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Session: 22.04.2008
Das neue Bundesrecht verpflichtet die Kantone ab 2010 die Zusammensetzung, Zuständigkeit und Funktion der Vormundschaftsbehörden neu anzupassen. Dadurch werden an diese Behörden Minimalanforderungen gestellt. Die künftige Grösse und deren Besetzung ist mit einer Fachbehörde zu vergleichen und bedingt ein Einzugsgebiet von mindestens 15’000-20'000 Einwohnern. In einer für die Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden erstellten Studie spricht man sogar von einem Einzugsgebiet von 50'000 bis 100'000 Einwohnern. Die VB soll 9 bis 12 Mitglieder zählen. Die Mitglieder müssen sich aus folgenden Berufsdisziplinen zusammensetzen: Recht, Geriatrie, Kinder- und Erwachsenpsychiatrie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Psychologie, Bildungswesen, Finanz- und Rechnungswesen (Treuhand/Vermögensverwaltung), und interkulturelle Kompetenz. Mit diesen Anforderungen werden die Kosten des Vormundschaftswesens erheblich steigen. Wir haben im Zuge der Sparübungen den Kreisen im Jahre 2003 für Aufwendungen für das Vormundschaftswesen die Kantonsbeiträge gestrichen. Das war eine B2-Massnahme. Nach diesem Schritt haben einige Kreise die Amtsvormundschaften neu organisiert. Die fünf Kreise der Surselva verfügen ab 2007 über eine einzige Amtsvormundschaft sowie einer einzigen VB. Dadurch konnten aber die Kosten für die Kreise nicht reduziert werden. Mit Inkrafttreten des neuen Bundesrechts muss davon ausgegangen werden, dass die Kosten mit dieser professionellen Besetzung wieder massiv steigen werden. Auch ist es fraglich, ob in allen Regionen überhaupt noch in dieser Form Mandatsträger gefunden werden. Dank Schulung und Beratung der Behörden konnte die Qualität des Vormundschaftswesens in den letzten Jahren gesteigert werden. Unser Kanton verfügt heute über ein funktionierendes, auf unseren Kanton abgestimmtes Vormundschaftswesen. Entwicklungen zu einem überdimensionierten und hoch spezialisierten Vormundschaftswesen - wie es der Bund verlangt - sind durch die Bundesparlamentarier und die Regierung zu stoppen.

Ist die Regierung bereit, die Bundesparlamentarier auf diese kritischen Punkte aufmerksam zu machen.

Die Regierung wird um Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1. Wie und zu welchem Zeitpunkt werden die Vormundschaftsbehörden orientiert und wie sieht der Zeitplan aus ?

2. Ist eine Besetzung der Vormundschaftsbehörden möglich, auch wenn das Präsidium nicht von einem Juristen wahrgenommen wird, nur mit einem Juristen als Behördemitglied denkbar?

3. Wie gross werden in Zukunft die Einzugsgebiete der VB in Graubünden sein (Anzahl Einwohnern) und wer wird die Kosten tragen?

4. Welche Massnahmen sieht die Regierung, um eine Kostensteigerung zu verhindern?

5. Auf welcher Ebene gedenkt die Regierung die Fachbehörden zu organisieren?

Chur, 22. April 2008

Name: Caviezel (Pitasch), Hardegger, Zanetti, Arquint, Augustin, Barandun, Berther (Disentis), Bezzola (Zernez), Bischoff, Blumenthal, Brandenburger, Brüesch, Buchli, Bühler-Flury, Bundi, Caduff, Candinas, Casparis-Nigg, Castelberg-Fleischhauer, Casutt (Falera), Cavigelli, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Fasani, Feltscher, Florin-Caluori, Geisseler, Hartmann (Chur), Hartmann (Champfèr), Jenny, Keller, Kessler, Krättli-Lori, Kunz (Chur), Märchy-Michel, Marti, Mengotti, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Möhr, Nick, Niederer, Noi-Togni, Parolini, Peer, Perl, Pfäffli, Pfister, Plozza, Ratti, Rizzi, Stoffel, Thurner-Steier, Toschini, Troncana-Sauer, Tuor, Vetsch (Pragg-Jenaz), Wettstein, Casutt-Derungs (Falera), Engler, Foffa, Furrer-Cabalzar, Kunz (Fläsch)

Session: 22.04.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Am 28. Juni 2006 erliess der Bundesrat die Botschaft zur Totalrevision des Vormundschaftsrechts. Der Ständerat verabschiedete die Vorlage am 27. September 2007 mit gewissen Änderungen. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates schloss die Detailberatung der Vorlage im April 2008 ab und übernahm die wesentlichen Punkte des Ständerats. Voraussichtlich in der Oktobersession wird der Nationalrat die Vorlage beraten.

Bereits im Vernehmlassungsverfahren hatte die Regierung in ihrer Vernehmlassung, die auch den Bündner Parlamentariern zugestellt wurde, auf die spezielle topografische und sprachliche Situation hingewiesen und die Schaffung eines interdisziplinären Fachgerichts abgelehnt. Gleichzeitig hatte sie darauf hingewiesen, dass kantonalen oder sogar regionalen Gegebenheiten mehr Rechnung getragen werden müsse.

1. Spätestens nach den Schlussabstimmungen im National- und Ständerat über die Änderung des Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutzrecht, Personenrecht und Kindsrecht) wird das kantonale Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht ein Grobkonzept und einen Zeitplan für die kantonalen Gesetzgebungsarbeiten erarbeiten. Das Kantonsgericht als Aufsichtsbehörde und der Bündnerische Verband der Vormundschaftsbehörden sollen in geeigneter Form einbezogen werden. Weiter bestehen die Mitwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Gesetzgebung.

2. Gemäss Art. 440 E-ZGB ist die Erwachsenenschutzbehörde eine interdisziplinäre Fachbehörde, welche sich aus mindestens drei Mitgliedern zusammensetzt. Die Mitglieder, welche aufgrund ihrer Fachkenntnisse ausgewählt werden müssen, haben je nach Situation, die es zu beurteilen gilt, über eine juristische, psychologische, soziale, pädagogische, treuhänderische, versicherungsrechtliche oder medizinische Ausbildung zu verfügen. Eine Juristin oder ein Jurist muss für die korrekte Rechtsanwendung verantwortlich sein (BBl 2006, 7073). Das Bundesrecht schreibt nicht vor, dass diese Person auch das Präsidium wahrnehmen muss, obwohl dem Präsidium die Verfahrensleitung und letztlich die Gesamtverantwortung für die Tätigkeit der Erwachsenenschutzbehörde obliegt.

3. Die Grösse beziehungsweise Einzugsgebiete der Vormundschaftsbehörden in Graubünden lassen sich heute noch nicht bestimmen. Ausgehend von den nötigen Fallzahlen geht die Schweizerische Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden von einem Einzugsgebiet von rund 50'000 bis 100'000 Einwohnern für einen effizienten Betrieb aus. Aufgrund der geographischen und sprachlichen Gegebenheiten dürften die Einzugsgebiete in Graubünden jedoch kleiner ausfallen. Bislang werden die Kosten des Vormundschaftswesens über das Kreisdefizit von den Gemeinden getragen. Für die Zukunft lässt sich diesbezüglich noch keine verbindliche Aussage machen. Insbesondere hängt die Kostentragungspflicht davon ab, auf welcher staatlichen Ebene die Aufgaben angesiedelt werden. Im Projekt Bündner NFA ist zum Vormundschaftswesen weder eine Aufgaben- noch eine Kostenverschiebung vorgesehen.

4. Die Professionalisierung des Vormundschaftswesens soll zu Qualitätssteigerung und -sicherung führen, was sich voraussichtlich nicht kostenneutral realisieren lässt. Die Regierung wird jedoch bemüht sein, im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben und des ihr zustehenden Ermessens bei der Ausgestaltung der Gesetzgebung die Kostensteigerung möglichst in Grenzen zu halten.

5. Zum jetzigen Zeitpunkt können noch keine Angaben darüber gemacht werden, auf welcher Ebene die Fachbehörden organisiert werden sollen.

Datum: 10. Juli 2008