Die Ombudsstelle ist eine ursprünglich skandinavische Institution (Ombudsman), die 1971 mit der Wahl des Ombudsmanns für die Stadt Zürich erstmals in der Schweiz Fuss fasste. Heute kennen drei Kantone (Zürich, Basel-Stadt, Basel-Landschaft) und drei Städte (Bern, Zürich und Winterthur) eine solche Einrichtung. In der Schweiz versteht man unter der Ombudsstelle ein unabhängiges staatliches Organ, das den Bürgerinnen und Bürgern im Verkehr mit der Verwaltung helfen und auf die Rechtsmässigkeit und Korrektheit administrativen Handelns hinwirken soll. Die Ombudsstelle verfügt über umfassende Informationsrechte, kann aber nur Empfehlungen abgeben. Direkte Eingriffe in die Verwaltungstätigkeit sind ausgeschlossen.
Im Kanton Graubünden befasste sich der Grosse Rat in der Mai-/Junisession 1990 mit der Ombudsstelle. Er lehnte eine Motion Senn, welche die Schaffung einer kantonalen Ombudsstelle verlangte, mit 42 zu 41 Stimmen ab (vgl. GRP 1989/90, S. 700 und GRP 1990/91, S. 220 ff.). Im Rahmen der Arbeiten zur Totalrevision der Kantonsverfassung wurde diese Frage erneut diskutiert. Nach eingehenden Abklärungen und Beratungen sah die Verfassungskommission jedoch schliesslich davon ab, eine entsprechende Bestimmung in den Kantonsverfassungsentwurf aufzunehmen. In dem Ende März 2001 abgeschlossenen Vernehmlassungsverfahren zum Kantonsverfassungsentwurf wurde die Ombudsstelle von keiner Seite mehr thematisiert.
Die Regierung hat ein gewisses Verständnis, dass, wohl auch als Reaktion auf die jüngsten, tragischen Ereignisse im Kanton Zug, das Anliegen, eine Ombudsstelle einzurichten, mit der vorliegenden Motion nochmals aufgegriffen wird. Zentrale zu
beantwortende Frage bleibt jedoch, ob ein ausreichendes öffentliches Interesse besteht, eine solche Stelle im Kanton Graubünden zu schaffen. Nach Ansicht der Regierung ist ein solches auch heute nicht gegeben. Graubünden weist nach wie vor eine überblickbare, jedermann zugängliche kantonale Verwaltung auf, die im Wesentlichen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger geniesst. Letzteres zeigt auch das insgesamt doch bescheidene Ausmass an konkreten Beanstandungen. Im Zuge des Transfers neuer Managemententwicklungen aus der Privatwirtschaft, wie Total Quality Management (TQM) oder New Public Management (NPM; GRiforma), in das öffentliche Management haben sich Verwaltung und Behörden gerade in den letzten Jahren gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern noch mehr geöffnet. Sie verstehen sich heute zunehmend als Dienstleistungsunternehmen und sehen in den Bürgerinnen und Bürgern Kundinnen und Kunden, auf deren Bedürfnisse entsprechend eingegangen wird. Durch den verstärkten Einsatz konventioneller Mittel (Infoschreiben, Medienmitteilungen etc.) und mit Hilfe neuer Technologien (Internet, E-Mail) ist die Zugänglichkeit der Verwaltung und Behörden für die Bürgerinnen und Bürger gegenüber früher massiv verbessert worden. Diese Entwicklung wird weitergehen, wie etwa die Projekte des Bundes "Guichet virtuel" und "E-Government" zeigen, an denen auch der Kanton Graubünden mitwirkt. Auch der Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger bei konkreten Konflikten mit der Verwaltung hat einen Ausbau erfahren. Infolge der 1995 erfolgten Anpassungen der Verwaltungsrechtspflege an die Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (SR 0.101, Art. 6 Ziff. 1) und Art. 98 a des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (SR 173.110) werden heute fast alle Verwaltungsrechtsstreitigkeiten in letzter kantonaler Instanz durch ein verwaltungsunabhängiges Gericht (Verwaltungsgericht, teilweise auch Kantonsgericht) beurteilt. Aufgrund dieser Umstände stellt die Regierung das Bedürfnis für eine kantonale Ombudsstelle in Frage. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird dadurch unterstrichen, dass die Schaffung einer Ombudsstelle im breit angelegten Vernehmlassungsverfahren zur Kantonsverfassungsrevision bei den sich äussernden Privatpersonen, Politischen Parteien und anderen Institutionen überhaupt kein Thema war.
Sodann sprechen noch weitere Aspekte gegen das Einrichten einer Ombudsstelle. So würde die Schaffung einer solchen Stelle zu einer unerwünschten Zentralisierung führen, die den weitläufigen Verhältnissen in unserem Kanton zu wenig Rechnung trägt. Weiter wäre das Tätigkeitsfeld einer solchen Stelle zu schmal, wenn es sich lediglich auf die kantonale Verwaltung beschränken würde. Eine Ausdehnung des Tätigkeitsbereiches einer kantonalen Ombudsstelle auf die Gemeinden erscheint aber aus Autonomieüberlegungen undenkbar.
Aus all diesen Überlegungen beantragt Ihnen die Regierung, die Motion nicht zu
überweisen.