscht ein massiver Wohnraummangel. Die Internetseite baublatt.ch schreibt auf ihrer Homepage: Die – ohnehin schon unterdurchschnittliche – Zahl verfügbarer Wohnungen im Bündnerland ging von Mitte 2020 bis Mitte 2021 um ganze 37 Prozent zurück. Anfang Juni 2021 lag die Leerwohnungsziffer bei gerade mal 0.87 Prozent, im Juni 2022 sogar bei 0.61 Prozent. Gemäss Bundesamt für Statistik haben im Jahr 2022 nur noch die Kantone Zug 0.33, Genf 0.38, Obwalden 0.48 und Zürich 0.60 tiefere Leerwohnungsziffern. Dies führt zu massiv gestiegenen Immobilienpreisen und folglich natürlich auch zu höheren Mietkosten. Die nun steigenden Zinsen werden die Mietpreise weiter ansteigen lassen. Zudem fehlen Wohnungen für einheimische Familien und für Fachkräfte.

Ein wesentliches Hindernis für die fehlende oder blockierte Wohnraumentwicklung in den Gemeinden sind sicher auch die nur schleppend vorankommenden kommunalen Raumplanrevisionen. Dies zeigt sich auch deutlich am Beispiel Klosters, wo ein von der Gemeinde initiiertes und dringend benötigtes Überbauungsprojekt Erstwohnungen mittels Bundesgerichtsurteil 1C-650/2020 verhindert wurde.

Diese Situation blockiert Gemeinden über Jahre in ihrer gesunden Weiterentwicklung, ist schädlich für die Wirtschaft (schreckt potentielle Investoren ab) und bedeutet für Mieter/Innen weiterhin fehlenden oder unerschwinglichen Wohnraum. Kurz zusammengefasst: Die Situation hat schon fast ein toxisches Ausmass.

Ein Punkt um diese Situation mittelfristig zu entschärfen, wäre eine grosszügigere Einzonung von Bauland. Im Rahmen von Ortsplanrevisionen wird für die Gemeinden ein mögliches Bevölkerungsentwicklungsszenario festgelegt. Dieses reicht von rückläufig bis hin zu starkem Wachstum. Oft orientiert sich der Kanton an einer zu defensiven Bevölkerungsentwicklung, was zu einer Reduktion der Bauzone oder zu einer zu geringen Einzonung führt.

Die SVP-Fraktion beauftragt deshalb die Regierung mit der Ausarbeitung eines Aktionsplan Erstwohnraum / Raumplanung, welcher folgenden Inhalt haben soll:

  1. Massive Beschleunigung der Raumplanungsprozesse:
    • Der Kanton beschränkt sich bei den Prüfungen der Ortsplan- und der Baugesetzrevisionen ausschliesslich auf die Einhaltung des Bundes- und Kantonalen Rechts, alles andere ist Sache der Gemeinden.
    • Vorprüfungen der Raumplan- und Baugesetzrevisionen müssen zwingend innerhalb von zwei Monaten nach Eingang beim Kanton beantwortet sein.
    • Vorgeprüfte Revisionen, welche nach der Mitwirkung keine Einsprachen und keine beziehungsweise nur unwesentliche Änderungen beinhalten, sind von der Regierung innert einer Monatsfrist zu genehmigen.
    • Vorgeprüfte Revisionen, welche wesentliche Änderungen beinhalten, sind innert drei Monaten zu prüfen und zu genehmigen.
    • Einsprachen sind unter Einhaltung der Fristen, jedoch ohne Verzug zu bearbeiten und zu entscheiden.
    • Revisionen, welche nicht innerhalb der maximalen Verfahrensdauer von zwölf Monaten von der Regierung bewilligt werden, gelten automatisch als bewilligt.
  2. Keine unnötigen Rückzonungen, dafür mögliche neue Bauzonen:
    • Die Bevölkerungsperspektive muss unverzüglich neu berechnet werden.
    • Die neuen Trends, wie Homeoffice, Teilzeitjobs und das Berggebiet als Erholungs- und Arbeitsraum müssen darin einfliessen.
    • Für die Bauzoneneinteilung gilt nur noch das höchste Szenario.
    • Begründete Einzonungswünsche der Gemeinden müssen berücksichtigt werden.

Chur, 15. Februar 2023

Gort, Rauch, Grass, Adank, Brandenburger, Butzerin, Candrian, Casutt, Cortesi, Della Cà, Dürler, Favre Accola, Heim, Hug, Koch, Krättli, Menghini-Inauen, Metzger, Morf, Roffler, Salis, Sgier, Städler, Weber

Antwort der Regierung

Die Komplexität der planerischen Umsetzung und der bundesrechtlichen Vorgaben fordert derzeit alle am Planungsprozess beteiligten Parteien massiv. Die kantonalen Genehmigungsbehörden haben einen vorgegebenen Prüfungsmassstab anzuwenden. Ortsplanungen müssen mit den Vorgaben des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG; SR 700), des funktionalen Raumplanungsrechts sowie des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) übereinstimmen (vgl. Antwort der Regierung vom 13. Februar 2023 zum Auftrag Kocher betreffend Beschleunigung der Ortsplanungsrevisionen, Prot. Nr. 104/2023). Im Rahmen des übergeordneten Rechts erfüllen die Gemeinden die Aufgabe der Ortsplanung autonom (Art. 3 Abs. 1 KRG). Der vom Auftrag geforderte Umfang der kantonalen Überprüfungsbefugnis entspricht somit bereits geltendem Recht. Die Dauer der Verfahren zur kantonalen Vorprüfung respektive Genehmigung von Nutzungsplanungen hängt von verschiedenen Faktorenab, welche vom Kanton nur teilweise beeinflusst werden können (vgl. Antwort der Regierung vom 17. Oktober 2022 zur Anfrage Gort betreffend Behandlungsfristen in der Raumplanung, Prot. Nr. 800/2022). So sind die Genehmigungsbehörden auf vollständige und hinreichend begründete Planungsunterlagen angewiesen, um Bearbeitungsfristen einhalten zu können. Andernfalls sind zusätzliche, oftmals zeitintensive Abklärungen sowie Anhörungen der Gemeinden erforderlich. Planungsbeschwerden bringen zudem Verzögerungen nach sich. Dennoch hat die derzeitige Planungswelle auch die zuständigen kantonalen Stellen an ihre personellen Kapazitätsgrenzen geführt. Die Belastung wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die effiziente und beförderliche Verfahrensführung ist ohne Zweifel ein zentrales Element der Verwaltungsarbeit. Die Ansetzung von strengeren Behandlungsfristen löst das Problem jedoch nicht. Stattdessen sind zur Verfahrensbeschleunigung organisatorische Massnahmen notwendig. Diese wurden ergriffen und befinden sich in Umsetzung. So beantragen das Amt für Raumentwicklung (ARE) und das Departement für Volkswirtschaft und Soziales (DVS) über den ordentlichen Stellenschaffungsprozess personelle Aufstockungen. Die Erhöhungsanträge werden von der Regierung beurteilt und in der Dezembersession im Rahmen des Budgets 2024 vorgelegt (vgl. dazu auch Antwort der Regierung zum Auftrag Kocher). Weiter entwickelt das ARE zusammen mit dem DVS laufend Standardisierungen und Automatisierungen und setzt diese um, beispielsweise in Form von automatisierten Prüfungen digitaler Daten sowie von Mustertexten. Angesichts der derzeitigen personellen Engpässe wird zudem, soweit möglich und sachdienlich, eine Beurteilung durch verwaltungsexterne Sachverständige geprüft, wobei einzelfallweise bereits entsprechende Aufträge vergeben wurden. Daneben teilt das ARE, soweit sich in einem Genehmigungsverfahren eine Überschreitung der geltenden Ordnungsfristen abzeichnet, der betroffenen Gemeinde bereits nach geltendem Recht (vgl. Art. 5 Abs. 2 KRG) die Verzögerung mit kurzer Begründung und unter Bekanntgabe einer neuen Erledigungsfrist mit. Hierbei bemüht sich das ARE nach Möglichkeit um eine Prioritätenabsprache mit der Gemeinde. Im Übrigen handelt es sich bei der Genehmigung von Ortsplanungen um mehr als eine blosse Kontrolle; sie ist vielmehr selbst ein Akt der Nutzungsplanung und als solcher ein Mittel der vom Kanton zu gewährleistenden Koordination. Aufgrund dieses konstitutiven Charakters des Genehmigungsentscheids ist die vorgeschlagene "automatische" Genehmigung nach Fristablauf nicht mit dem RPG vereinbar. Die geforderte Neuberechnung der Bevölkerungsperspektive liegt ebenfalls bereits vor (auf www.are.gr.ch abrufbar). Diese orientiert sich an den vom Bundesamt für Statistik (BFS) erstellten Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung, wobei im Richtplan als Grundlage für die Ortsplanungen das Szenario "hoch" gewählt wurde. Damit wurde für die Gemeinden der grösstmögliche Planungsspielraum geschaffen, wodurch auch eine durch neuere Trends ausgelöste Steigerung der Baulandnachfrage aufgefangen werden kann. Zudem werden die BFS-Szenarien periodisch aktualisiert, womit Trends mittel- bis langfristig auch in der Prognose abgebildet werden. Einzonungen sind unter den Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 4 RPG möglich. Die entsprechenden Vorgaben sind von der Gemeinde bei ihrer Planung als auch vom Kanton bei der Genehmigung zu beachten.

Die beantragten Massnahmen zur Bewältigung der erkannten Herausforderungen erweisen sich somit als bereits umgesetzt bzw. in Umsetzung befindend (Ziff. 1 al. 1 und 5, Ziff. 2 al. 1, 2 und 3), als nicht erfüllbar (Ziff. 1 al. 2, 3 und 4) oder als mit dem übergeordneten Recht nicht vereinbar (Ziff. 1 al. 6, Ziff. 2 al. 4). Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag betreffend Ziff. 1 al. 1 und 5 sowie Ziff. 2 al. 1, 2 und 3 zu überweisen und betreffend Ziff. 1 al. 2, 3,4 und 6 sowie Ziff. 2 al. 4 abzulehnen.

19. April 2023