1. Das Strassenverkehrsrecht verlangt, dass gegenüber allen Strassenbenützern ausreichender Abstand zu wahren ist, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren (Art. 34 Abs. 4 SVG). Der Fahrzeugführer hat beim Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren, so dass er auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig halten kann (Art. 12 Abs. 1 Verkehrsregelnverordnung).
Der Mindestabstand leitet sich aus einer Reaktionszeit von zwei Sekunden ab. Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit der schweren Gütertransportfahrzeuge von 80km/h, wie sie auch im San Bernardino Tunnel signalisiert ist, beträgt der Mindestabstand etwa 45 Meter. Aus der Sicht der Verkehrssicherheit genügt dies für alle Fahrzeugarten und auf allen Strassen, auch in Tunnels.
2. Das Signal 2.47 "Mindestabstand" nach Art. 28 der Signalisationsverordnung verpflichtet die Führer von Motorwagen und Sattelmotorfahrzeugen, deren Gesamtgewicht nach Fahrzeugausweis 3,5 Tonnen übersteigt, unter sich den angegebenen Mindestabstand einzuhalten. Das Signal wird, soweit notwendig, namentlich vor Brücken und ähnlichen Kunstbauten angebracht. Gilt die Vorschrift für eine längere Strecke, wird die Zusatztafel "Streckenlänge" beigefügt.
Ein speziell grosser Sicherheitsabstand in Tunnels erscheint der Regierung nicht notwendig und kaum sinnvoll. Eine solche Vorschrift würde dazu führen, dass die Fahrzeuge bei der Einfahrt in den Tunnel den vorher korrekten Abstand von etwa 45 Meter vergrössern und ihr Tempo entsprechend reduzieren müssten. Unvermeidbare Folge wären verstärkte Auswirkungen auf die nachfolgenden Fahrzeuge (Handorgeleffekt) und schliesslich Verkehrsstaus mit den bekannten Nachteilen für die Verkehrssicherheit und die Umwelt. Hinzukommt, dass jede Abstandsregel in der Praxis durch die Polizei kaum kontrollierbar wäre, weil Fahrzeugkolonnen nicht durchwegs mit konstanten Geschwindigkeiten fahren können und sich die Abstände zwischen den Fahrzeugen, insbesondere wegen langsamerer Fahrzeuge, zwangsläufig immer wieder verändern. Gerade aus diesen Überlegungen hat die vom Bundesamt für Strassen auf Grund der Verkehrsunfälle im Strassentunnel des Montblanc vom 24. März 1999 und im Tauern-Tunnel vom 25. Mai 1999 eingesetzte Tunnel Task Force in ihrem Zwischenbericht vom 31. August 1999 ein entsprechendes Begehren zur Ablehnung empfohlen. Die Task Force schlägt stattdessen beispielsweise vor, eine Infokampagne zum richtigen Verhalten in Tunnels zu starten, die Kontrollen des Schwerverkehrs und der Gefahrenguttransporte zu intensivieren und die Anforderungen für die Ausrüstung der Tunnels betreffend Beleuchtung, Signalisation, Mess- und Überwachungsanlagen usw. dem letzten Stand der Technik anzupassen.
3. Telefonische Erhebungen der Kantonspolizei bei der Gendarmerie in Chamonix haben ergeben, dass der Mindestabstand von 100 Meter im Mont-Blanc-Tunnel für alle Fahrzeugkategorien bereits vor dem folgenschweren Unfall bestanden hatte. Die Signalisation war am Portaleingang und als Wiederholung in den Tunnelnischen ca. alle 400 Meter angebracht. Wie der Sprecher der Gendarmerie versicherte, sind die gemachten Erfahrungen in Bezug auf die Einhaltung der getroffenen Regelung aus polizeilicher Sicht durchwegs negativ. Der signalisierte Mindestabstand wird regelmässig nicht eingehalten und die Abstandsregel kann von der Polizei kaum kontrolliert und durchgesetzt werden.
Eine spezielle Abstandsvorschrift zwischen Lastwagen im San Bernardino-Tunnel würde in der Praxis bezüglich Sicherheit nicht den gewünschten Erfolg bringen und hätte wohl auch keine Änderung des Fahrverhaltens zur Folge. Auf eine entsprechende Signalisation soll dementsprechend weiterhin verzichtet werden. Eine andere Beurteilung könnte sich allenfalls ergeben durch die Beurteilung des Bundesamtes für Strassen nach Vorliegen des Schlussberichtes der Tunnel Task Force.
Sicherheit nicht den gewünschten Erfolg bringen und hätte wohl auch keine Änderung des Fahrverhaltens zur Folge. Auf eine entsprechende Signalisation soll dementsprechend weiterhin verzichtet werden. Eine andere Beurteilung könnte sich allenfalls ergeben durch die Beurteilung des Bundesamtes für Strassen nach Vorliegen des Schlussberichtes der Tunnel Task Force.
Chur, 29. November 1999