Navigation

Inhaltsbereich

Session: 29.08.2008
Kinder aus sozial benachteiligten, bildungsfernen oder fremdsprachigen Familien erbringen im Durchschnitt schlechtere Schulleistungen als Kinder aus bildungsnahen Familien. Trotz Fördermassnahmen und Anstrengungen der Lehrpersonen gelingt es dem Kindergarten und der Schule häufig nicht, diesen Kindern gute Bildungschancen zu vermitteln.

Früherfassung und Frühförderung vermeiden Fehlentwicklungen sowie soziale und gesundheitliche Gefährdungen. Frühförderung ist besonders bei sozial benachteiligten Kindern wichtig, weil deren Familien oft über wenig eigene Ressourcen zur Förderung ihrer Kinder verfügen.

Insbesondere ist auch die frühe Förderung der Sprachkompetenzen zur Verbesserung der Chancengleichheit in den Schulen unabdingbar.

Vor dem Kindergarteneintritt gibt es eine Angebotslücke bezüglich Vorschulbildung und Vorschulförderung und wenig niederschwellige Elternbildung. Während der ersten drei Lebensjahre der Kinder wird dieses Manko, dank der Mütter- Väterberatung, der Kinderarztpraxen und der Kindertagesstätten teilweise gemindert. Nach dem dritten Lebensjahr bis zum Kindergartenalter besteht jedoch im präventivniederschwelligen Bereich eine empfindliche Lücke. Die wichtige Zeit bis zum Kindergarteneintritt, in welcher frühzeitige Vermittlung von Lernkompetenzen notwendig ist, kann durch mangelnde Angebote zu wenig genutzt werden. Eine Ausnahme bilden die Kindertagesstätten oder Spielgruppen. Diese sind jedoch kostenpflichtig und werden deshalb primär von bildungsbewussten Personen genutzt, während sozial schwache Familien oder AusländerInnen ihre Kinder nicht dorthin schicken. Dadurch öffnet sich die sog. soziale Schere und zusätzlich vermindert dies die Chancengleichheit.

Das Ziel muss deshalb sein, dass alle Kinder beim Kindergarten- und Schuleintritt über altersentsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, die für eine erfolgreiche Schullaufbahn erforderlich sind.

Die Regierung wird um Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1. Geht die Regierung mit den Unterzeichnenden einig, dass nach dem dritten Lebensjahr bis zum Kindergarteneintritt eine Angebotslücke in Bezug auf Vorschulbildung und Vorschulförderung besteht?

2. Ist die Regierung bereit, sich für die Verbesserung der Sprachförderung vor dem Kindergarten einzusetzen und entsprechende verbindliche Weisungen zu erlassen?

3. Wie stellt sich die Regierung zur Ausarbeitung eines Kantonalen Frühförderungskonzepts, welches Massnahmen zur Verbesserung der Bildungschancen sozial benachteiligter Kinder beinhaltet?

Chur, 29. August 2008

Bucher-Brini, Bezzola (Samedan), Cahannes Renggli, Arquint, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Casty, Casutt, Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Feltscher, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Jeker, Märchy-Michel, Menge, Meyer Persili (Chur), Meyer-Grass (Klosters Dorf), Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Wettstein, Zanetti (Li Curt), Fischer, Locher Benguerel

Session: 29.08.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Die Anfrage basiert auf der Erkenntnis, dass bereits in den ersten Lebensjahren eines Menschen wichtige Weichen für die spätere Schullaufbahn gestellt werden. Die Hauptverantwortung dafür, dass ein Kind von Anfang an seiner jeweiligen Entwicklung entsprechend gefördert wird, tragen naturgemäss seine Eltern. Diese werden bei ihrer Aufgabe ab dem Eintritt in den Kindergarten von Fachkräften des Kindergartens und der Volksschule unterstützt.

Eine absolute Chancengleichheit gibt es in der Erziehung nicht. Der Kindergarten und die Volksschule sind aber bestrebt, gemeinsam mit den Eltern einen Beitrag zu leisten, damit jedes Kind seine individuellen Chancen optimal nutzen und gemäss seinen Fähigkeiten zu einem geistig-seelisch und körperlich gesunden Menschen heranwachsen kann.

Die bestehenden Lernangebote der Bündner Kindergärten und Volksschulen sind gut. Die verbindlichen Erziehungs- und Lehrpläne gehen auf die verschiedensten Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ein. Sie werden periodisch überprüft und – in Koordination mit anderen Kantonen – angepasst. Eine besondere Herausforderung besteht heute darin, allen Kindern den Zugang zu den vorhandenen Angeboten zu sichern. Im Wissen um die grosse Bedeutung, welche sowohl einer frühen „generellen Förderung“ sowie der im Titel der Anfrage erwähnten „gezielten sprachlichen Frühförderung“ zukommt, sieht das HarmoS-Konkordat für alle Kinder den Besuch eines zweijährigen obligatorischen Kindergartens vor. Für die Zeit vor dem Kindergarteneintritt hingegen ist nach Auffassung der Regierung auf verbindliche Weisungen zu verzichten und eine freiwillige Nutzung der bestehenden Angebote zu fördern. Im Mittelpunkt steht dabei eine umfassende, auf unterschiedliche Elterngruppen ausgerichtete Information.

Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Ausführungen lassen sich die konkreten Fragen des Vorstosses folgendermassen beantworten:

1. Die Regierung ist sich bewusst, dass neben den schulischen auch die vorschulischen Förderangebote periodisch überprüft und optimiert werden müssen. In der Botschaft zum Familienbericht (Heft Nr. 15/2006-2007) hat die Regierung auf Seite 1702 drei familienpolitische Ziele formuliert. Das dritte Ziel lautet: „Für Familien ist ein effizientes und bedarfsgerechtes Beratungsangebot sicherzustellen“. Der Grosse Rat hat diesen Bericht in der Februarsession 2007 zu Kenntnis genommen. Hinweise auf allfällige Lücken in diesem Bereich, der die Phase ab Geburt bis zum Eintritt in den Kindergarten ebenfalls umfasst, werden von einer Abklärung erwartet, welche zurzeit vom kantonalen Sozialamt erarbeitet wird.

2. Entwicklungsrückstände und Probleme, welche im Kleinkindalter im medizinischen und sonderpädagogischen Bereich auftreten, sollten durch die bestehenden Angebote aufgefangen werden.
Schwierigkeiten bestehen heute vor allem in der Förderung fremdsprachiger Kinder. Die entsprechenden Angebote (z.B. Spielgruppen) werden von den betroffenen Eltern nur teilweise abgeholt. Die Regierung vertritt deshalb die Auffassung, dass in diesem Bereich ein niederschwelliges Angebot an konsequenter, gezielter Elternbildung mehr bewirken kann als ein Erlass von verbindlichen Weisungen.

3. Massnahme Nr. 5.1. auf Seite 1718 des Familienberichtes sieht eine „Überprüfung der Beitragsleistungen an Beratungsangebote für Familien“ vor. Unter diesem Titel ist das kantonale Sozialamt zurzeit daran zu klären, ob es gewisse Beratungslücken gibt. Die Ergebnisse der Abklärung dienen den betroffenen Departementen als gemeinsame Grundlage für eine Optimierung der bestehenden Konzepte und Strukturen.

Datum: 21. Oktober 2008