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Session: 13.06.2007
In den letzten Wochen und Monaten wird auch in unserem Kanton von der Existenz von potenzialarmen und potenzialreichen Gebieten gesprochen. Dabei ist auffallend, wie unterschiedlich der Begriff der potenzialarmen Räume erklärt und verstanden wird. Die Bevölkerung solcher Gebiete wird durch diese Diskussionen stark verunsichert. Man überlegt sich zweimal, ob man in einem solchen Gebiet eine Anstellung annimmt, ein Eigenheim oder aber auch einen Gewerbebetrieb realisieren soll. Die Verunsicherung geht soweit, das gefragt wird, ob und wie lange noch der Kanton bereit ist, an die Existenzsicherung in den potenzialarmen Gebieten beizutragen.

Besorgt um diese Entwicklung bitten wir die Regierung, zu nachfolgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Kann die Regierung verstehen, dass die ländliche Bevölkerung durch die Diskussionen um die neue Regionalpolitik um potenzialarme Gebiete und die unzähligen „Avenir-Suisse-Forderungen“ verunsichert wird?

2. Gibt es überhaupt potenzialarme Räume und was versteht die Regierung darunter?

3. Welche Möglichkeiten sieht der Kanton, der Bevölkerung in den sogenannten potenzialarmen Gebieten eine Perspektive zu schaffen?

4. Was können die Gemeinden und die Bevölkerung in solchen Gebieten selber dazu beitragen, die Besiedelung nicht eines Tages aufgeben zu müssen?

Chur, 13. Juni 2007

Name: Heinz, Zanetti, Jenny, Augustin, Bachmann, Barandun, Berni, Berther (Sedrun), Bleiker, Brandenburger, Brüesch, Buchli, Castelberg-Fleischhauer, Casty, Casutt, Caviezel (Pitasch), Clavadetscher, Conrad, Florin-Caluori, Geisseler, Hanimann, Hartmann (Chur), Hartmann (Champfèr), Janom Steiner, Kessler, Koch, Kunz (Chur), Mengotti, Meyer-Grass (Klosters), Montalta, Niederer, Nigg, Noi-Togni, Parolini, Pedrini (Roveredo), Plozza, Portner, Quinter, Ratti, Righetti, Stiffler, Stoffel, Troncana-Sauer, Jecklin-Jegen, Joos

Session: 13.06.2007
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Der Bund thematisiert im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) den zukünftigen Umgang mit „peripheren, schlecht erreichbaren Gebieten“. Zur Entwicklung und Förderung solcher Gebiete schlägt der Bund ein Vorgehen vor, nach welchem vorerst eine Selektion und Kategorisierung erfolgen und anschliessend eine kantonale Strategie festgelegt werden soll. Der Kanton Graubünden hat zusammen mit dem Kanton Uri diese Thematik aufgenommen und ein entsprechendes Pilotprojekt „Potenzialarme Räume Graubünden/Uri, Umgang mit ungenutzten Potenzialen“ gestartet. Der Bericht aus der ersten Phase (Definition und Grundlagen) liegt vor, die Ergebnisse der zweiten Phase (Konkretisierung) werden bis Ende 2007 der Regierung unterbreitet.

Zu den Fragen:

1. Es trifft zu, dass dieses Thema von Medien und diversen nationalen Organisationen breit und teilweise provokativ aufgenommen wurde. Auch im Kanton Graubünden gibt es Projekte, welche sich direkt oder indirekt mit potenzialarmen Räu-men befassen. Bei der Struktur- und Leistungsüberprüfung zur Sanierung des Kantonshaushaltes hält beispielsweise die Sparmassnahme 206 fest, dass das Ziel der dezentralen Besiedlung neu zu definieren sei. Im Wirtschaftsleitbild Graubünden 2010 will die Stossrichtung 3 öffentliche Investitionen nach volkswirtschaftlichem Nutzen priorisieren. Um einer allfälligen Verunsicherung in der Bevölkerung entgegenzuwirken, sollen mit einer gezielten Kommunikation Zusammenhänge und Inhalte geklärt werden. In diesem Sinn wurde das Bündner Wirtschaftsmagazin PULS (Ausgabe vom 26. November 2006) dem Thema „potenzialarme Räume“ gewidmet.

2. Potenzialarme Räume zeichnen sich dadurch aus, dass es in ihnen Gemeinden gibt, in denen sich mehrere Prozesse zu einer Abwärtsspirale kumulieren. Insbesondere sind dies eine rückläufige Beschäftigungs- und Wertschöpfungsentwicklung, eine ungünstige Entwicklung der Altersstruktur bzw. Abwanderung, ein Abbau der Grundversorgungsleistungen sowie ungünstige Finanzkennzahlen des Gemeinwesens. Die (Über)Lebensfähigkeit einer solchen Gemeinde ist dadurch mittel- bis längerfristig gefährdet bzw. es ist mit einer weiteren Abwanderung bis hin zu einer weitgehenden Entsiedlung zu rechnen.

In wirtschaftlicher Hinsicht widerspiegelt sich die eingeschränkte Lebensfähigkeit potenzialarmer Räume zumeist in der Abhängigkeit von wertschöpfungsschwachen Branchen wie Land- und Forstwirtschaft, klassischem Kleingewerbe und Sommertourismus. Im Kanton Graubünden können 15 potenzialarme Räume
identifiziert werden.

3. In potenzialarmen Räumen sind Potenziale durchaus vorhanden. Als Potenziale angesehen werden können beispielsweise Kulturlandschafts- und Naturraumpotenziale. Diese bilden die Grundlage für einen weit verstandenen Tourismus und für die Land- und Forstwirtschaft. In Einzelfällen können die Potenziale auch für die Nutzung natürlicher Ressourcen oder für Wohnfunktionen bedeutend sein. Strategien für potenzialarme Räume müssen in einem grösseren funktionalen Kontext betrachtet und können nicht isoliert für einzelne Gemeinden, Gemeindegruppen oder Fraktionen konzipiert werden.
Zur Schaffung von Wirtschaftswachstum im Kanton Graubünden von welchem auch die Bevölkerung von potenzialarmen Räumen direkt oder indirekt profitieren wird sind in erster Linie die Wachstumsbeiträge der Exportbranchen von Bedeutung (Tourismus, Industrie, Dienstleistungen, Energie, Exporte von natürlichen Ressourcen, Einkommenseffekte der Wegpendler). Es handelt sich dabei um die eigentlichen „Motoren“ oder „Impulsgeber“ der Volkswirtschaft Graubündens. Das NRP-Umsetzungsprogramm des Kantons Graubünden sieht vor, diese Exportleistungen auf Basis der vorhandenen Potenziale im gesamten Kantonsgebiet zu fördern.

4. Gemeinden und die Bevölkerung in potenzialarmen Räumen können durch eine bewusste Auseinandersetzung mit der Thematik, durch hohes Engagement und die Erkennung sowie Nutzung von Potenzialen einen aktiven Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in ihren Talschaften leisten. Dabei gilt es neben einer bewussten Fokussierung auf vorhandene Potenziale auch offen für Neuerungen und Veränderungen zu sein. Reformen bei Gemeindestrukturen und in einzelnen Branchen (z.B. Tourismus) sind dabei wichtige Schritte. Die Grundprinzipien der NRP Innovationskraft, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit von Regionen fördern gelten auch für periphere, schlecht erreichbare Gebiete. Verstärkte Anstrengungen der betroffenen Gemeinden und ihrer Einwohner sind notwendig, um der aktuellen Entwicklung entgegenzuwirken.

Datum: 7. September 2007