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Session: 27.03.2001

Im Rahmen eines Jugend-Strafverfahrens gegen deutschsprachige Kinder aus dem Bündner Rheintal hat die Polizei von neun Protokollen sieben in italienischer Sprache abgefasst, obschon keines der Kinder, die alle deutschsprachig sind, auch nur annähernd genügend Italienischkenntnisse hatte, um das Geschriebene zu verstehen. Die Kinder wurden angehalten, die Protokolle, die in einer ihnen unverständlichen Sprache abgefasst waren, zu unterzeichnen. Hervorzuheben ist im übrigen, dass diese Protokolle nicht unter Zeitnot erstellt worden sind. Die Unterlagen sind der zuständigen Schulbehörde nämlich erst drei Wochen nach dem Ereignis unterbreitet worden.

Auf schriftliche Anfrage des Schulrates der betroffenen Gemeinde hat die Kantonspolizei Graubünden sich auf den Standpunkt gestellt, dass es rechtens sei, die Befragungen in deutscher Sprache vorzunehmen, aber auf Italienisch zu protokollieren. Die Rapportierung innerhalb von drei Wochen erachtet das Polizeikommando ”sogar eher als speditiv”. Die Kantonspolizei stellt sich im übrigen auf den Standpunkt, dass die zeitliche Länge auch daher resultiere, dass ”sechs Strafanträge eingeholt werden mussten”.

Aufgrund dieser Auskunft ersuchen die Unterzeichnenden die Regierung um Stellungnahme zu folgenden Fragen:
1. Ist es üblich und richtig, dass zwischen einem Ereignis, wo Kinder in einem recht schwerwiegenden Strafverfahren involviert sind, bis zum Eintreffen der Unterlagen bei den Schulbehörden drei Wochen verstreichen?
2. Ist es rechtlich in Ordnung und sachlich verantwortbar, dass Einvernahmeprotokolle nicht in der Mutter- und Kantonssprache der einvernommenen Personen verfasst werden, selbst wenn der Fall keinerlei Verbindungen zu einer anderen Sprachregion hat?
3. Wie ist die Unterschrift eines Kindes auf einem Protokoll, das in einer ihm unbekannten Sprache verfasst worden ist, rechtlich bezüglich Verbindlichkeit zu qualifizieren?
4. Ist es vorgesehen, künftig allenfalls einem Kantonspolizisten, der die Lokalsprache offenbar nicht genügend beherrscht, einen Übersetzer beizustellen? Wer bezahlt in einem solchen Fall den Übersetzer?
5. Ist es Aufgabe der Polizei, Strafanträge einzuholen?

Chur, 27. März 2001

Namen: Meyer, Zindel, Cahannes, Arquint, Augustin, Brasser, Brüesch, Bucher, Bühler, Claus, Frigg, Hardegger, Hess, Jäger, Locher, Looser, Marti, Meyer, Noi, Pelizzatti, Pfenninger, Pfiffner, Rizzi, Schmid (Splügen), Schmutz, Schütz, Suter, Trepp, Zarro

Session: 27.03.2001
Vorstoss: dt Interpellation

Antwort der Regierung

    1. Art. 208 der Strafprozessordnung gebietet, Verfahren gegen Kinder und Jugendliche mit möglichster Beschleunigung durchzuführen. Der Vorfall, welcher der Interpellation zugrunde liegt, ereignete sich am 25. Dezember 2000 um 14.30 Uhr. Die ersten Einvernahmen wurden noch am Tag der Anzeige, die letzte am
    8. Januar 2001 durchgeführt. Fünf Tage später konnten die Akten der Staatsanwaltschaft überwiesen werden. Die Rapportierung eines Straffalles in diesem Ausmass innerhalb von drei Wochen kann - insbesondere über die Feiertage
    und mit reduziertem Personalbestand - als recht speditiv bezeichnet werden.

    2. Die Regierung hält es für problematisch, dass Kinder (generell aber auch andere Verfahrensbeteiligte) protokollarisch in einer Sprache einvernommen werden, die sie nicht verstehen. Nach Art. 87 Abs. 4 der Strafprozessordnung sind die Aussagen in der Regel in einer dem Einvernommenen geläufigen Landessprache zu protokollieren. Leider war die Kantonspolizei aus personellen Gründen nicht in der Lage, rechtzeitig einen deutschsprachigen Mitarbeiter mit diesem Fall zu betrauen. Dadurch hätte sich die Dauer der Bearbeitung unnötig verlängert. Auf den Inhalt der Einvernahme hatte dies aber keine Einfluss, da sämtliche Kinder in Deutsch mündlich befragt wurden.

    3. Unmündige können einen Sachverhalt unterschriftlich dann bestätigen, wenn sie aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit in der Lage sind, die Tragweite ihres Handels zu überblicken und die Konsequenzen abzuschätzen. Dies dürfte für 14-jährige Jugendliche zutreffen. Mit ihrer Unterschrift bestätigen die Einver-
nommenen einen Sachverhalt, der sich gemäss ihren eigenen Angaben so zugetragen hat und ihnen auch in deutscher Sprache wiedergegeben wurde. Die Fremdsprachigkeit des Protokolls ist grundsätzlich kein Hindernis, um Rechtswirkung zu entfalten, wenn der Inhalt des Protokolls übersetzt wird. Allerdings unterliegt das Protokoll und insbesondere die Art und Weise, wie es zustande gekommen ist, der freien Beweiswürdigung durch den Richter.

    4. Die Kantonspolizei verfügt bereits heute über die Möglichkeit, auf Kosten des Staates Übersetzer beizuziehen. Damit ist aber noch nicht garantiert, dass zu jedem Zeitpunkt auch kurzfristig ein Übersetzer zur Verfügung steht. Nicht selten erweist es sich als schwierig, diese rechtzeitig aufbieten zu können. Dies gilt in besonderem Masse über die Feiertage. Vorliegend hielt es der Sachbearbeiter zudem nicht für notwendig, einen Übersetzer beizuziehen, da er sich mit den Betroffenen problemlos mündlich in Deutsch unterhalten konnte.

    5. Die Kantonspolizei hat in einem Strafverfahren erste Massnahmen zu treffen, um den Sachverhalt zu klären. Erst wenn ein Strafantrag vorliegt, kann sie weitere Erhebungen und Abklärungen zum Sachverhalt tätigen, ausser es wären dringliche Massnahmen anzuordnen. Den Geschädigten wird ein entsprechendes Formular unterbreitet. Sie müssen sich dann äussern, ob sie Strafantrag stellen, darauf verzichten wollen oder ob sie lediglich davon Kenntnis nehmen, dass sie innert drei Monaten einen solchen stellen können. Im Zuge der Abklärungen wurde bekannt, dass weitere Personen in den Fall involviert waren. Deshalb war zu klären, ob die Geschädigten auch gegen diese Personen formell Strafantrag stellen wollten oder nicht.

Zusammenfassend teilt die Regierung die Auffassung der Interpellantin, wonach es nach Möglichkeit zu verhindern ist, dass gerade bei Kindern Einvernahmen in einer fremden Sprache abgefasst werden. Die Kantonspolizei hat darauf zu achten, nur in Ausnahmefällen, sofern keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, davon Gebrauch zu machen. Sie muss dabei aber auch ihre personellen Ressourcen mitberücksichtigen.