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Session: 27.11.2001

Die vergangenen Budgets und Jahresrechnungen haben gezeigt, dass das konventionelle Sparen ausgereizt ist und dennoch keine nur annähernd ausgeglichene Rechnung erreicht werden kann. Unter Berücksichtigung der unter dem Jahr aufgrund von unvorhergesehenen Ereignissen regelmässig auftretenden Mehrausgaben verschlechtert sich die Finanzlage unseres Kantons zusätzlich. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Folgerichtig müssen auch Strukturanpassungen und Aufgabenüberprüfungen zwingend diskutiert werden. Dabei genügt eine wie in Aussicht gestellt sektorielle Überprüfung der Staatsaufgaben keineswegs. Vielmehr ist die Verwaltungstätigkeit als Ganzes mit dem Ziel der Kosteneinsparung ohne Abbau der erforderlichen Dienstleistungen zu untersuchen. Und sofern Dienstleistungen aus Kostengründen abgebaut werden sollen, ist dieser Entscheid politisch in Kenntnis zu anderen Alternativen zu fällen.
In der Novembersession 1999 und 2000 wurde von verschiedenen Votanten eine umfassende Strukturreform unter gleichen Parametern über die gesamte Verwaltung gefordert. Regierungsrätin Dr. Eveline Widmer-Schlumpf sicherte zu, dass die Regierung gedenke, solche strukturellen Massnahmen umzusetzen. Im Jahresprogramm wird die systematische Überprüfung der Staatsaufgaben in bestimmten Teilbereichen in Aussicht gestellt. Eine Strukturreform kann jedoch nicht auf einzelne Ämter beschränkt sein. Zum einen sind Ungerechtigkeiten und damit einhergehende Spannungen bei den MitarbeiterInnen unausweichlich, zweitens bedürfen neue Strukturen einer Gesamtschau und schliesslich fehlt die Zeit, um etappenweise Teilprojekte zu realisieren. In Anbetracht der Tatsache, dass viele neue und kostenintensive Aufgaben auf den Kanton zukommen (z.B. Telekommunikation) und berechtigte Anliegen, insbesondere der kantonalen Angestellten, erfüllt werden müssen, kann nur eine Strukturreform über alle Staatsaufgaben von Erfolg gekrönt sein.

In der Maisession 1998 hat Grossrat Zegg ein von 37 ParlamentarierInnen unterzeichnetes Postulat eingereicht. In ihrer Antwort schreibt die Regierung, dass sie die Sorgen des Postulanten teilen würde. Unter Begründung der damals laufenden Reformprojektvorhaben (VFRR, Projekt GRiforma, Umsetzung Massnahmeplan Haushaltgleichgewicht 1999), die zum heutigen Zeitpunkt umgesetzt oder eingeführt sind, nahm die Regierung den Vorstoss nicht in der eingereichten Form entgegen, stellte aber in Aussicht, die Frage einer umfassenden, systematischen Überprüfung der kantonalen Aufgaben und Leistungen erneut aufzugreifen, falls die Ergebnisse der Reformprojekte unbefriedigend ausfallen oder sich bezüglich des kantonalen Finanzhaushaltes dramatischere Entwicklungen abzeichnen sollten. Aktuell sind wir so weit. Obwohl Notmassnahmen (ohne nachhaltige Einsparungen) getroffen wurden, rechnet der Voranschlag 2002 wie in den vergangenen Jahren mit einem erheblichen Fehlbetrag. Damit ist der dringende Handlungsbedarf ausgewiesen, zumal das Budgetdefizit ursprünglich über Fr. 100 Mio. betragen hat und eine konjunkturell bedingte Entspannung der prekären finanziellen Lage des Kantons Graubünden nicht abzusehen ist. Ein anhaltendes Haushaltgleichgewicht kann nur mittels einer grundsätzlichen, umfassenden Überprüfung und Anpassung der Strukturen erreicht werden.
Die Regierung wird deshalb aufgefordert, eine sämtliche Staatsaufgaben umfassende Aufgaben- und Strukturreform ohne Verzug an die Hand zu nehmen.

Chur, 27. November 2001

Name: Casanova (Chur), Zegg, Suter, Ambühl, Augustin, Bachmann, Bär Barandun, Brüesch, Bühler, Casanova (Vignogn), Cathomas, Catrina, Caviezel, Cavigelli, Christ, Donatsch, Federspiel, Feltscher, Giacometti, Giuliani, Gunzinger, Hanimann, Hardegger, Hartmann, Hess, Juon, Kehl, Kessler, Loepfe, Luzio, Maissen, Marti, Nigg, Parpan, Pitsch, Portner, Righetti, Rizzi, Robustelli, Roffler, Scharplatz, Schmid (Sedrun), Schmid (Splügen), Stiffler, Suenderhauf, Telli, Toschini, Trachsel, Tremp, Tuor (Trun), Wettstein

Session: 27.11.2001
Vorstoss: dt Postulat

Antwort der Regierung

Die Notwendigkeit von Aufgaben- und Strukturreformen ist im Grossen Rat mehr-mals diskutiert worden. Anlässlich der Debatte zu Regierungsprogramm und Finanz-plan 2001 - 2004 in der Maisession 2000 stimmte der Grosse Rat einer von der Ge-schäftsprüfungskommisison eingebrachten Erklärung zu, wonach "die Notwendigkeit der bestehenden Aufgaben, Ausgaben und Stellen systematisch zumindest in Teil-projekten zu hinterfragen und dem Grossen Rat .... entsprechende Massnahmen zur Realisierung und Ausgabenreduktion zu unterbreiten" sind. Diese Erklärung zog der Grosse Rat in einer formellen Abstimmung dem Antrag Walther vor, der verlangte, "die Notwendigkeit bestehender Aufgaben, Ausgaben und Stellenbesetzungen .... systematisch zu hinterfragen und zu überprüfen". Grossrat Walther verstand seinen Antrag ausdrücklich als Aufforderung zur umfassenden Überprüfung im Gegensatz zur bloss sektoriellen, wie sie die Geschäfts-prüfungskommission und durch Be-schluss auch der Grosse Rat realisieren wollten. Die Regierung setzte in der Folge den Auftrag des Grossen Rates rasch um. Sie nahm ins Jahresprogramm 2001 die konzeptionellen Arbeiten im Hinblick auf die "systematische Überprüfung der Staats-aufgaben in bestimmten Teilbe-reichen" und ins Jahresprogramm 2002 die Umsetzung genehmigter Teilprojekte in Aussicht. Am 25. September 2001 hatte die Re-gierung nämlich 28 solche Teilprojekte zur Umsetzung empfohlen, 12 davon mit ho-her Priorität und 16 im Sinne der Erarbeitung vertiefter Entscheidungsgrundlagen. Das Sparpotenzial wurde dabei für den Zeitraum 2002 - 2006 mit ca. 13 Mio. Fran-ken beziffert. Sieben Projekte fallen in die Zuständigkeit des Volkes, fünf in diejenige des Grossen Rates und 16 in die Zuständigkeit der Regierung.

Die Aufforderung der Postulanten an die Regierung, nunmehr doch eine umfassende Aufgaben- und Strukturreform an die Hand zu nehmen, erscheint in verschiedener Hinsicht problematisch. Zunächst ist es wenig sinnvoll und für die Auftragnehmer Regierung und Verwaltung mit grossen Schwierigkeiten verbunden, wenn der Gro-sse Rat seine Reformszenarien in rascher Folge ändert. Nachdem in der Maisession 2000 eine umfassende Aufgaben- und Strukturreform ausdrück-lich abgelehnt wurde und Regierung und Verwaltung darauf unverzüglich ein arbeitsintensives Reformvor-haben auf der Grundlage von Teilprojekten an die Hand genommen haben, soll nun nach nur eineinhalb Jahren doch wieder das damals verworfene Szenario zur An-wendung gelangen. Solche "Reformwechselbäder" absorbieren grosse Perso-nalressourcen, sind wenig effizient und lassen letztlich auch eine klare Reformstra-tegie vermissen.

Die Problematik liegt im Weiteren darin, dass nur einschneidende Aufgabenreduktio-nen zu markanten Verbesserungen des Staatshaushaltes führen könnten. Zentrale Frage ist, was der Staat überhaupt zu tun hat. Trotz vieler Reformprojekte auf allen Staatsebenen konnte die Palette der Staatsaufgaben bis heute nicht entscheidend reduziert werden. Dafür gibt es mehrere Gründe: Gesetzlich gebundene Aufgaben und Ausgaben, oftmals auch durch übergeordnetes Recht, stehen raschen und in ei-nem einfachen Verfahren realisierbaren Abbaubemühungen entgegen. Unterschied-liche Interessengruppen wehren sich erfolgreich insbesondere gegen die Reduktion von staatlichen Beiträgen und Unterstützungen. Griffige Reformprogramme scheitern an gegenseitigen politischen Rücksichtnahmen. Für die Verwaltung selber ist es schwer, eigene Aufgaben nachhaltig in Frage zu stellen.

Vor diesem Hintergrund bietet die Totalrevision der Kantonsverfassung die einmalige Chance, die aus Sicht des Grossen Rates erforderlichen Reformentscheidungen zu treffen. Das Parlament hat es in der Hand, den Abschnitt über die öffentlichen Auf-gaben, der in der Vorlage der Regierung insbesondere auf die Beratungen der Ver-fassungskommission und das Ergebnis der Vernehmlassung Rücksicht nimmt, mit nachhaltiger Wirkung für die staatlichen Strukturen auszugestalten. Denn eines ist klar, die Strukturen folgen zweckmässigerweise den Aufgaben und nicht umgekehrt. Die Regierung erklärt sich denn auch ohne weiteres bereit, die aus einer allfälligen Aufgabenreduktion in der Kantonsverfassung resultierenden Struktur-konsequenzen zu ziehen. Im Rahmen der ohnehin notwendigen Anschlussgesetzgebung an die Verfassungsrevision kann die Regierung die erforderlichen Massnahmen vorschla-gen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, das der eminent politische Entscheid über umfassende Aufgabenreformen in einem bestehenden Reformvorhaben, dass jetzt in die Zuständigkeit des Parlamentes fällt, getroffen werden kann. Nachdem die Be-ratungen der Revisionsvorlage in der Vorberatungskommission bereits in der ersten Hälfte 2002 anstehen, lässt sich diese Aufgabe ohne nennenswerten Verzug lösen.

Die Postulanten und die Regierung sind sich demnach über die Handlungsnotwendigkeit einig. Einzig die Vorstellungen über den einzuschlagenden Weg weichen voneinander ab. Nachdem die Postulanten neuerlich der Regierung einen Reformauftrag im Bereich der Staatsaufgaben geben wollen, muss die Regierung das Postulat ablehnen. Ihre bisherigen Bemühungen, die staatliche Tätigkeit effizienter und damit auch kostengünstiger zu gestalten, wird sie fortsetzen. Dazu gehören ins-besondere die Umsetzung des Projektes "Überprüfung der Staatsaufgaben in bestimmten Teilbereichen", die Fortsetzung des Projektes "Überprüfung und wirkungsorientierte Ausgestaltung der Kantonsbeiträge" und die Erarbeitung der auch vom Grossen Rat geforderten integrierten Aufgaben- und Finanzplanung im Rahmen des GRiforma-Projektes. Gerade dieses letztere Projekt hat zum Ziel, Aufgaben, Fi-nanzen und Kompetenzen in Übereinstimmung zu bringen und dadurch das öffentli-che Angebot den vorhandenen Mitteln anzupassen bzw. die Mittel zur Erfüllung not-wendiger Aufgaben zu beschaffen.