Anfrage Frigg betreffend Strafen für unkooperative Eltern
Session: 23.10.2007
In den Schulen der ganzen Schweiz nehmen die Schwierigkeiten mit Eltern von Problemschülern offensichtlich zu. Zwar sind auch in Graubünden die Gemeinden Träger der Volksschule. Bei Schwierigkeiten wird aber sehr oft entweder das kantonale Schulinspektorat oder der Rechtsdienst des EKUD involviert.
Kürzlich forderte der Präsident von LCH (Dachverband Lehrpersonen Schweiz), Beat W. Zemp, es sei in allen Kantonen die Einführung von Bussen für Eltern zu prüfen, die die Zusammenarbeit mit der Schule verweigern. Zudem wolle sein Verband anregen, bei Rekursen gegen Disziplinarentscheide die aufschiebende Wirkung jeweils zu entziehen. Das heisst zum Beispiel konkret: Wenn eine Schülerin oder ein Schüler eine Lehrperson bedroht und per Verweis vorübergehend von der Schule ausgeschlossen wird, sollen die Eltern mit einem Rekurs nicht mehr dafür sorgen können, dass ihr Spross am nächsten Tag wieder in der Klasse sitzt. Zemp sieht das ganze als Teil eines Gesamtpakets, um Disziplinprobleme an den Schulen wieder bes-ser in den Griff zu bekommen. Dazu gehörten auch zeitlich begrenzte Schulausschlüsse.
Eine Vorreiterrolle spielen gemäss der Aussage von Beat Zemp die Kantone St. Gallen und Basel Landschaft. In St. Gallen drohe Eltern, welche ein Elterngespräch verweigern eine Busse zwischen 200 und 1'000 Franken. Eine ähnliche Regelung wie St. Gallen kennt auch der Kanton Aargau.
Ich ersuche die Regierung um Beantwortung folgender Fragen:
1. In welcher Weise ist das Problem mit nicht kooperativen Eltern in Graubünden aus Sicht der kantonalen Amtsstellen bisher aufgetreten?
2. Haben in dieser Angelegenheit in den letzten paar Jahren die Rekurse zugenommen?
3. Wie geht der Kanton Graubünden in einem solchen Fall vor?
4. Wie stellt sich die Regierung zur Möglichkeit, auch im Kanton Graubünden Bussen auszusprechen, wenn Eltern sich nicht kooperativ verhalten?
Chur, 23. Oktober 2007
Name: Frigg, Pfiffner-Bearth, Gartmann-Albin, Butzerin, Jaag, Jäger, Menge, Peyer, Pfenninger, Thöny, Trepp
Session: 23.10.2007
Vorstoss: dt Anfrage
Antwort der Regierung
Im Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz; BR 421.000) finden sich zwei Bestimmungen, wonach erziehungsberechtigte Personen gebüsst werden. Zum einen wird von der zuständigen Gemeindebehörde mit einer Busse von 50 bis 1000 Franken bestraft, wer als erziehungsberechtigte Person das Kind ohne Entschuldigungsgrund nicht regelmässig zur Schule schickt oder ohne Urlaubsbewilligung des Schulrates aus der Schule nimmt (Art. 55 des Schulgesetzes). Zum anderen wird vom Departement beispielsweise mit einer Busse von 100 bis 5000 Franken bestraft, wer als erziehungsberechtigte Person gegen die Bestimmungen über die Schulpflicht und Schuldauer verstösst (Art. 56 Ziff. 1 des Schulgesetzes) oder sich in dieser Eigenschaft Verfügungen des Schulrates gegen Schülerinnen und Schüler widersetzt (Art. 56 Ziff. 4 des Schulgesetzes).
Trotz dieser grundsätzlichen Möglichkeit, unkooperatives Elternverhalten mit Bussen zu belegen, zweifelt die Regierung am Erfolg dieses Vorgehens. Eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern, welche dem einzelnen Kind oder Jugendlichen tatsächlich nützen soll, lässt sich nicht erzwingen. Ein Minimum an Vertrauen sowie das Bestreben, gemeinsam im Dienste der betroffenen Schülerin bzw. des betroffenen Schülers zu handeln, sind erforderlich. Eine dünne Vertrauensbasis wird durch das Androhen und Aussprechen von Bussen noch brüchiger. Im Extremfall degradieren Bussen das gemeinsame, an keine Bedingungen geknüpfte Engagement von Schule und Eltern zu einer Pflichtübung, von der sich die Eltern (durch Bussen) loskaufen können.
Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen sieht die Regierung die Lösung der im Vorstoss angesprochenen Problematik vor allem in einer weiteren Verbesserung der Kommunikation. Im Verlauf der vergangenen Jahre wurde mit verschiedenen Projekten eine gute Gesprächskultur zwischen Schule und Eltern gefördert. In einem konkreten Konfliktfall sollte unter Beizug der Schulleitung nichts unterlassen werden, um auftretende Schwierigkeiten wenn irgendwie möglich auf einer partnerschaftlichen Basis zu regeln.
Die im vorliegenden Vorstoss gestellten Fragen können folgendermassen beantwortet werden:
1. Konflikte zwischen Eltern und der Schule gehören zum Alltag und werden in der Regel im Rahmen der bestehenden rechtlichen und organisatorischen Strukturen gelöst. Probleme mit nicht kooperativen Eltern im Sinne der Anfrage sind den kantonalen Amtsstellen kaum bekannt. Ein einziges Mal verhängte das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement (EKUD) vor einigen Jahren gestützt auf Art. 56 des Schulgesetzes eine Busse gegen einen fehlbaren Elternteil.
2. Die Anzahl der Rekurse in dieser Angelegenheit ist in den letzten Jahren nicht gestiegen.
3. Gemäss einschlägigem Verfahrensrecht wirkt die Einreichung einer allfälligen Beschwerde gegen Disziplinarentscheide des Schulrates beim EKUD nicht aufschiebend (Art. 34 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; BR 370.100]). Die Behörde kann jedoch der Beschwerde im Einzelfall von Amtes wegen oder auf Antrag aufschiebende Wirkung erteilen. Die Einführung einer Sonderbestimmung (z.B. im kantonalen Schulgesetz), wonach bei solchen Beschwerden die Erteilung der aufschiebenden Wirkung ausgeschlossen wäre, erscheint nach Ansicht der Regierung weder zweckmässig noch angemessen.
4. Es bleibt den Schulträgerschaften unbenommen, im Rahmen ihrer Schulordnungen entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen, um unkooperative Eltern büssen zu können. Die Einführung von Sanktionen, welche über die heute im kantonalen Schulgesetz vorgesehenen Strafbestimmungen hinausgehen, hält die Regierung für verfehlt.
Datum: 17. Dezember 2007