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Session: 09.10.2001
Über 200 Sans-papiers, d.h. Personen ohne fremdenpolizeilich geregeltes Aufenthaltsrecht, haben seit April 2001 die Öffentlichkeit auf ihre Lebenssituation aufmerksam gemacht und für ihre Probleme sensibilisiert. In verschiedenen Städten setzten sie sich öffentlich für eine kollektive Regularisierung aller Sans-papiers in der Schweiz ein. Einige Kantonsregierungen wie auch diverse Arbeitgeber unterstützen diese Forderung. Der Nationalrat hat 1999 ein Postulat überwiesen, dass ein Gesetz zur Regularisierung von Sans-papiers ausgearbeitet werden soll. Viele europäische Staaten haben das bereits getan. Die UNO-Vollversammlung hat bereits 1991 kollektive Regularisierungen aufgrund der Aufenthaltsdauer, Beschäftigung und anderer Kriterien empfohlen.
Niemand weiss genau, wie viele Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz leben. Oft handelt es sich um Menschen, die bereits Jahre (teilweise zehn Jahre oder mehr) in der Schweiz leben und arbeiten. Sans-papiers sind in den allermeisten Fällen legal eingereist. Zu Sans-papiers wurden sie aufgrund unserer Gesetze.
Die Alltagssituation der Sans-papiers ist sehr schwierig. Neben der ständigen Angst entdeckt und abgeschoben zu werden, sind sie beinahe beliebig ausbeutbar durch ihre jeweiligen Arbeitgeber. Gegen Willkür und Misshandlungen können sie sich nicht wehren. Sie können sich kaum eigenen Wohnraum mieten und haben in der Regel auch Angst, bei Bedarf die notwendige medizinische Hilfe zu holen. In den letzten Jahren haben sich in den meisten Schweizer Städten Unterstützungsgruppen gebildet, die diesen Personen medizinische und juristische Hilfe vermitteln.
Der Bundesrat empfiehlt die ”Einzelfallprüfung im Rahmen des geltenden Rechts”. Dieser Vorschlag ist nicht praktikabel. Die geltende Härtefallregelung verlangt, dass jeder Fall individuell beurteilt wird, wenn klare Kriterien fehlen. Auf die Situation der Sans-papiers ist diese Regelung nicht anwendbar. Sans-papiers riskieren nicht nur, wegen ”illegalem” Aufenthalt bestraft, sondern auch umgehend ausgeschafft zu werden. Auch die von der Eidgenössischen Ausländerkommission vorgeschlagenen Ombudsstellen können keine Lösung bringen, solange es keine klaren Regelungen für Sans-papiers gibt. Die konkrete Erfahrung zeigt, dass es nicht an fehlenden Informationen, sondern an fehlenden Rechten liegt, dass Sans-papiers sich aus ihrer menschenunwürdigen Situation nicht befreien können. Ein Staat, der sich als Rechtsstaat versteht, darf nicht hinnehmen, dass ein Teil seiner Bevölkerung seine Rechte nicht geltend machen kann. Die kollektive Regularisierung für Sans-papiers ist unabdingbar für eine menschenrechtskonforme Lösung der Probleme der Sans-papiers.

Die Unterzeichnenden bitten deshalb die Regierung um folgende Auskunft:

1. Wieviele Sans-papiers leben nach Kenntnis der Regierung in unserem Kanton?
2. Gedenkt die Regierung beim Bund vorstellig zu werden, um die menschenunwürdige Situation der Sans-papiers zu verbessern?

Chur, 9. Oktober 2001

Name: Frigg, Meyer, Trepp, Arquint, Augustin (Almens), Bucher, Jäger, Locher, Looser, Noi, Pfenninger, Pfiffner, Schmutz, Schütz, Zindel

Session: 09.10.2001
Vorstoss: dt Interpellation


Antwort der Regierung

Die Bewegung der Sans-papiers nahm ihren Anfang im Frühjahr 2001 im Kanton Freiburg, wo zahlreiche Ausländerinnen und Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung eine Kirche besetzten und damit einerseits auf ihre unbefriedigende rechtliche Situation aufmerksam machten und anderseits die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum dauernden Verbleib in der Schweiz forderten. Aufgrund der starken Beachtung dieser Aktionen in den Medien entstanden vornehmlich in der Westschweiz weitere ähnliche Aktionen mit gleichlautenden Forderungen. Als Sans-papiers gelten Personen ausländischer Herkunft, denen nach ihrer Einreise entweder eine Aufenthaltsbewilligung verweigert (z. B. infolge Ablehnung des Asylgesuches oder Nichterfüllen der Bewilligungsvoraussetzungen) oder entzogen (z. B. wegen Delinquenz) bzw. nicht verlängert wurde (z. B. infolge Dahinfallen der Bewilligungsvoraussetzungen). Als Sans-papiers gelten aber auch all jene Personen, die sich seit langem ohne Bewilligung in den einzelnen Kantonen aufhalten und einer ungeregelten Arbeit nachgehen. Über die konkrete Anzahl der Sans-papiers herrschen unterschiedliche Auffassungen; während die einschlägigen Unterstützungskomitees von einigen Hunderttausenden sprechen, beziffert die Eidgenössische Ausländerkommission die Zahl der Sans-papiers auf Tausende oder Zehntausende.

Die Problematik der Sans-papiers ist nicht neu. Der Bundesrat hatte wiederholt Gelegenheit darzulegen, weshalb er eine generelle Amnestie für rechtswidrig anwesende Personen in der Schweiz ablehnt. Gleichzeitig hat der Bund jedoch wiederholt

betont, dass er auf Antrag der Kantone bereit sei, in begründeten Einzelfällen für Lösungen Hand zu bieten, welche den konkreten Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen.

Zu den Fragen der Interpellanten:

1. Über die Zahl der Sans-papiers, die sich im Kanton Graubünden aufhalten, bestehen ebenfalls keine gefestigten Angaben. Die Fremdenpolizei des Kantons Graubünden schätzt jedoch die Zahl der illegal anwesenden Ausländer sehr gering ein. Da sich derzeit im Kanton Graubünden nur gerade neun Personen mit einer rechtskräftigen Wegweisung aufhalten, die mangels Reisedokumente auch nicht ausser Landes gebracht werden können, dürfte die Zahl der Sans-papiers unter Berücksichtigung der illegal anwesenden Personen nach Schätzungen der Regierung zwei Dutzend Personen nicht übersteigen.

    2. Der Bundesrat hat wiederholt festgehalten, dass er nicht gewillt ist, für die Sans-papiers eine kollektive Regelung zu treffen. Die Regierung teilt die Auffassung des Bundesrates. Eine kollektive, schematische Aufnahme aller Papierlosen wäre nämlich nicht zuletzt aus rechtsstaatlichen Erwägungen fragwürdig und würde Ungerechtigkeiten mit sich bringen. Dem Bundesrat und der Eidgenössischen Ausländerkommission (EKA) ist darin beizupflichten, dass Ziel der Politik namentlich auch im Interesse der betroffenen Menschen sein muss, im Rahmen des geltenden Rechts kurzfristig die Zahl von Sans-papiers zu senken und für die Zukunft so gering wie möglich zu halten. Härtefälle sollen aufgrund einer Einzelfallprüfung beurteilt werden. In diesem einschränkenden Sinne ist die Regierung bereit, die Politik des Bundesrates für eine Verbesserung der Situation der Sans-papiers zu unterstützen.