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Session: 28.11.2001

In einer Rekrutenschule in der Kaserne Chur kam es im Oktober 2001 zum Eklat. Es wurde bekannt, dass der Soldat S. während mehrerer Wochen regelmässig gedemütigt und angepöbelt worden war. Die verbalen und psychischen Übergriffe gipfelten in der 14. Schulwoche in Gewaltakten bei Bonaduz. Danach rang sich S. endlich durch, dem Stabsadjutanten über sein Leiden zu berichten. In der Folge wurden auch die Medien auf den krassen Fall aufmerksam.
Gleichzeitig erliessen die militärischen Vorgesetzten einen Maulkorb. Lediglich der Schulkommandant sollte der Öffentlichkeit Auskunft geben. Gegenüber der «Tagesschau» und der «Südostschweiz» gab dieser zu bedenken, dass der Soldat S. das Seine zu den Vorfällen beigetragen habe. Es sei üblich, dass es unter den Rekruten hin und wieder zu «Abreibungen» komme. Möglicherweise hat der vorgesetzte Leutnant G. die Gewaltakte in Bonaduz sogar befohlen.

Solche Vorgänge können in keiner Art und Weise geduldet werden. Selbst wenn der Soldat S. sich ein Fehlverhalten hätte zu Schulden kommen lassen, so hätten ausreichend Möglichkeiten für disziplinarische Sanktionen bestanden. Dass es jedoch dazu nie kam, lässt darauf schliessen, dass es sich bei den Aussagen des Schulkommandanten gegenüber den Medien um reine Schutzbehauptungen handelt, die nur dazu dienen, das eigene Versagen zu kaschieren.
Gemäss seiner Schilderung wurde der Soldat S. mehrfach kollektiv geschlagen. In Bonaduz wurde er sogar vor den Augen des Leutnants an ein Fahrzeug gefesselt und geprügelt. Solche Übergriffe sind ungeheuerlich und müssen ein für allemal abgestellt werden. Gerade in der militärischen Schulung sind keinerlei Gewalttätigkeiten zu dulden. Vorgesetzte müssen jederzeit in der Lage sein, mit den ihnen anvertrauten Rekruten korrekt umzugehen. Fehlbare Führungskräfte, die ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und sogar noch zur Eskalation von Spannungen beitragen, müssen umgehend ersetzt und zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Regierung wird eingeladen, die folgenden Fragen zu beantworten:

1. Ist die Regierung auch der Meinung, dass solche Gewalt, wie vorstehend geschildert, in keiner Weise zu tolerieren ist?
2. Wie wertet die Regierung die Aussagen des Schulkommandanten: "In der Armee ist es gang und gäbe, dass Soldaten eine Abreibung abbekommen." Sowie: "Dass den Kameraden irgendwann der Kragen geplatzt sei, könne er verstehen."?
3. Wird die Haltung des Schulkommandanten als Ausbildner von militärischem Nachwuchs von der Regierung noch als tragbar beurteilt?
4. Werden die Offiziere und die Schulkommandanten in der Ausbildung psychologisch geschult? Wenn ja, hat diese versagt? Wenn nein, wo ist diese psychologische Schulung vorgesehen?
5. Haben die Vorfälle Auswirkungen auf die weitere militärische Karriere des Schulkommandanten?
6. Ist die Regierung bereit, dem Opfer seitens des Kantons mit Rat und Tat und eventuell auch finanziell beizustehen?

Chur, 28. November 2001

Name: Schmutz, Trepp, Looser, Arquint, Meyer, Noi, Pfenninger, Schütz

Session: 28.11.2001
Vorstoss: dt Interpellation

Antwort der Regierung

Die Übergriffe gegen Rekrut S. im Oktober 2001 bei Bonaduz können in keiner Wei-se toleriert werden. Vor allem dürfen die Vorgesetzten in einer Rekrutenschule sol-che Vorkommnisse nicht dulden.

Der Kommandant der Geb Inf RS in Chur erfuhr von den Übergriffen am Abend des-selben Tages und hörte erstmals von den Problemen des Rekruten S. mit seinen Kameraden. Der Schulkommandant reagierte in der Folge sofort, indem er den Zug-führer isolierte und anderntags aus der RS entliess. Am folgenden Tag wurde auch die ganze Schule über das Ereignis informiert. Es wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass solche Handlungen in keiner Weise toleriert werden. Die an den Übergriffen beteiligten Rekruten wurden disziplinarisch bestraft. Gegen den Zug-führer wurde ein militärgerichtliches Verfahren eingeleitet, das zur Zeit noch nicht abgeschlossen ist. Der Schulkommandant hat mit seinem unverzüglichen und kon-sequenten Vorgehen klar zum Ausdruck gebracht, dass er solche Handlungen nicht duldet.

Es ist bekannt, dass es in Rekrutenschulen ab und zu zu Abrechnungen kommt. Dies ist indessen nicht in erster Linie ein Problem der Rekrutenschulen, sondern vielmehr ein gesellschaftliches Problem. Eine anfangs Dezember 2001 veröffentliche Studie hat gezeigt, dass rund 1,5 % der Jugendlichen gewaltbereit sind. Diese Bereitschaft bringen sie leider auch in die Rekrutenschule mit.

Die in der Interpellation gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden.

1. Die Regierung teilt die Meinung der Interpellanten, dass solche Gewalt nicht zu tolerieren ist und dass alles unternommen werden muss, um derartige
Übergriffe zu unterbinden.

2. Die in den elektronischen Medien aufgezeichneten Äusserungen des Schul-kommandanten belegen, dass in den Zeitungen nicht alle Zitate korrekt wie-dergegeben wurden. Mit der Bestrafung aller Beteiligten hat der Schulkom-mandant unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er solche Handlun-gen nicht toleriert.

3. Die Kommandanten der Infanterie-Rekrutenschulen werden vom Direktor des Bundesamtes für Kampftruppen nach Rücksprache mit dem Chef Heer er-nannt. Der Direktor des Bundesamtes für Kampftruppen hat deshalb zu beur-teilen, ob der Schulkommandant von Chur als Ausbildner von militärischem Nachwuchs noch tragbar ist. Nach Rücksprache mit dem erwähnten Direktor und aufgrund der Akten sieht die Regierung allerdings keinen Grund für Massnahmen der zuständigen Bundesstellen gegen den Schulkommandan-ten.

4. In den Schulen aller Kaderstufen, insbesondere auch in den Offiziersschulen werden die Kader psychologisch geschult. Die so Ausgebildeten haben so-dann - wie in anderen Lebensbereichen - das theoretische Wissen in geeigne-ter Form in der Praxis anzuwenden. Dabei kann es - wie überall - zu Fehlein-schätzungen und falschem Verhalten kommen.

5. Die höheren Stabsoffiziere werden vom Bundesrat ernannt und befördert. Bundesstellen bestimmen die Kommandanten der Infanterie-Rekrutenschulen. Diese (Bundes-) Instanzen sind auch für die weitere militärische Karriere des Schulkommandanten zuständig. Die Regierung kann dazu nicht Stellung nehmen. Immerhin ist aber unter Hinweis auf die Antwort zur dritten Frage festzustellen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Vorkomm-nisse bei Bonaduz für die militärische Karriere des Schulkommandanten nach-teilig sein könnten.

6. Es ist nicht Aufgabe des Kantons, für Militärdienst Leistende Opferhilfe anzu-bieten. Hierfür ist der Bund zuständig. Allerdings müssen auch die Institutio-nen des Bundes das Ergebnis der militärgerichtlichen Untersuchung abwarten, um sich ein ganzheitliches Bild verschaffen zu können.