Die Polizeikorps verschiedener Kantone überprüfen erneut den Einsatz von dum-dum-artigen Geschossen (Deformationsgeschosse). Diese Geschosse pilzen sich beim Auftreffen auf den menschlichen Körper auf, was zu ausgedehnten und grässlichen Verletzungen führt. Im Falle von Auftreffen auf Gliedmassen bedeutet das in ca. 90% die Amputation (mit Volimantelgeschossen ca. 10%) Aus polizeitaktischer Sicht spricht man von erhöhter ”Mannstopp-Wirkung”
In der Antwort auf die einfache Anfrage von Nationalrat Rechsteiner bestätigte der Bundesrat schon am 22.9.1986, dass nach Völkerrecht die Verwendung von Munition, die unnötige Leiden provozieren, verboten ist, Dieser Grundsatz, der schon im Haager Abkommen festgelegt wurde, wurde von der Schweiz in zwei Zusatz-Abkommen zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 sowie 1980 zum UNO-Uebereinkommen über bestimmte Waffen befürwortet und bekräftigt. Weiter schreibt der Bundesrat, er sei daran interessiert, dass über die Einhaltung des Völkerrechts auf seinem Territorium keine Zweifel bestehen.
Am 9.2. 1987 bemerkte der Staatsrat des Kantons Waadt, dass der Bund rechtlich keine Möglichkeit habe, den Kantonen Vorschriften über Munitionsarten zu machen. Die vom Bundesrat zitierten völkerrechtlichen Abkommen zur Vermeidung übermässiger Leiden seien nur für bewaffnete internationale Konflikte bindend, nicht aber für die Polizeikorps! Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit falle abschliessend in die Kompetenz der Kantone.
Die Schweiz war und ist immer noch auf verschiedensten Konferenzen an vorderster Front aktiv am Verbot dieser international geächteten Geschosse beteiligt. Auf eine erneute Einfache Anfrage von Nationalrat Rechsteiner vom 19. Juni 2001 antwortete der Bundesrat kürzlich wie folgt:
”Nach Auffassung des Bundesrates ist nicht erwiesen, dass mit der neuen Deformationsmunition insgesamt ein verbesserter Schutz der Polizei und von Unbeteiligten gewährleistet ist. Die Schweiz ist überdies Depositarstaat und Vertragspartei der Genfer Abkommen von 1949 und ihrer Zusatzprotokolle von 1977 zum Schutz der am Krieg beteiligten Personen. Diese Abkommen, aber auch frühere völkerrechtliche Verträge, welche die Schweiz ratifiziert hat, enthalten den gewohnheitsrechtlichen Grundsatz, dass niemand unmenschlich behandelt werden darf. Dieser Grundsatz wird durch die Haager Erklärung von 1988 konkretisiert, welche den Gebrauch von Deformationsgeschossen verbietet. Auf Grund ihrer humanitären Tradition hat sich die Schweiz auch in jüngster Zeit im Hinblick auf die Revisionskonferenz 2001 zum Uebereinkommen von 1980 über technische Entwicklungen im Munitionsbereich eingesetzt. Es ist zwar richtig, dass das Verbot des Einsatzes von Deformationsgeschossen sich nur auf bewaffnete Konflikte bezieht und ein Verbot für den innerstaatlichen Polizeieinsatz nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Es würde jedoch im Ausland kaum verstanden, wenn die Schweiz sich für eine Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts einsetzt, gleichzeitig aber im eigenen Land die Verwendung von Deformationsgeschossen für den ordentlichen Polizeidienst zulassen würde.
Der Bundesrat sagt abschliessend aus obengenannten Gründen sei er der Meinung, dass im ordentlichen Polizeidienst, ausserhalb von den in seiner Antwort vom 20. März 1987 klar umrissenen und abschliessend aufgezählten Szenerien, die Verwendung von Deforrnationsgeschossen nicht zu rechtfertigen ist.
1. Polizeieinsätze gegen schwere Gewalttäter, insbesondere Geiselnehmer, wenn sich die Verwendung aus taktischen Gründen aufdrängt und wenn sie auf die besondere Anordnung eines Polizeioffiziers erfolgt.
2. Für die Erfüllung von Polizeiaufgaben in lokal begrenzten Einsatzräumen, zum Beispiel in Flugzeugen und Flughafengebäuden, in denen die Verwendung von Volimantelgeschossen mit unverhältnismässig hohen Gefahren für Dritte verbunden wäre.
3. Für den Nahschutz gefährdeter Personen.”
Verschiedenste Vorfälle im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Schusswaffen durch die Polizei haben in letzter Zeit Aufsehen erregt. Eine Studie der polizeitechnischen Kommission zeigt auf, dass die Trefferquote der Polizei lediglich 9% ist. Von 1146 Schussabgaben, abzüglich der 211 Warnschüsse, trafen lediglich 9% ins Ziel. Das heisst, es besteht bei Verwendung dieser Deformationsgeschosse beim Auftreffen auf unbeteiligte Menschen eine noch viel höhere Gefahr, dass diese zerstörerische Verletzungen an ihren Körpern erleiden als bei Volimanteigeschossen.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen, sehen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner für diese international geächteten Geschosse, abgesehen von oben erwähnten streng definierten Ausnahmen, keine Notwendigkeit für einen Gebrauch im zivilen Bereiche. Sie fordern die Regierung deshalb auf, im Sinne der oben genannten Ausführungen Massnahmen zu treffen, dass diese Munitionsart auf dem Hoheitsgebiet des Kantons Graubünden nicht zur Anwendung kommen kann.
Chur, 10. Oktober 2001
Name: Trepp, Sax, Bucher, Arquint, Augustin (Almens), Büsser, Frigg, Jäger, Looser, Meyer, Noi, Pfenninger, Pfiffner, Schmutz, Schütz, Trepp, Zindel
Session: 10.10.2001
Vorstoss: dt Postulat