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Session: 14.06.2003
Warum einen Antrag auf Direktbeschluss?
In der heutigen prekären finanziellen Situation des Kantons Graubünden ist auch der Grosse Rat gefordert, nach kreativen Lösungen zu suchen, um unsere Situation zu verbessern. Bildung ist eines der wichtigsten Güter, die wir pflegen und fördern müssen, nicht zuletzt mit Stipendien um eine bessere Chancengleichheit für unsere Kinder zu erreichen.
Hier liegen seit Jahren Millionen von Franken brach, die längstens unserer Jugend in Form von Stipendienhilfen zu gute kommen hätten sollen. Der gordische Knoten konnte bisher auch nach 40 Jahren Juristerei noch nicht gelöst werden.
Das beim Tode von Christian Schmid vor 40 Jahren geschätzte Vermögen von 120 Mio. Franken ist, statt mit Zinseszinsen anzuwachsen, bereits 1994 beim beinahe geglückten Abschluss, zwischen dem damaligen von Amtes wegen amtierenden Präsidenten des Christian Schmid Fonds, Altregierungsrat Brändli und H.W. Kopp, als Verteter der Erben, auf ca. 80-90 Mio. Franken abgesunken. Für die Regierung ist es unbestrittenermassen sehr schwierig, selbst eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, da sie auf Grund zwar schon weit zurückliegender Ereignisse in den Fall Schmid involviert war und heute noch auf Grund der Stiftungsurkunde des Christian Schmid Fonds im Fall Schmid von Amtes wegen tätig sein muss.
Die Unterzeichnenden schlagen nun mit der Zielsetzung, die juristischen Streitigkeiten nach 40 Jahren zu beenden und die für den CSF vorgesehenen Gelder endlich vollumfänglich nutzbar zu machen, folgendes Vorgehen vor:

Einsetzung einer Grossrätlichen Kommission mit folgender Aufgabe:

1. Ausarbeitung eines Berichtes unter Beizug von unabhängigen Experten (Historiker, Juristen, Ökonomen, usw.)

2. Regelung eines uneingeschränkten Akteneinsichtsrechts

3. Erstellung eines Kostenvoranschlages für die Erarbeitung des Berichtes

4. Formulierung eines Antrages an den Grossen Rat innert spätestens zwei Jahren nach Auftragserteilung an die Experten

Zum Besseren Verständnis einiges zur Vorgeschichte (Zusammenfassung aus verschiedenen Presseartikeln)

Wer war Christian Schmid?
Christian Schmid (1886-1962), Fuhrhaltersohn aus Splügen, stieg früh zum Grossindustriellen mit bedeutenden Textilunter-nehmen (S.A.Schmid) in Italien auf. Er heiratete die Baslerin Bertha Pauline Blaser, bedeutende Aktionärin der damaligen CIBA (heute Novartis). Christian Schmid gehörte fast 40 Jahre lang dem CIBA-Verwaltungsrat an.
Er profitierte auch von seiner persönlichen Freundschaft zum Faschisten Benito Mussolini, den er noch vor dessen Hinrich-tung in seiner Villa bei Como versteckt haben soll. Danach drohte ihm jahrelang die Verhaftung in Italien wegen Kollaborati-on und unerlaubter Kriegsgewinne. Umstritten ist, ob Schmid auch Fluchtgelder von Mussolini zurückbehielt. Sein riesiges Vermögen verschob der kinderlose Schmid schon zu Lebzeiten am Fiskus vorbei in seine Liechtensteiner Familienstiftung Crisanus. Mit dem „Stiftungszweck“, dem Stifter und seiner Frau einen „anständigen Lebensunterhalt" zu ermöglichen.

Seit 40 Jahren wird um das Millionerbe des umstrittenen Bündner Industriellen Christian Schmid gerungen.
Wenn der Kriminologe Mark Pieth, Ordinarius für Strafrecht an der Universität Basel und Präsident der OECD-Kommission gegen Korruption von einem „in mancher Hinsicht brisanten Fall“ spricht, sollten eigentlich die Alarmglocken läuten. Ende 2000 wollte er als Mediator vermitteln, doch seine Einladung zum „Runden Tisch“ in Sachen Christian-Schmid-Fonds wurde von wichtigen Schlüsselfiguren ausgeschlagen..
Vordergründig geht es um das beim Tode Schmids auf 120 Millionen Franken geschätzte Erbe, um das seit Jahrzehnten ge-stritten wird. Wieviel Millionen es tatsächlich sind, weiss Hugo von der Crone, ehemaliger Generaldirektor der Schweizeri-schen Kreditanstalt (heute CS Group)und Liquidator der anonymen Crisanus-Familienstiftung in Vaduz. Doch von der Crone hält sich bedeckt: „Ich gebe dazu keinen Kommentar.“
Die Crisanus wurde 1937 in Liechtenstein als Steuerschlupfloch für den millionenschweren Bündner Unternehmer und Financier Christian Schmid eingerichtet. Letztlich soll der Crisanus-Erlös in den Bündner Christian-Schmid-Fonds fliessen.
Das vorläufige Nein zum „Runden Tisch“ bei Pieth könnte sich schon bald rächen. Nachdem Prozess-Forderungen an eine amerikanische Gesellschaft abgetreten wurden, droht ein Verfahren im internationalen Blitzlicht der US-Gerichte. Und das könnte weit über den konkreten Fall hinaus die Finanzplätze Schweiz und Liechtenstein zusätzlich in Bedrängnis bringen.
Am Pranger stehen nämlich generell die auch von vielen Schweizer Banken und Treuhändern benutzten anonymen Stiftungen im Ländle, die häufig der systematischen Steuerhinterziehung, der Geldwäsche und dem Erbschwindel dienen. „Sowohl in der EU als auch in der OECD wetzt man dagegen das Messer,“ warnt Mark Pieth. Er sieht das „System Schweiz-Liechtenstein der letzten 40 Jahre in Frage gestellt.“
Schmid versuchte einst mit allen Mitteln, der Besteuerung zu entgehen. Nicht nur über seinen Briefkasten in Liechtenstein. Wie ungeniert er dabei seine wirtschaftliche Macht nutzte, illustriert exemplarisch sein Deal mit St.Moritz. Dort hatte er sich die Villa Oberalpina samt 230 000 Quadratmeter Land als Wohnsitz gekauft. Als die Gemeinde ihn besteuern wollte, drohte er erst mit Wegzug und der Sperre einer Skiabfahrt. Schliesslich einigte man sich auf eine freiwillige „Pauschalsteuer“ von 10'000 Franken, dekorierte ihn gar zum Ehrenbürger und Schmid stellte das Ski-Terrain gegen die symbolische Summe von einem Franken jährlich zur Verfügung.
Der „Beobachter“ schrieb damals von der „Bananenrepublik Graubünden“ (8/1968) und machte den Bündner Filz in Sachen Schmid mehrfach zum Thema. Schliesslich wurde einem der Schmid-Spezis das Naheverhältnis auch zum politisches Ver-hängnis: Der Bündner Regierungsrat Heinrich Ludwig, Rechts-und Steuerberater von Schmid, hatte während seiner Amtszeit nicht nur namhafte Honorare seines Mandanten kassiert, sondern auch erfolgreich gegen die Besteuerung des Nachlasses in der Schweiz interveniert. Ludwig zog die Konsequenzen und trat als Regierungsrat zurück.
„Falls das von Schmid gegenüber den Steuerbehörden praktizierte Verhalten allgemein üblich wäre, würde dies die finanziel-len Grundlagen der Schweiz und die Rechtsgleichheit in Steuersachen in Frage stellen,“ urteilte das Appelationsgericht Basel-Stadt über das Schmidsche Kapital-Asyl. Die Basler Richter kritisierten die Bündner Behörden massiv: „Es bleibt das ungute Gefühl, dass die Aufdeckung der Wahrheit verhindert werden soll.“ Das Urteil blieb aber letztlich ohne Konsequenzen.

Ein Stipendien-Fonds als Lockmittel
Die pflegliche Behandlung Schmids in Graubünden war wohl Vorleistung für den Jackpot, den er dem Kanton nach seinem Tod versprach. Laut Testament kommt ja der Grossteil seines Vermögens dem Christian Schmid-Fonds zugute. Die natürli-chen Erben setzte er auf den Pflichtteil.
Vor allem die sexistischen Kriterien für den Fond sorgen seit Jahren für Gesprächsstoff: Ausgeschüttet werden Stipendien an „intelligente und fleissige Kinder männlichen Geschlechts und evangelischer Konfession“, die aus „Gemeinden des Kantons Graubünden oberhalb 800 Meter oder aus Malans“ stammen. Gemäss Statuten ist der jeweilige Vorsteher des Bündner Erzie-hungsdepartements, soweit nicht katholisch, Stiftungspräsident des Christian Schmid Fonds. Ansonsten ist es ein reformierter Stellvertreter des Erziehungschefs.
Die Rechtskonformität des Fonds ist zumindesten umstritten, auch die Bündner Regierung hat schon informell signalisiert, dass sie bereit wäre, bei einem Abschluss der Streitigkeiten, die Stiftungsurkunde den heutigen Erfordernissen anzupassen. Der Fonds vergibt rund 300'000 Franken jährlich und verfügt zurzeit über ca.zwei Millionen Franken Stiftungsvermögen.

Prozesslawine ohne Ende
Der komplexe Rechtsstreit um den Schmid-Nachlass dauert nun bald 40 Jahre. Zurzeit läuft ein Verfahren wegen Aufhebung der amtlichen Erbschaftsverwaltung. Grundsätzlich geht es indes darum, wer überhaupt erbberechtigt ist und vor allem um die Ansprüche an die Crisanus-Stiftung, wo ja der Grossteil des Vermögens gebunkert wird.
Erich Diefenbacher, langjähriger Anwalt der Pflichtteil-Erben, hat sein Mandat an eine Anwaltskanzlei in Kreuzlingen abge-geben. Diese Seite fordert für ihre Klientel einen Anteil an den Crisanus-Millionen, was die Stiftung durch alle Instanzen sowohl vor Schweizer als auch italienischen Gerichten bisher erfolgreich abgeblockt hat. Diefenbacher, mittlerweile 75-jährig und ein Rotes Tuch für seine Kontrahenten, glaubt zu wissen warum: „Ein Urteil zu unseren Gunsten gegen die Crisanus-Stiftung wäre ein Präjudiz mit weitreichenden Folgen.“ Denn zahlreiche „Christian Schmids“ hätten mit Hilfe von Banken und Treuhändern enorme Summen auf anonymen Stiftungen in Liechtenstein angelegt, um sie vor dem Fiskus aber auch den Erben verschwinden zu lassen, fügt er an.
Diefenbacher hat das Vertrauen in die Schweizer Justiz verloren: „Kommt es nicht bald zu einer gütlichen Einigung, werden amerikanische Gerichte urteilen.“ Diefenbacher promovierte nebenbei vor 50 Jahren zum Doktor der Rechte an der Juristi-schen Fakultät der Universität Basel, von der er am 8. Mai dieses Jahres in einem Brief Glückwünsche für sein rechtliches Vor-und Mitdenken und seinen Beitrag zum Wohlergehen von Staat und Gesellschaft über die Gegenwart hinaus, erhielt.
Näher anschauen wird den Fall Schmid auch die am 17.Okt 2001 gesetzlich verankerte liechtensteinische Historikerkommis-son, die sich so ihr Präsident Peter Geiger - vor allem für „Art und Umfang von Schmids Geschäftsbeziehungen zum faschi-stischen Regime Mussolinis und dem Nationalsozialismus“ interessiert.
Soweit kurz zusammengefasst die Vorgeschichte

Chur, 14. Juni 2003

Name: Trepp

Session: 14.06.2003
Vorstoss: dt Direktbeschluss