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Session: 19.04.2005
Die medizinische Versorgung in den Randregionen stützt sich auf vier Dienstleistungen ab:
1) Die Präsenz des Arztes vor Ort
2) Das Angebot an Pflegeheimen in den Regionen
3) Spitex
4) Der Rettungsdienst.

In den Randregionen Graubündens und vieler anderer Kantone die zahlreichen Medienberichte bestätigen es haben immer mehr Arztpraxen Schwierigkeiten, die Nachfolge zu regeln. Während längerer Zeit bleiben manche Regionen ohne eigenen Arzt oder die Versorgung muss durch Ärzte aus der Nachbarschaft gewährleistet werden, was aber nicht in allen Fällen möglich ist.

Allgemein bekannt sind die Fälle von Tiefencastel, Bergün und Arosa. Auch das obere Misox musste, erstmals seit hundert Jahren, infolge des Hinschieds des zuständigen Arztes, fast ein Jahr warten, bis ein Nachfolger gefunden werden konnte, der bereit war, diese ländliche Praxis zu übernehmen. Die verwaisten Arztpraxen in entlegenen Gebieten sind offensichtlich nicht mehr attraktiv.

Dafür sind verschiedene Ursachen verantwortlich:

Zunächst handelt es sich um eine Tätigkeit, welche Präsenz praktisch rund um die Uhr verlangt, der Pikettdienst übersteigt oft das annehmbare Mass und das Familienleben leidet unter dem ständigen Einsatz. Auch ist die ärztliche Tätigkeit in den Randregionen finanziell weniger interessant als jene der Spezialärzte in den Zentren.

Ausserdem unterscheidet sich auch der Durchschnittspatient von jenem städtischer Gebiete. Die Überalterung der Bevölkerung, wie sie aus dem Bericht des Kantons über die Planung der Betagtenpflege hervorgeht, verlangt erhöhte ärztliche Pflege und den vermehrten Einsatz von Medikamenten.
Die Präsenz des Hausarztes in den Talschaften verleiht der Bevölkerung Schutz und Sicherheit und leistet einen Beitrag zum Erhalt der Bevölkerung.

Die Garantie der ärztlichen Versorgung in den Randgebieten ist somit ein Recht der Bevölkerung und eine Pflicht der Regierung.

Deshalb stellen wir der Regierung die folgenden Fragen:

1) Der Regierung ist die beschriebene Situation selbstverständlich bekannt. Was gedenkt sie zu unternehmen, um die ärztliche Versorgung auch in den Randregionen sicher zu stellen?

2) Um die Hospitalisierung und die frühzeitige Einweisung in Pflegeheime zu reduzieren, wurde die Spitex geschaffen. Zur Vermeidung zusätzlicher Kosten und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, verzichtet der Arzt oft darauf, für seine Patienten diese nützliche und unersetzliche Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Ausserdem besteht auch zunehmend politischer Druck gegenüber Spitex. Wie kann diesen Tendenzen begegnet werden und der vernünftige Einsatz von Spitex gesichert werden?

3) Wegen der Überalterung der Bevölkerung und dank Spitex sind die früheren Altersheime zu Pflegeheimen für chronischkranke Patienten geworden. Die Folgen sind erhöhte ärztliche Pflege und vermehrter Medikamenteneinsatz in den Pflegeheimen. Wie kann das Problem der erhöhten Kosten für Pflege und Medikamente in den Pflegeheimen gelöst werden?

4) Was schliesslich gedenkt die Regierung in jenen Regionen zu unternehmen, in den kein Arzt mehr zur Verfügung steht? Denkt er daran, das Wartgeld für Ärzte wieder einzuführen oder sieht er andere, effizientere Lösungen vor?

Chur, 19. April 2005

Name: Pedrini, Keller, Noi, Casty, Fasani, Giovannini, Gredig, Mani-Heldstab, Plozza, Quinter, Righetti, Schütz, Zanetti

Session: 19.04.2005
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

In den bevölkerungsreichen Regionen des Kantons ist die ärztliche Grundversorgung wie auch der ärztliche Notfalldienst sichergestellt. Anders sieht die Situation in den Randregionen und insbesondere in den Regionen, in denen nur ein Arzt die Versorgung der ganzen Talschaft übernimmt, aus. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Problematik, dass sich nicht ausreichend Schweizer Ärztinnen und Ärzte finden lassen, die bereit wären, in den abgelegenen Talschaften eine Arztpraxis zu übernehmen oder zu eröffnen, nicht neu ist.
Interessenten geben für den Verzicht auf die Übernahme einer Talarztpraxis insbesondere die zu hohe Präsenzzeit in der Praxis, den "geringen" Verdienst, die fehlenden Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die langen Distanzen in die Zentren wie Zürich oder St. Gallen, das fehlende Kulturangebot, die fehlende Bereitschaft der Lebenspartnerin bzw. des Lebenspartners, in den Bergen zu wohnen, und den hohen Übernahmepreis der bestehenden Arztpraxen an.

Für die Tatsache, dass immer weniger Ärztinnen und Ärzte als Grundversorger tätig sind, gibt es mehrere Gründe. So absolvieren aufgrund der Einführung des Numerus clausus im Jahre 1998 weniger Personen ein Medizinstudium. Auch verbleiben Ärztinnen und Ärzte immer häufiger über die vorgeschriebene Weiterbildungstätigkeit hinaus in den Spitälern. Der Facharzttitel "Allgemeinmedizin" wird immer weniger erworben. Die Ärztinnen und Ärzte ziehen es vor, einen spezialisierten Facharzttitel zu erwerben. Schliesslich übernehmen vor allem Frauen häufig lediglich ein Teilzeitpensum.

Beantwortung der Fragen

1. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes über das Gesundheitswesen des Kantons Graubünden obliegt die örtliche öffentliche Gesundheitspflege und damit die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung der Bevölkerung den Gemeinden. Die Gemeinden lösen diese Aufgaben in aller Regel im Rahmen einer Gemeindeverbindung.
Indem im Rahmen der Neukonzeption der Spitalversorgung nach dem Willen der Regierung keine Spitäler geschlossen werden sollen, ist die medizinische Versorgung im ganzen Kanton gewährleistet. Wollen einzelne Gemeinden oder Regionen eine dichtere ärztliche Versorgung, so haben sie die entsprechenden Mehrkosten zu übernehmen.

2. Die Regierung hat keine Anhaltspunkte, dass Ärzte zur Vermeidung zusätzlicher Kosten ihren Patienten und Patientinnen Spitexleistungen vorenthalten. Gemäss den vom Gesundheitsamt erhobenen Daten der Spitexorganisationen lassen sich die im Kanton Graubünden bezogenen Spitexleistungen durchaus mit denjenigen anderer Kantone vergleichen. Deshalb kann auch davon ausgegangen werden, dass Patientinnen und Patienten Spitexleistungen bedarfsgerecht erhalten.

3. In den letzten Lebensmonaten fallen erfahrungsgemäss die höchsten Kosten für medizinische Leistungen an, unabhängig davon wie alt eine Person ist. Es ist nicht die steigende durchschnittliche Lebenserwartung, die höhere Kosten verursacht, sondern die Tatsache, dass in den kommenden Jahrzehnten die geburtenstärksten Jahrgänge ans Ende ihres Lebens kommen.

4. Die Regierung geht davon aus, dass die öffentlich subventionierten Spitäler in der Lage sind, die medizinische Versorgung der Bevölkerung in allen Regionen des Kantons sicherzustellen.
Da im Rahmen der Struktur- und Leistungsüberprüfung zur Sanierung des Kantonshaushaltes mit Volksbeschluss vom 30. November 2003 die Beiträge des Kantons an Arztwartgelder und an Arzthäuser gestrichen wurden, ist es Sache der Gemeinden, Pikettdienstentschädigungen oder Wartgelder in Regionen mit geringer Notfallarztdichte auszurichten. Es entspricht nicht dem politischen Willen, frei praktizierende Ärzte finanziell durch den Kanton zu unterstützen. Die Regierung vertritt deshalb die Auffassung, dass auch in Zukunft keine kantonalen Wartgelder für Ärzte in abgelegenen Regionen ausgerichtet werden sollen.

Datum: 6. Juli 2005