Am 1. Januar 2009 tritt die neue Gerichtsorganisation mit je fünf vollamtlichen Richtern am Kantons- und am Verwaltungsgericht in Kraft. Der Grosse Rat hat in der Juni Session 2008 die Wahlen der Richter vorgenommen. Bei der Wahl des höchsten Organs der Justiz im Kanton ist es von grosser Bedeutung, dass man Rücksicht auf die sprachlichen und kulturellen Verhältnisse im Kanton Graubünden nimmt. Leider sind die Wahlen so ausgegangen, dass im Kantonsgericht eine Richterin oder ein Richter fehlt, der der italienischen Sprache mächtig ist. In der Vergangenheit wurde immer wieder auf diesen Mangel hingewiesen, sei es in den Berichten der Gerichte oder der Justizkommission, sei es bei der Behandlung des Gerichtsorganisationsgesetzes oder bei der Behandlung des Sprachengesetzes. Dass die Justiz für alle gleich sein sollte, beginnt schon bei der Voraussetzung, dass das Gericht die Sprache versteht, welche die Rechtssuchenden sprechen.
Bei den letzen Wahlen wurden aber die politischen Überlegungen stärker gewichtet als die sprachlichen und kulturellen. Das, obwohl die Kantonalen Gerichte stets unabhängig entscheiden sollen, allein nach Gesetz und Recht, fern von parteipolitischen Einflüssen. In Fragen der Rechtsprechung dürfen übergeordneten Gerichtsinstanzen, Parlament, Regierung, Verwaltungsbehörden oder Parteien den Gerichten weder Vorschriften machen noch Weisungen erteilen.
Art. 16 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) regelt das Wahlverfahren. Abs. 1 dieser Bestimmung sieht vor, dass die zuständige Kommission für Justiz und Sicherheit des Grossen Rates (KJS) freie Richterstellen öffentlich ausschreibt. Dann hat die KJS sie gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung die Bewerberinnen und Bewerber auf ihre persönliche und auf ihre fachliche Eignung zu prüfen und dem Grossen Rat eine Empfehlung abzugeben.
Sechzehn Kandidatinnen und Kandidaten wurden bei den letzten Wahlen im Sinne des Gesetzes von der KJS geeignet qualifiziert. Darunter waren acht Kandidaten, die sich für das Kantonsgericht beworben hatten, drei davon waren der italienischen Sprache mächtig. Die Präsidentenkonferenz bestimmte sodann den parteipolitischen Schlüssel und leitete die einzelnen Bewerbungsdossiers an den entsprechenden politischen Fraktionen zur Selektion und Antragsstellung an den Grossen Rat weiter. Mit diesem Vorgehen geht die Gesamtübersicht betreffend der Ausgewogenheit der Richterämter verloren.
Dieser Missstand ist besonders stossend, da gerade in letzter Zeit das Sprachengesetz des Kantons Graubünden vom Volke angenommen wurde, das im Art. 3 (Grundsätze) folgendes vorschreibt: „Die Amtssprachen des Kantons finden Anwendung in Rechtssetzung, Rechtsanwendung und Rechtsprechung. Jede Person kann sich in einer Amtssprache ihrer Wahl an die kantonalen Behörden wenden.“
Voraussetzung ist es aber auch, dass die Sprache von den kantonalen Behörden verstanden wird.
Aber auch einem Gericht ist mit diesen Wahlen ein schlechter Dienst erwiesen worden, weil es auf fachkundige Richter angewiesen ist, die die gleiche Sprache der Rechtssuchenden sprechen, um so objektiv zu einer besseren Rechtskultur beizutragen.
Zu bedenken gibt auch, dass die Bewerber für diese wichtige Stelle, sich zu einer Partei bekennen müssen, sonst haben sie keine Wahlchancen, obwohl sie fachlich und sprachlich kompetent sind.
Wir beauftragen hiermit die Regierung, die Organisation der Wahlen der Kantonsgerichte, einer näheren Betrachtung zu unterziehen, dem Grossen Rat darüber Bericht zu erstatten und konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Wahlverfahren, das eine bessere Vertretung der Sprachen und Kulturen in den beiden Kantonsgerichten ermöglichen soll.
Chur, 22. Oktober 2008
Mengotti, Augustin, Marti, Arquint, Berther (Sedrun), Bezzola (Zernez), Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Caduff, Candinas (Rabius), Casutt, Caviezel (Pitasch), Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Dermont, Fallet, Fasani, Giovanoli, Hartmann (Champfèr), Jäger, Jenny, Keller, Koch, Kollegger, Montalta, Niederer, Noi-Togni, Parolini, Pedrini, Peer, Perl, Pfister, Plozza, Righetti, Stiffler, Tenchio, Thöny, Thurner-Steier, Toschini, Tronaca-Sauer, Vetsch (Pragg-Jenaz), Zanetti, Grendelmeier
Session: 22.10.2008
Vorstoss: dt Auftrag