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Session: 02.09.2023

Im April 2023 hat die Bündner Regierung mitgeteilt, dass künftig auch Personen mit Niederlassungsbewilligung zur Polizeiausbildung zugelassen sind. Die Regierung begründet diesen Schritt mit dem Fachkräftemangel und dass so genügend Nachwuchs rekrutiert werden könne. Diese Mitteilung hat bei einem Grossteil der Bevölkerung für Empörung gesorgt. Die Polizei, die bisher in der Bevölkerung ein sehr grosses Vertrauen genossen hat, wurde in Frage gestellt. Eine gewisse Verunsicherung ist aufgetreten.

Dass die Kantonspolizei, wie sehr viele andere Branchen, vom Fachkräftemangel betroffen ist, ist auch für die SVP klar. Dass bei Fachkräftemangel Massnahmen ergriffen werden müssen, ist selbstverständlich. Sicherheit und Ordnung müssen jederzeit gewährleistet werden, nur dann ist unser Kanton als Arbeits- und Feriendestination attraktiv. Mit etwas Erstaunen mussten wir aber zur Kenntnis nehmen, dass die Kantonspolizei in der gleichen Zeit und trotz Fachkräftemangel Gemeinden aktiv mit dem Angebot angegangen ist, die Aufgaben der Gemeindepolizei zu übernehmen. Bereits in den letzten Jahren ist die Kantonspolizei bei vielen Gemeinden aktiv geworden und hat teilweise erfolgreich für eine Einheitspolizei geworben. Dies, obwohl sie genau dadurch mit vielen zusätzlichen Arbeiten beauftragt wird, welche keine polizeiliche Ausbildung verlangen (Parkbussen, Fahrverbote, Hundeleinenpflicht, Maskenkontrollen…). Teilweise werden diese Aufgaben von Sicherheitsassistenten ausgeführt, oft aber auch von ausgebildeten Polizisten. Für solche Aufgaben sind aber auch private Unternehmen bestens geeignet. Zudem fällt auf, dass oft gegen Ende des Budgetjahres personenaufwändige Radarkontrollen auf National- und Hauptverbindungsstrassen organisiert werden, um die Budgetvorgaben von über 12 Million Franken aus Bussen zu erfüllen. Im Gegensatz zu Radarkontrollen innerorts und an gefährlichen Stellen hat diese Massnahme sehr wenig mit Sicherheitsfragen zu tun, verlangt aber viele Arbeitsstunden.

Wir bitten die Regierung um Auskunft zu folgenden Fragen:

  1. Welche weiteren Massnahmen, nebst Rekrutierung von Personen mit Niederlassungsbewilligung, wurden geprüft, um die Problematik des Fachkräftemangels zu entschärfen?
  2. Wie viele Arbeitsstunden investiert die Kantonspolizei in Aufgaben, welche genauso gut durch private Unternehmungen erfüllt werden könnten?
  3. Sieht die Regierung eine Chance, den Fachkräftemangel zu entschärfen, indem Gemeindepolizeiaufgaben, welche nicht mit der Sicherheit der Bevölkerung zu tun haben, wieder abgegeben werden?
  4. Das ersatzlose Streichen des Budgetkontos 427011 «Bussen im Ordnungsbussenverfahren» würde den Druck auf Erreichen der Budgetvorgaben massiv senken und personalschonende Auswirkungen haben. Teilt die Regierung diese Meinung?

Chur, 2. September 2023

Krättli, Salis, Rauch, Adank, Brandenburger, Butzerin, Candrian, Casutt, Cortesi, Della Cà, Favre Accola, Gort, Grass, Hefti, Lehner, Metzger, Morf, Roffler, Sgier, Stocker, Weber

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Die Regierung hat mit Beschluss vom 4. April 2023 (Prot. Nr. 256/2023) die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, damit auch Polizistinnen und Polizisten mit Niederlassungsbewilligung rekrutiert werden können. In einem Pilotprojekt soll geklärt werden, ob und wie gross das Interesse der im Engadin ansässigen Niedergelassenen am Polizeiberuf ist und wie die Integration ins Polizeikorps gelingt. Vorausschauend hat die Kantonspolizei (Kapo) die "Strategie Kapo 2025+" entwickelt und dabei fünf strategische Initiativen festgelegt. Zwei dieser Initiativen, nämlich die Attraktivität des Arbeitgebers und die Führung und Unternehmenskultur, sind Wegweiser für die Aufgaben und Projekte, die zum Erhalt und zur Rekrutierung von Mitarbeitenden bereits entwickelt wurden oder in Zukunft noch zu entwickeln sind. Die Kapo ist, abgesehen von wenigen Personallücken in der Region Engiadina – und dort hauptsächlich im Oberengadin –, durch langjährig gezielt umgesetzte organisatorische, strukturelle und personelle Massnahmen vom Fachkräftemangel noch gering betroffen. In der Region Engiadina wurden, nicht zuletzt wegen der sehr hohen Wohnungsmieten, für den Verbleib der Mitarbeitenden im Hochtal während der ersten fünf Dienstjahre zusätzliche finanzielle Anreize mit Zulagen geschaffen. Um Fachkräften verschiedene Arbeitsmodelle anzubieten, setzt die Kapo auf Arbeitsplatzflexibilität. Wo immer möglich, wird Remote-Arbeit, Teilzeitarbeit und Job-Sharing zugelassen. Schwerpunkte für den Erhalt und die Rekrutierung von Mitarbeitenden werden zudem mit dem Projekt "Personalmarketing und Personalgewinnung" gelegt. Weiter ist ein neues umfassendes Personalentwicklungskonzept in Ausarbeitung, das den Mitarbeitenden Perspektiven im eigenen Korps, mitsamt den dazu notwendigen Führungs- und Fachausbildungsmöglichkeiten, gewährt. Dazu gehört auch eine Weiterbeschäftigung von Polizistinnen und Polizisten mit gesundheitlichen Problemen mit einfacheren Aufgaben, wie beispielsweise gemeindepolizeiliche Aufgaben.

Zu Frage 2: Die Kapo überprüft laufend ihre Aufgaben und Leistungen. Beispielhaft zeigen die Auslagerung der Transportbegleitungen von Schwertransporten an private Unternehmungen im 2018, die Aufhebung der Spezialeinheit Taucher im 2018 und die Neuregelung im Rettungskonzept, die korpsübergreifende Beschaffung der Polizeiuniform (KEP) samt der Neuorganisation der Beschaffung und Lagerhaltung im 2020 sowie die Entflechtung der Aufgaben im Ausweichverkehr zwischen Tiefbauamt, Gemeinden und Kapo 2022 einen laufenden Optimierungsprozess auf. Grenzen solcher Auslagerungen von Aufgaben an private Unternehmungen bildet das staatliche Gewaltmonopol und generell die Gesetzgebung.

Zu Frage 3: Im Bericht "Polizei Graubünden 2015plus", von der Regierung am 22. September 2015 genehmigt, wurden die Formen der Aufgabenerledigung in Kapitel II, S. 24 ff., eingehend analysiert und aufgezeigt. Die Aufgabenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden im polizeilichen Bereich und die damals von der Regierung gezogenen Schlussfolgerungen zum erwähnten Bericht haben nach wie vor ihre Gültigkeit (a.a.O., S. 56), nämlich: Die bestehenden Strukturen im Kanton Graubünden haben sich bewährt, das Thema Einheitspolizei wird nicht weiterverfolgt. Mithin sollte die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und der Kapo weiterhin über vertragliche, der jeweiligen Situation Rechnung tragende Vereinbarungen ausgestaltet werden. Die Gemeinden haben damit die Möglichkeit, ihre polizeilichen Aufgaben auf freiwilliger Basis der Kapo zu übertragen. Das wird auch in der Praxis so gelebt. Die Gemeinden fragen jeweils die Kapo für eine vertragliche Lösung an, nicht umgekehrt.

Zu Frage 4: Die Gesetzgebung verlangt und gewährt bei verschiedensten Verstössen gegen die Rechtsordnung die Möglichkeit, Bussen im Ordnungsbussenverfahren zu erheben. Schon alleine deshalb ist die Aufhebung dieser Budgetposition nicht möglich. Viele erhobenen Ordnungsbussen im Verkehrsbereich wie Fahren ohne Gurt, Fahren ohne Licht, zu schnelles Fahren, gefährliches Überholen, dienen der Verkehrssicherheit und sind aufgrund der Nichteinhaltung von gesetzlichen Bestimmungen zu erheben. Radarkontrollen werden mit wenig aber spezialisiertem Personal durchgeführt und dienen alleine der Verkehrssicherheit. Weniger Radar führt zu weniger Verkehrssicherheit und damit zu mehr Unfällen mit Personen- und/oder Sachschaden. Jeder verhinderte Unfall erspart Leid und ist um ein vielfaches schonender für die Personalressourcen und damit eine sehr gute verkehrspolizeiliche Präventionsmassnahme.

Bild dt
 17. Oktober 2023