In Graubünden können heute nur noch 50 Prozent der 1400 km untersuchten Bach- bzw. Flussläufe bezüglich ihrer Struktur als natürlich bzw. naturnah eingestuft werden. Dies zeigen die ökomorphologischen Untersuchungen des ANU aus den Jahren 1999-2001. Rund 700 km Fliessgewässer sind also nicht mehr natürlich. Insbesondere die Mittelläufe der Bäche und Flüsse in Graubünden sind häufig sehr stark verbaut.
Gewässerlebensräume zählen zu den vielfältigsten Biotopen in Graubünden. Sie bieten für den Menschen wichtige Erholungsräume. Das ist aber noch längst nicht alles. Natürliche Gewässer erneuern und reinigen unser Trinkwasser. In natürlichen Flussbetten kann sehr viel Oberflächen- und Regenwasser versickern. Beim Versickern wird es natürlicherweise gereinigt und bildet im Untergrund eine Wasserreserve, die ohne weitere Aufbereitung als Trinkwasser genutzt werden kann. Leider sind die Grundwasserspiegel in der Vergangenheit teilweise massiv abgesunken. Die mit der Begradigung von Flussläufen verbundene Verkleinerung des Flussbetts hat in den meisten Fällen dazu geführt, dass sich der Fluss tiefer eingegraben hat (Sohlenerosion). Parallel mit der Flusssohle ist auch der Grundwasserspiegel gesunken. Giessenbäche, Grundwasserteiche und Flachmoore sind in der Folge ausgetrocknet. Ausserdem wird im engeren Bachbett deutlich weniger Grundwasser neu gebildet.
In einigen Revitalisierungsprojekten konnten in Graubünden wertvolle Flussabschnitte wiederhergestellt und der Natur zurückgegeben werden. Die wichtigste Triebfeder für Gewässerrevitalisierungen war der Hochwasserschutz. Nachdem nun aber die Hochwasserschutzprojekte weitestgehend abgeschlossen sind, ist mit der Revitalisierung der Fliessgewässer fortzufahren.
In verschiedenen nationalen Gesetzen (Gewässerschutzgesetz, Wasserbaugesetz, Natur- und Heimatschutzgesetz) wird die Revitalisierung von naturfernen Fliessgewässern vorgeschrieben. Die Umsetzung kommt, wenn überhaupt, nur schleppend voran, weil griffige Instrumente für die kontinuierliche Finanzierung von Gewässeraufwertungsprojekten fehlen. Deshalb reichte Mitte 2007 der Walliser Ständerat Simon Epiney eine Motion ein, die einen Zuschlag auf die Übertragung der Hochspannungsnetze von 0,1 Rappen pro Kilowattstunde verlangt. Mit den Erträgen von rund Fr. 60 Mio. pro Jahr soll die Renaturierung von Flüssen und Bächen finanziert werden. Sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat haben die Motion Ende 2007 an den Bundesrat überwiesen.
Einige Kantone (Bern, Genf, Wallis) haben zur Mittelbeschaffung für Revitalisierungen Fondslösungen geschaffen. Am längsten, nämlich seit 1998, besteht der Renaturierungsfonds im Kanton Bern. Eine eindrückliche Liste von umgesetzten Projekten in den Vierjahresberichten zeigt, dass dieses Finanzierungsinstrument äusserst wirksam ist.
Die Vorteile von kantonalen Fondslösungen gegenüber einer Mittelbeschaffung über das ordentliche Staatsbudget sind:
- Es können damit Gelder aus verschiedensten Quellen gesammelt werden, ohne dass die Zweckbindung bei jeder Zuweisung neu definiert werden muss.
- Die Gelder im Fonds sind zweckgebunden. Resultieren aus einer Periode Überschüsse, verbleiben diese im Fonds.
- Der Fonds ermöglicht eine langfristige Planung und Finanzierung der Generationenaufgabe "Revitalisierung der Gewässer".
- Der Fonds ermöglicht Transparenz, Kostenwahrheit und das Benchmarking über die beauftragten Wasserbauunternehmungen und Planer.
- Der Fonds schafft die nötige Glaubwürdigkeit für die Akquisition von finanziellen Zuwendungen gemeinnütziger Stiftungen.
Nicht zuletzt ist die Erstellung eines Revitalisierungskonzepts mit gesicherter Finanzierung auch aus volkswirtschaftlicher Sicht von Bedeutung, da viele Projekte ausserhalb der Fischlaichzeit im Winterhalbjahr ausgeführt werden müssen. Gerade in jener Zeit, in der im Baugewerbe Kapazitäten frei sind, schaffen solche Projektausführungen ein sinnvolles Arbeitsvolumen.
Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf:
1. ein Revitalisierungskonzept für Bündner Fliessgewässer zu erstellen.
2. ein Finanzierungsmodell auf der Basis eines Fonds zu entwickeln.
Die Finanzierung sichert die Realisierung des Konzepts.
Chur, 30. August 2008
Thöny, Kleis-Kümin, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Arquint, Baselgia-Brunner, Berni, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Jäger, Koch, Menge, Meyer Persili (Chur), Noi-Togni, Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Righetti, Trepp, Troncana-Sauer, Fischer, Locher Benguerel
Session: 30.08.2008
Vorstoss: dt Auftrag