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Session: 21.04.2008
Art. 22 Abs. 2 Steuergesetz regelt für den Kanton Graubünden den Grundsatz, dass der Eigenmietwert zum Marktwert ermittelt werden muss. Art. 22. Abs. 5 StG bestimmt zudem, dass der Marktmietwert auch Besteuerungsgrundlage sein muss, wenn ein erheblich vom Marktmietwert abweichender Mietzins zwischen einander nahestehenden Personen vereinbart wurde.

In diesem Zusammenhang beinhaltet der im Kreis Oberengadin wohl in Kraft tretende Regionale Richtplan Zweitwohnung Klärungspotential. Dieser Richtplan wird nämlich zukünftig zwischen Erst- bzw. Hauptwohnungen, Zweitwohnungen und sogenannten altrechtlichen Wohnungen unterscheiden. Gemäss Art. 2. Abs. 2 Regionaler Richtplan Zweitwohnungsbau gelten dabei als altrechtliche Wohnungen all jene Wohnflächen, welche vor dem Erlass von kommunalen Massnahmen zur Förderung des Erstwohnungsbaus und zur Einschränkung des Zweitwohnungsbaus in der betreffenden Gemeinde bewilligt worden sind. Wie die Zweitwohnungen unterliegen diese altrechtlichen Wohnungen keiner Nutzungsbeschränkung.

Gleichzeitig wird aufgrund der in den meisten Oberengadiner Gemeinden nun vorhandenen und für den Kreis vorgesehenen Kontingentierungsregelungen das Angebot an Zweitwohnungen verknappt und die massiven Preissteigerungen werden sich fortsetzen. Damit wächst aber nicht nur der Nachfragedruck, sondern besonders auch der Kosten- resp. Steuerdruck auf den sog. altrechtlichen und damit unbelasteten Wohnraum. Betrachtet man nämlich die tatsächliche Situation auf dem Oberengadiner Immobilienmarkt, so stellt man fest, dass zwischen Zweitwohnungen einerseits und Erst- bzw. Hauptwohnungen andererseits ein Preisgefälle von bis zu 50% besteht. Diese Entwicklung ist fatal, weil der den Zweitwohnungen praktisch gleichgestellte, altrechtliche Wohnraum vielfach schon seit Jahrzehnten durch Ortsansässige genutzt oder an nahestehende Personen vermietet wird. Dieser stark steigende Kosten- resp. Steuerdruck im Marktsegment der altrechtlichen Wohnungen wird in der Folge bewirken, dass dieser Wohnraum zwangsläufig vermehrt der Zweitwohnungsnutzung zugeführt wird. Gleichzeitig wird die ortsansässige Bevölkerung immer mehr in spezielle Zonen mit ausschliesslichem Einheimischen-Wohnungsbau umziehen oder gar die Region verlassen.

Dieser Entwicklung muss entgegengetreten werden. Wir ersuchen deshalb die Regierung um die Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Teilt die Regierung die Auffassung, dass die sogenannten altrechtlichen (unbelasteten) Wohnungen, solange sie durch Ortsansässige, d.h. durch Personen mit entsprechendem zivilrechtlichem Wohnsitz im Sinne von Art. 23 ZGB bewohnt werden, steuerlich wie Erst- bzw. Hauptwohnungen betrachtet resp. bewertet werden sollten?

2. Sieht die Regierung allenfalls als Alternative eine Möglichkeit, für die altrechtlichen Wohnungen eine Reduktion des Eigenmietwerts im Sinne von Art. 22. Abs. 4 StG (Härtefallregelung) vorzusehen?

3. Mit welchen weiteren Möglichkeiten des Steuersystems könnte der Kanton aus Sicht der Regierung auf die oben skizzierte Entwicklung Einfluss nehmen?

Chur, 21. April 2008

Name: Pfäffli, Bezzola (Samedan), Hartmann (Champfèr), Perl

Session: 21.04.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Der Richtplan wird nebst der Verteuerung der Zweitwohnungen auch wesentliche Erhöhungen der Marktpreise der Erst- bzw. der Hauptwohnungen bewirken. Dabei ist zu erwähnen, dass durch die Verknappung von Zweitwohnungen der Druck auf den sogenannten unbelasteten Wohnraum wächst, welcher vielfach durch die ortsansässige Bevölkerung genutzt wird. Anders verhält es sich bei den Wohnungsmieten. Diese unterstehen dem Mietrecht und können nicht ohne weiteres aufgrund von hohen Verkaufspreisen erhöht werden. Die durch die Schätzungsorgane laufend vorgenommenen Erhebungen über die vermieteten Wohnungen zeigen auch in der Region Oberengadin deutlich auf, dass der Preisanstieg in diesem Bereich der normalen Mietzinsentwicklung entspricht. Hinsichtlich der Preisgestaltung für Verkehrswert und Mietzins/Eigenmietwert kann von zwei unterschiedlichen Märkten gesprochen werden, welche nach eigenen Mechanismen funktionieren. Die Wertentwicklung in den Vermögenswerten führt damit grundsätzlich nicht zu einer entsprechenden unmittelbaren Erhöhung der Eigenmietwerte.

Frage 1
Die Schätzungswerte haben sich am Markt zu orientieren (Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes über die amtlichen Schätzungen). Deshalb werden auch die Eigenmietwerte der Erstwohnungen aufgrund der Daten von vergleichbaren, dauernd vermieteten Wohnungen geschätzt. Diese Vergleichswerte unterliegen den mietrechtlichen Beschränkungen und können nicht beliebig erhöht werden. Aufgrund des Gesetzes müssen alle Wohnungen nach den gleichen Grundsätzen und Kriterien bewertet und geschätzt werden. Die Frage kann daher bejaht werden.

Frage 2
Art. 22 Abs. 4 des Steuergesetzes wurde in der letzten Teilrevision in das Steuergesetz aufgenommen. Er dient dazu, den steuerbaren Eigenmietwert zu reduzieren, wenn dieser im Vergleich zu den Bareinkünften sehr stark ins Gewicht fällt und zu Liquiditätsproblemen führen kann. Der Gesetzgeber hatte dabei Rentner mit einem hohen Eigenmietwert und vergleichsweise tiefen Bareinkünften im Auge (vgl. Botschaften Heft Nr. 10/2006-2007, S. 1188). Diese Regelung kann nun nicht für die Korrektur der den Marktpreisen entsprechenden Eigenmietwerte in einzelnen Regionen verwendet werden. Hinzu kommt, dass das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden eine Besteuerung von mindestens 60% der Marktmiete vorschreibt, womit der Spielraum des kantonalen Gesetzgebers eingeschränkt wird. Die Regierung sieht deshalb keine Alternative, eine zusätzliche Reduktionsmöglichkeit in Bezug auf den Eigenmietwert für altrechtliche Wohnungen zu schaffen.

Frage 3
Gestützt auf die erwähnte Einschränkung des Harmonisierungsgesetzes sieht die Regierung generell keine Möglichkeit, das angesprochene Problem im Steuerrecht zu lösen. Hinzu kommt, dass eine derartige Differenzierung in der Praxis kaum umgesetzt werden könnte, wenn ähnliche Regelungen in verschiedenen Regionen oder Gemeinden eingeführt würden. Auch widerspricht das Ansinnen der Forderung nach einer Vereinfachung des Steuerrechts und ist schon aus diesem Grund abzulehnen. Und letztlich zeigt die Antwort auf Frage 1, dass für eine entsprechende Massnahme eine sachlich Begründung fehlen würde.

Datum: 2. Juli 2008