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Session: 22.10.2008
Die SP-Fraktion ist erstaunt über den plötzlichen Wechsel der Zweckbestimmung des Ausreisezentrums Flüeli und über die überstürzte Übersiedlung der dortigen Bewohner in die Containersiedlung Waldau bei Landquart. Von der Regierung wurde bisher klar kommuniziert, dass es sich beim Flüeli ausschliesslich um ein Ausreisezentrum handle.

Die SP ist über die menschenverachtende, unseres Rechtsstaates unwürdige Hausordnung der Containersiedlung erschüttert. Darin werden Grundregeln der Rechtsstaatlichkeit verletzt. Die Wächter von Waldau behaupten, dass es ein kreisamtliches Verbot gebe, die Siedlung zu betreten. Weder wurde jemals ein kreisamtliches Verbot verfügt, noch öffentlich ausgeschrieben, noch ist irgendwo in der Waldau eine Tafel aufgestellt, die das Betreten des Grundstückes verbietet.

Bei den Bewohnern dieses Zentrums handelt es sich um Menschen, die unsere Behörden aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind, in ihr Heimatland zurückzuschaffen. Sie haben jedoch ein verfassungsmässiges Recht auf Nothilfe und medizinische Versorgung. Die Hausordnung befiehlt, dass die Bewohner ihre Container um 8h mit ihrer ganzen Habe zu verlassen haben und erst um 17h wieder einrücken dürfen. Für ihren ganzen Lebensunterhalt inklusive Essen erhalten sie 7Fr 30 Rappen pro Tag. Treffen sie später ein, erhalten sie keine Unterstützung mehr. Dieses Regime muss als schikanös bezeichnet werden.

In diesem Zusammenhang stellen sich einige grundsätzliche Fragen.

1. Wurde die Gemeinde Valzeina über den Wechsel der Zweckbestimmung des Flüeli zu einem Durchgangszentrum vorgängig orientiert und in die Entscheidung miteinbezogen?

2. Wie können die zukünftigen Bewohner des Flüeli ihre Möglichkeiten bezüglich Arbeit und Schulung allfälliger sich dort befindenden Kinder wahrnehmen?

3. Welche zusätzlichen Belastungen kommen auf die Gemeinde Valzeina zu? Werden diese vom Kanton übernommen?

4. Wo werden oder sollen sich die Bewohner der Containersiedlung Waldau tagsüber während des kommenden Winters aufhalten?

5. Weshalb können die bisherigen Bewohner des Flüeli nicht dort belassen werden, bis das Haus ausgelastet ist?

6. Wie können sie eine notwendige, allenfalls auch notfallmässig medizinische Behandlung erhalten, wenn lediglich eine nichtmedizinische Person im entfernten Flüeli darüber entscheiden kann, ob eine solche notwendig ist oder nicht? Wer übernimmt die Verantwortung für medizinische Zwischenfälle?

7. In der Presse wurde von der Fremdenpolizei angedeutet, dass die Hausordnung eventuell angepasst würde. Falls dem so ist, welche Anpassungen sind geplant?

8. Ist die Regierung bereit dafür zu sorgen, dass die Bewohner der Waldau auch im Winter tagsüber die Möglichkeit haben sich in geheizten Räumen aufzuhalten und Tnicht gezwungen sind mit ihrer gesamten Habe jeden Tag aufs Neue im Freien und in der Kälte umherzuwandern?


Chur, 22. Oktober 2008

Trepp, Bucher-Brini, Thöny, Arquint, Baselgia-Brunner, Frigg, Gartmann-Albin, Jäger, Menge, Meyer-Persili (Chur), Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Locher Benguerel, Michel (Chur)

Session: 22.10.2008
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Seit 2003 war die Anzahl der neuen eingereichten Asylgesuche stark rückläufig und pendelte sich in den letzten Jahren bei rund 10'000 bis 11'000 neuen Gesuchen ein. Dem Kanton Graubünden wurden jährlich jeweils 220 bis 240 Asylsuchende zugewiesen. Im Rahmen der Sparmassnahmen und der Asylgesetzrevision (AsylG; SR 142.31) führte der Bund die Abgeltung der Kantone für die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden mittels Globalpauschale ein. Gleichzeitig kürzte er die finanzielle Abgeltung für die strategische Leistungsbereitschaft der Kantone aufgrund der stabilen Gesuchszugänge und sicherte den Kantonen im Gegenzug zu, dass er Schwankungen bei den Gesuchszugängen während der ersten sechs Monate mit eigenen Unterbringungs- und Betreuungsreserven ausgleichen werde. Wie alle Kantone baute auch Graubünden daraufhin seine Unterbringungsreserven ab.

Seit Juli 2008 haben die Asylgesuchszugänge stark zugenommen. Das Bundesamt für Migration (BFM) rechnet bis Ende 2008 mit 15'000 neuen Asylgesuchen. Graubünden hat rund 400 Asylsuchende aufzunehmen. Der Bund kann zudem die versprochenen Unterbringungs- und Betreuungsreserven nicht anbieten, so dass die Kantone kurzfristig eine gegenüber dem Vorjahr erheblich höhere Zahl von Asylsuchenden aufzunehmen haben. Deshalb werden bestehende Unterkünfte voll ausgelastet und neue Unterkünfte beschafft. Als erste Massnahme wurden das ehemalige Minimalzentrum Waldau (MIZ) als neues Ausreisezentrum (ARZ) und das bisherige Ausreisezentrum Flüeli in Valzeina neu als Transitzentrum (TRZ) umgenutzt.

1. Der Gemeindepräsident von Valzeina wurde vom Dienststellenleiter des Amtes für Polizeiwesen und Zivilrecht vor der Umnutzung des Flüeli über die Funktionsänderung persönlich informiert.

2. Während der ersten drei Monate nach Gesuchseinreichung ist Asylsuchenden eine Arbeitsaufnahme aufgrund der Asylgesetzgebung nicht erlaubt. Danach stehen den Bewohnerinnen und Bewohnern des Flüeli die gleichen Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme wie den übrigen Bewohnerinnen und Bewohnern anderer Unterkünfte zur Verfügung. Voraussichtlich werden dem TRZ Flüeli keine schulpflichtigen Kinder zugewiesen.

3. Mit der neuen Funktionszuweisung des Kollektivzentrums Flüeli sind für die Gemeinde keine zusätzlichen Belastungen zu erwarten. Im Übrigen gelten die bisherigen Vereinbarungen mit der Gemeinde bezüglich Abgeltungen weiterhin.

4. Während des Winterbetriebes bleiben die Wohncontainer ebenso wie der Küchen- und Sanitärcontainer des ARZ Waldau auch tagsüber geöffnet.

5. Bei den im Ausreisezentrum untergebrachten Personen handelt es sich um illegal in der Schweiz anwesende Ausländer, denen im Rahmen der Nothilfe lediglich die unerlässlichen Mittel (in Form von Nahrung, Kleidung, Obdach und medizinischer Grundversorgung) zur Existenzsicherung gewährt werden. Demgegenüber handelt es sich bei den im TRZ Flüeli untergebrachten Personen um Asylsuchende mit hängigem Asylverfahren und entsprechender Sozialhilfeunterstützung. Personen mit so unterschiedlichen Unterstützungsleistungen und Aufenthaltsberechtigungen können nicht im gleichen Kollektivzentrum untergebracht werden, da dies unweigerlich zu Konflikten unter den Bewohnerinnen und Bewohnern aber auch mit der Heimleitung führen würde.

6. Die für das ARZ Waldau zuständigen Mitarbeitenden des TRZ Flüeli sind täglich in persönlichem Kontakt mit den Bewohnern des ARZ. Gesundheitliche Probleme können an der täglichen Ausrichtung der Nothilfe oder über den Pikettdienst vorgebracht werden. In diesem Rahmen wird die medizinische Grundversorgung gewährt. Wie in den anderen Zentren erfolgt bei akuten Erkrankungen, Unfällen oder anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beizug eines Arztes.

7. Zwischenzeitlich wurde für das ARZ Waldau eine definitive Hausordnung erlassen. Die Anpassungen betreffen die Öffnungszeiten mit durchgehender Öffnung der Wohneinheiten während der Winterzeit und die Erhöhung der finanziellen Nothilfeunterstützung auf Fr. 8.-- pro Tag. Geringfügige Änderungen erfolgten u.a. in den Bereichen „allgemeines Verhalten“, „Abwesenheiten“, „Aufbewahrung persönlicher Gegenstände“ und „medizinische Versorgung“.

8. Die Unterkünfte des ARZ Waldau sind im Winterbetrieb ganztägig geöffnet und stehen den Bewohnern auch tagsüber zur Verfügung.

Datum: 7. Januar 2009