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Session: 30.01.2001

Die traurigen Vorkommnisse in den Spitälern von Bern, Lugano aber auch Chur veranlassen die unterzeichnenden Motionäre, die Regierung zu verpflichten, unser Staatshaftungsrecht, verankert im Verantwortlichkeitsgesetz (BR 170.050), zu revidieren.

Man hofft ja nie, dass es zu solch tragischen Fällen kommt. Falls dies jedoch geschieht, sollen die Betroffenen wenigstens über ein modernes Haftpflichtrecht angemessen finanziell entschädigt werden. Dies kann durch zwei einschränkende Regelungen in unserem Verantwortlichkeitsgesetz vereitelt werden. Zum Einen besteht für bestimmte Kategorien von Körperschaften, insbesondere den selbständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten, aber auch für die Gemeinden und Kreise, die Regionalspitäler führen, nur eine Haftpflicht, wenn deren Behörden und Beamten absichtlich oder grobfahrlässig gehandelt haben. Bei einer leichten Fahrlässigkeit entfällt jegliche Haftpflicht.

Zum Zweiten verjährt ein Anspruch auf Schadenersatz bereits nach einem Jahr. Bei vertraglichen Haftungen, wie wir sie im ganzen Privatrecht kennen, beträgt die Verjährung fünf Jahre, manchmal sogar 10 Jahre. Durch nicht rechtzeitige Geltendmachung kann für die Betroffenen ein doppelt tragisches Resultat entstehen, indem sie unter Umständen einen Menschen verloren haben und ein Versorgerschaden nur unzureichend von der AHV abgedeckt wird.

Diese beiden Sonderregelungen bedeuten eine Ungleichbehandlung und Schlechterstellung des Bürgers. Während der Bürger z.B. gegenüber einer Privatklinik einen vertraglichen Haftpflichtanspruch für jegliches Verschulden, also auch leichte Fahrlässigkeit, mit einer fünfjährigen Verjährung geniesst, hat er im Kantonsspital und in einem regionalen Spital keine Chancen, entschädigt zu werden, wenn ein Richter lediglich auf leichte Fahrlässigkeit (was die überwiegende Zahl der Urteile sein dürfte) erkennt. Der Vollständigkeit halber ist jedoch zu erwähnen, dass viele dieser Institutionen ihre Haftung via Versicherung oder in ihren Statuten auf leichte Fahrlässigkeit ausgedehnt haben. Dies ist jedoch gerade bei der Versicherungslösung keine genügende, dauernde Garantie. Insbesondere aber sind die Regelungen total unübersichtlich und zu vereinheitlichen. Auch nicht restlos geklärt ist, ob ein an einem öffentlichen Spital operierender Chefarzt in der Privatabteilung nun nach öffentlichem oder nach Privatrecht haftet. Wir sind der Auffassung, dass der Staat gleich wie ein Privater haften sollte und eine einfache, mit dem Privatrecht identische Lösung getroffen werden sollte.

Die dargestellte Situation im Gesundheitswesen ist nur ein Beispiel einer unbefriedigenden Situation. Generell ist die Staatshaftung nach Auffassung der Motionäre nicht mehr zeitgemäss. Deshalb beauftragen die Motionäre die Regierung, zu überprüfen, an welchen Orten überall, und zwar nicht nur im Gesundheitswesen, eine eingeschränkte Staatshaftung besteht, und das Verantwortlichkeitsgesetz zu revidieren.

Chur, 30. Januar 2001

Namen: Hess, Pfenninger, Portner, Ambühl, Arquint, Augustin, Bär, Barandun, Battaglia, Berther (Sedrun), Biancotti, Bucher, Bühler, Cahannes, Casanova (Chur), Cathomas, Catrina, Caviezel, Christ, Claus, Conrad, Crapp, Dalbert, Demarmels, Deplazes, Dermont, Farrér, Federspiel, Frigg, Giacometti, Giuliani, Gunzinger, Hanimann, Hartmann, Hasler, Hübscher, Jäger, Janett, Joos, Kehl, Keller, Kessler, Koch, Lardi, Lemm, Locher, Loepfe, Loi, Luzio, Maissen, Mani, Marti, Möhr, Nick, Noi, Parpan, Pedrini, Plozza, Quinter, Rizzi, Robustelli, Sax, Scharplatz, Schmid (Sedrun), Schmid (Splügen), Schmid (Vals), Schütz, Suenderhauf, Suter, Telli, Toschini, Tramèr, Tremp, Trepp, Tuor (Trun), Walther, Wettstein, Zarn, Zinsli

Session: 30.01.2001
Vorstoss: dt Motion

Antwort der Regierung

Im Kanton Graubünden ist die Staatshaftung im Gesetz über die Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten und die Haftung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften vom 29. Oktober 1944 (VG) geregelt. Die Bündner Staatshaftung ist als Verschuldenshaftung ausgestaltet. Das Gesetz unterscheidet bezüglich Haftungsumfang zwischen Körperschaften des Kantons und der Bezirke (Kanton, kantonale Anstalten und Bezirke, Art. 8 VG) einerseits und den übrigen Körperschaften (Kreise, Gemeinden, selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten, Art. 9 VG) andererseits.

Während die Haftung der Körperschaften des Kantons und der Bezirke neben der absichtlichen Schädigung auch die grob- und leichtfahrlässige Schädigung umfasst, ist die Haftung der übrigen Körperschaften auf Fälle absichtlicher oder grobfahrlässiger Schadensverursachung beschränkt.

Die Motionäre bemängeln das Auseinanderklaffen des Haftungsumfangs, je nachdem welchem Gemeinwesen die schädigende Handlung zuzurechnen ist. Anhand eines Beispiels konkretisieren sie die ihrer Ansicht nach unzulänglichen Bestimmungen und weisen darauf hin, dass ein Patient, der im Rahmen einer Behandlung in einem Spital leichtfahrlässig geschädigt wird, aufgrund des VG den Schaden nur geltend machen kann, wenn er in einem Spital des Kantons, nicht aber, wenn er beispielsweise in einem Regionalspital behandelt wurde.

Weiter beanstanden die Motionäre die (kurze) Verjährungsfrist von lediglich einem Jahr. Sie weisen darauf hin, dass auch hier eine unbefriedigende Diskrepanz zu anderen Patienten entstehen könne. So gelange ein Patient, der sich in einer Privatklinik behandeln lasse, in den Genuss der wesentlich längeren Verjährungsfristen des Vertragsrechts.

In diesem Zusammenhang ist immerhin zu präzisieren, dass die einjährige Verjährungsfrist des VG ab Kenntnis des Schadens zu laufen beginnt und nicht ab dem Zeitpunkt der Schädigung, wie aus der Motion geschlossen werden könnte. Das heutige VG übernimmt damit offensichtlich die Regelung der Bestimmung zur Verjährung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nach Obligationenrecht (Art. 60 Abs. 1 OR).

Die Motionäre erachten die Regelung der Staatshaftung im Kanton Graubünden als nicht mehr zeitgemäss und regen eine Revision an. Der Regierung ist die sich aufgrund des Verantwortlichkeitsgesetzes ergebende Situation bekannt. Bei der submissionsrechtlichen Ausschreibung der Haftpflichtversicherung der Spitäler auf dem Platz Chur (Kantonsspital, Kreuzspital, Frauenspital) im Herbst 1999 hat sie denn auch darauf hingewirkt, dass die leichte Fahrlässigkeit bereits in den Ausschreibungsunterlagen mit eingeschlossen wurde. Die Versicherungspolice ist in der Folge entsprechend abgeschlossen worden. Mit den Motionären ist die Regierung jedoch der Ansicht, dass ein versicherungsvertraglicher Ausgleich des unterschiedlichen gesetzlichen Haftungsumfangs nicht zu befriedigen vermag.
Andererseits hätten es die Kreise, Gemeinden und übrigen selbständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften in der Hand, auf dem Wege der Gesetzgebung ihre eigene Verantwortlichkeit analog dem Kanton auf leichte Fahrlässigkeit auszudehnen. Hiervon haben sie nur zurückhaltend Gebrauch gemacht.

Der Bund führt zurzeit ein Vernehmlassungsverfahren zur Revision und Vereinheitlichung des Haftpflichtrechts durch. Einige Änderungsvorschläge sind im Folgenden herausgegriffen: So ist vorgesehen, die Artikel 41 bis 61 OR durch einen allgemeinen Teil des Haftpflichtrechts (sogenannte Allgemeine Bestimmungen) zu ersetzen. Weiter sieht die Vorlage vor, die Befugnis der Kantone, von diesen Allgemeinen Bestimmungen abweichende Vorschriften zu erlassen, stärker einzuschränken als heute. Ferner soll im Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes die Staatshaftung auf hoheitliche Tätigkeit beschränkt werden. Und es wird eine ordentliche 3-jährige Verjährungsfrist seit Kenntnis des Schadens und eine 20-jährige subsidiäre Frist seit der Schädigung zur Diskussion gestellt.

Nach Ansicht der Regierung sollte die Vereinheitlichung des Haftpflichtrechtes auf eidgenössischer Ebene abgewartet werden, bevor das kantonale Verantwortlichkeitsgesetz überprüft wird. Auf diese Weise können Doppelspurigkeiten vermieden werden.

Im Übrigen haben dem Vernehmen nach mehrere Spitäler und Spitalverbände von der Möglichkeit von Art. 9 Abs. 2 VG Gebrauch gemacht und ihre Verantwortlichkeit zumindest versicherungsvertraglich oder aber auch statutarisch auf Fälle von leichter Fahrlässigkeit ausgedehnt. Eine unmittelbare zeitliche Dringlichkeit für die Revision des VG ist deshalb unter diesem Aspekt nicht gegeben.

Die Regierung ist bereit, die Motion im Sinne der Ausführungen entgegenzunehmen.

27. Februar 2001