Vor über drei Jahren wurde bekannt, dass zwei Dozenten und Direktionsmitglieder der HTW Chur ihrer Funktion enthoben wurden; u..A. wegen angeblichen finanziellen Unregelmässigkeiten; es wurde eine Strafanzeige eingereicht. Vor wenigen Wochen wurde nun bekannt, dass die Untersuchungen eingestellt wurden.
Die Frist bis zum Abschluss der Untersuchungen ist mit deutlich über zwei Jahren sehr lang. Diese lange Bearbeitungszeit stellte vor allem für die beiden Dozenten eine enorme psychische Belastung dar und war auch wirtschaftlich mit grossen Nachteilen verbunden, denn ihre beruflichen Möglichkeiten waren dadurch über Jahre schlichtweg blockiert; sie war aber auch für die Organe und die Verwaltung der HTW mit Belastungen und Nachteilen verbunden. In diesem Zusammenhang stellen wir deshalb folgende Fragen an die Regierung:
1. Wie beurteilt die Regierung die Dauer dieser Abklärungen ?
2. Teilt die Regierung die Ansicht, dass die Bearbeitungszeit bei Strafanzeigen mit Blick auf die grosse psychische und wirtschaftliche Belastung der Betroffenen so kurz wie nur möglich sein sollte ?
3. Was gedenkt die Regierung zu tun, um sicherzustellen, dass diese Bearbeitungsfristen drastisch verkürzt werden ?
Chur, 19. April 2005
Name: Wettstein, Schmid, Augustin, Barandun, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Bucher-Brini, Bühler, Büsser, Cavegn, Caviezel (Pitasch), Christoffel, Feltscher, Frigg, Giacometti, Giovannini, Hess, Jäger, Kessler, Krättli-Lori, Luzio, Mani-Heldstab, Marti, Meyer-Grass (KIosters), Meyer Persili (Chur), Noi, Parolini, Parpan, Pedrini, Perl, Pfister, Rizzi, Sax, Schütz, Stiffler, Telli, Tomaschett, Tremp, Trepp, Zindel, Bezzola, Buchli, Caviezel (Chur), Foffa, Gubelmann, Hartmann (Chur), Pool, Zehnder
Session: 19.04.2005
Vorstoss: dt Anfrage
Antwort der Regierung
Das Beschleunigungsgebot verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden, ein Strafverfahren ab dem Zeitpunkt, in welchem der Angeschuldigte darüber in Kenntnis gesetzt wurde, mit der gebotenen Beförderung zu behandeln. Angeschuldigte sollen nicht länger als nötig den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt sein. Die Frist, deren Angemessenheit zu beachten ist, beginnt mit der Mitteilung der zuständigen Behörde an den Betroffenen, dass ihm die Begehung einer Straftat angelastet werde, und endet mit dem letztinstanzlichen Sachurteil (BGE 117 IV 124). Welche Verfahrensdauer angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Kriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer bilden die Schwere des Tatvorwurfes, die Komplexität des Sachverhaltes, die dadurch gebotenen Untersuchungshandlungen, das Verhalten des Angeschuldigten sowie Verzögerungen durch die Behörden.
1. Die am 14. November 2002 vom Hochschulrat der HTW bei der Staatsanwaltschaft eingereichte Strafanzeige nannte namentlich keine Verdachtspersonen. Unter Hinweis auf einen Bericht der Finanzkontrolle wurde ersucht, zu klären, "ob sich jemand eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht" habe. Das in der Folge im Jahre 2003 unter Mitwirkung eines Untersuchungsrichters geführte Ermittlungsverfahren schloss die Polizei anfangs 2004 mit einem 28-seitigen Bericht ab. Am 29. März 2004 entschied die Staatsanwaltschaft, ein Strafverfahren wegen Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Urkundenfälschung zu eröffnen. Im Herbst 2004 nahm sie die Angeschuldigten untersuchungsrichterlich ein und orientierte sie offiziell über die Straftaten, deren sie verdächtigt wurden. Am 10. März 2005 wurde das Verfahren unter teilweiser Überbindung der Kosten an die Angeschuldigten eingestellt. Die Einstellungsverfügung ist in Rechtskraft erwachsen. Inzwischen waren die Akten auf sechs Ordner angewachsen. Zwischen der Information über die Eröffnung des Verfahrens und dessen Einstellung lag somit rund ein halbes Jahr.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Frist, deren Angemessenheit für die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu beachten ist, bereits mit dem Einreichen der Strafanzeige oder jedenfalls aufgrund der Presseberichte zu laufen begann, ist das Beschleunigungsgebot nicht verletzt worden. Der Tatvorwurf war schwer (Direktionsmitglieder einer staatlich subventionierten Hochschule hätten "schwarze Konten" geführt), der Sachverhalt sehr komplex und die Zahl der involvierten Amtsstellen sowie natürlichen und juristischen Personen gross.
2. Die Regierung teilt die Meinung, dass das Beschleunigungsgebot ein wichtiger Grundsatz eines Strafverfahrens ist und die Bearbeitungszeit von Strafverfahren so kurz wie möglich gehalten werden muss. Andererseits sind die Untersuchungen objektiv, unabhängig und umfassend zu führen. Es sind alle Beweise zu erheben, die für die Schuld und die Unschuld der angeschuldigten Personen sprechen. Die bündnerische Strafprozessordnung kennt das Opportunitätsprinzip nicht. Für die Regierung ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die getätigten polizeilichen und untersuchungsrichterlichen Ermittlungshandlungen als nicht notwendig oder als unangemessen zu qualifizieren wären.
3. Die Regierung hat keine Anhaltspunkte, dass das Beschleunigungsgebot im vorliegenden Fall verletzt wurde. Ausser einer generellen Sensibilisierung in Bezug auf die Verfahrensdauer sieht die Regierung keinen Handlungsbedarf. Es sei an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Sparmassnahmen auch bei der Staatsanwaltschaft verschiedene Stellen abgebaut worden sind und heute deshalb weniger Mitarbeitende mehr Fälle zu bearbeiten haben.
Datum: 16. Juni 2005