Im Bericht des Bundesrates “Weniger Bürokratie im Steuersystem“ vom September 2004 gibt der Bundesrat zu bedenken, dass es nicht zu übersehen sei, dass der geplante neue Lohnausweis vermehrte Belastung mit sich bringt. Die geplante Einführung des Neuen Lohnausweises steht somit in einem diametralen Widerspruch zum Bericht des Bundesrates und zur grundsätzlichen Auffassung der Regierung, wonach die KMU von Administrationsaufgaben zu entlasten und nicht zu belasten seien.
Eine solch widersprüchliche Haltung wirkt politisch unglaubwürdig. Zudem zeigte gerade die Einführung der Mehrwertsteuer, welche im Jahr 1995 als einfach zu handhabende Konsumsteuer gepriesen worden war, wie durch die nachträgliche Anhäufung von komplizierten und schwer verständlichen Regelungen die administrativen Hürden für die betroffenen Unternehmen kaum mehr zu bewältigen sind. Dieselbe Gefahr der Ausweitung der Vorschriften besteht auch beim Neuen Lohnausweis. Es ist deshalb vernünftig, dass vor seiner Einführung des NLA eine Testphase durchgeführt wird. Dabei muss klargestellt werden, dass der Aufwand nicht im Ausfüllen des Lohnausweis-Formulars besteht, sondern in der Aufbereitung, Bereitstellung und Beurteilung von Daten, die anschliessend aus der Buchhaltung auf den Neuen Lohnausweis übertragen werden müssen. Wäre dieser Aufwand nicht wesentlich grösser als von den Steuerverwaltungen angenommen, würden heute alle Unternehmungen, die Interesse zeigten, über die entsprechenden EDV Programme verfügen. Tatsache ist aber, dass diese Programme erst ab Juli/August 2005 einsatzfähig sein werden. Zudem liegt das definitive Konzept des Pilotprojektes wie es die Regierung in Beantwortung meiner Anfrage vom Oktober 2004 umschrieben hat, dem Vernehmen nach noch nicht vor, was wiederum die Rekrutierung von Testfirmen verunmöglicht.
Ein Pilotprojekt im Schnellzugstempo macht keinen Sinn. Die Durchführung braucht angemessene Fristen. Der Test kann in der zweiten Hälfte 2005 durchgeführt werden. Dies hätte den zusätzlichen Vorteil, dass die Jahresendzahlungen (13. Monatslohn, Boni, Verwaltungsentschädigung, usw.) berücksichtigt werden könnten. Ab Anfang 2006 kann eine gründliche Evaluation ausgearbeitet werden. Im Laufe des Jahres 2006 bleibt genügend Zeit für allfällige Korrekturen und Anpassungen.
Dieser Zeitplan muss zwangsläufig zu einer Verschiebung der von der SSK beschlossenen generellen Einführung des NLA führen. Der Aufschub ist unerlässlich, um eine sorgfältige Durchführung des Pilotprojekts sicherzustellen und letztlich einen reibungslosen Übergang zum neuen Lohnausweis zu garantieren.
Wegen der steigenden Komplexität der Vorschriften werden den Arbeitgebern bzw. den für den Lohnausweis verantwortlichen Personen unweigerlich Fehler passieren, die zu einer Kriminalisierung der Arbeitgeber und dessen Personal führen wird, Dies auch dann, wenn die Fehler nicht absichtlich passiert sind.
Die Steuerbehörden haben bei der Beurteilung von Leistungen, die im Lohnausweis deklariert waren, bisher eine liberale Verwaltungspraxis im Wissen darum angewendet, dass bestimmte Gehaltsnebenleistungen und Spesenaufwendungen steuerlich nicht erfasst wurden. Diese steuerlichen Freistellungen entsprachen einer langjährigen Usanz und sind mit dem Ausnahmekatalog in den ausgehandelten Vorschriften zum Neuen Lohnausweis vergleichbar. Somit geht es vorliegend nicht um die Wiederherstellung von Steuergerechtigkeit, wie dies immer wieder in den Vordergrund gestellt wird, denn krasse Verstösse können bereits heute ohne den Neuen Lohnausweis wirksam bekämpft werden. Ist es denn steuergerecht, dass Verheiratete seit Jahrzehnten gegenüber Konkubinatspaaren benachteiligt werden? Ist es denn steuergerecht, wenn ausländische Staatsangehörige von der Besteuerung nach dem Aufwand profitieren können, Schweizer Bürger dagegen nicht. Steuergerechtigkeit kann nicht das Motiv dazu sein, einen Neuen Lohnausweis einführen zu wollen.
Es könnte durchaus eintreffen, dass nicht alle Kantone den Neuen Lohnausweis einführen werden. Zudem sind auch auf Bundesebene Anstrengungen im Gange, die eine überhastete Einführung verhindern wollen. Dem Vernehmen nach werden auch einige Kantone Abweichungen zur SSK-Lösung beschliessen bzw. sind daran, Inititativen zu lancieren, die verlangen, dass die geltende Praxis auch zu geltendem Recht erklärt wird. Damit können sie sich Standortvorteile sichern. Graubünden würde einmal mehr ins Hintertreffen gelangen. Die Regierung kommt ihrer politischen Führungsverantwortung nicht nach und vergibt sich zudem die Möglichkeit, im interkantonalen Verhältnis ein Zeichen zu setzen, wenn sie jetzt voreilig einer nicht demokratisch gewählten Verwaltungsbehörde folgt und deren Formular zum Nachteil der eigenen Wirtschaft und deren Arbeitnehmenden übernimmt.
In diesem Sinne wird die Regierung beauftragt, Voraussetzungen zu schaffen, dass die Einführung des Neuen Lohnausweises zurückgestellt wird, bis er auf eidgenösssicher und interkantonaler Ebene seine Tauglichkeit unter Beweis gestellt hat.
Chur, 19. April 2005
Name: Augustin, Stiffler, Kessler, Bär, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Büsser, Casty, Cavigelli, Claus, Crapp, Donatsch, Janom Steiner, Krättli-Lori, Luzio, Marti, Parpan, Portner, Quinter, Telli, Tuor, Wettstein, Zanolari, Zegg, Bezzola
Session: 19.04.2005
Vorstoss: dt Auftrag