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Session: 10.12.2008
Der Grosse Rat hat für das Bündner Interventionsprojekt gegen Häusliche Gewalt von 2004-2006 mit Verlängerung bis 2009 einen Verpflichtungskredit von jährlich Fr. 72’500.-- bzw. ab 2007 von Fr. 62’000.-- gesprochen. Neben diesen Projektgeldern stellte die Stabsstelle für Chancengleichheit die Projektleitung mit 30-40 Stellenprozenten zur Verfügung. Insgesamt wurde das Projekt mit ca. 70 Stellenprozenten geführt. Ende 2009 läuft nun dieses Interventionsprojekt aus. Bisher wurde sehr viel erreicht (Runder Tisch der involvierten Institutionen, Beratungsstelle für Gewalt ausübende Personen, Verbesserungen im Bereich Kindesschutz, Sensibilisierung der Lehrpersonen durch Broschüren, Schulung der Sozialarbeitenden, Präventionsprojekt „Respekt im Treff“ mit Jugendlichen, diverse Publikationen etc.). Die Bekämpfung der häuslichen Gewalt bedarf einer langfristigen Aufmerksamkeit und einer optimalen institutionellen Zusammenarbeit. Daher ist die Verankerung des Projekts nach dem Beispiel anderer Kantone angezeigt. Eine Fachstelle Häusliche Gewalt und weitere gesetzliche Verbesserungen im Opfer- und Tatpersonenbereich stellen sicher, dass dieses Thema auch in Zukunft effizient und kompetent betreut werden kann.

Häusliche Gewalt wird allgemein als ein Problem der öffentlichen Sicherheit anerkannt. Der Staat hat die Aufgabe, häusliche Gewalt zu verhindern, bei bestehender Gewalt einzugreifen, die Sicherheit der Opfer zu gewährleisten und die gewaltausübenden Personen zur Verantwortung zu ziehen. Häusliche Gewalt ist die häufigste Menschenrechtsverletzung in unserem Land und ist mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Gesamtschweizerisch interveniert die Polizei pro Jahr ca. 10’000-mal, d.h. jede Stunde erfolgt ein Einsatz und in jeder zweiten Stunde sind Kinder mitbetroffen! Sie betrifft Frauen (ca. jede 5. Frau erlebt im Laufe ihres Lebens häusliche Gewalt), Kinder und Männer (die kantonale Polizeistatistik weist einen Anteil von ca. 8% betroffener Männer aus). Häusliche Gewalt ist ein Nährboden für spätere Jugend- und Erwachsenengewalt. 10-30% aller Kinder und Jugendlichen werden in ihrer Familie Zeugen von häuslicher Gewalt. 30-60% davon sind selber Opfer von Gewalt. Graubünden verzeichnet für das Jahr 2007 zwei Tötungsdelikte an Frauen im Rahmen von häuslicher Gewalt.

Die Regierung wird daher eingeladen, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, damit die Aufgaben des Bündner Interventionsprojekts gegen häusliche Gewalt auf institutioneller Ebene weitergeführt werden können.

Chur, 10. Dezember 2008

Meyer Persili (Chur), Kunz (Chur), Mani-Heldstab, Arquint, Bischoff, Brandenburger, Brüesch, Bucher-Brini, Bühler-Flury, Caduff, Cahannes Renggli, Casparis-Nigg, Caviezel-Sutter (Thusis), Cavigelli, Christoffel-Casty, Darms-Landolt, Dermont, Feltscher, Florin-Caluori, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Hardegger, Hartmann (Chur), Jaag, Jäger, Kleis-Kümin, Koch, Krättli-Lori, Märchy-Michel (Malans), Marti, Menge, Mengotti, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Michel (Davos Monstein), Niederer, Noi-Togni, Parpan, Peer, Perl, Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Portner, Quinter, Stiffler, Stoffel, Tenchio, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Troncana-Sauer, Valär, Brasser, Caluori, Cattaneo, Clalüna, Furrer-Cabalzar, Locher Benguerel, Märchy-Caduff (Domat/Ems), Michel (Chur), Niederberger

Session: 10.12.2008
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Im März 2002 beschloss die Regierung die Durchführung eines Interventionsprojektes gegen häusliche Gewalt für eine Versuchsphase von drei Jahren. Ende 2003 nahm das Bündner Interventionsprojekt gegen Häusliche Gewalt seine Arbeit unter der Leitung der Stabsstelle für Chancengleichheit auf. Aufgrund eines Zwischenberichtes verlängerte die Regierung am 12. Juni 2006 das Projekt bis Ende 2009. Der Schlussbericht zum Projekt liegt noch nicht vor.

Seit dem Anlaufen des Projektes wurden verschiedene bundesrechtliche Regelungen betreffend häusliche Gewalt geändert (bspw. Offizialisierung in Art. 123 Ziff. 2, Art. 126 Ziff. 2, Art. 180 Abs. 2 Strafgesetzbuch, Schaffung von Art. 28b Zivilgesetzbuch und Art. 50 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer) und auch kantonalrechtlich neue gesetzliche Grundlagen erlassen. Zu erwähnen ist Art. 16 des Polizeigesetzes (PolG; BR 613.000), der seit dem 1. Juli 2005 das polizeiliche Eingreifen bei häuslicher Gewalt regelt und insbesondere die Wegweisung einer Gewalt ausübenden Person vorsieht. In Ausführung zu Art. 28b ZGB wurde auf den 1. Juli 2007 eine regierungsrätliche Verordnung erlassen (BR 210.150), die Zuständigkeiten und das Verfahren bei einer zivilrechtlichen Intervention sowie die Informationspflichten der Kantonspolizei festlegt. Es ist darin vorgesehen, dass die Kantonspolizei das Opfer über die möglichen weiteren Verfahrensschritte (Art. 3 lit. a) und das Opfer und die Gewalt ausübende Person über Beratungsangebote informiert (Art. 3 lit. b). Der Informationspflicht kommt die Kantonspolizei bei Interventionen nach und erstattet gestützt auf Art. 41 EGzZGB (BR 210.100) in Fällen, in denen Abklärungen über die Notwendigkeit von Kindesschutzmassnahmen erforderlich sind, Meldung an die zuständige Vormundschaftsbehörde. In der regierungsrätlichen Verordnung ist auch geregelt, dass das Amt für Justizvollzug eine Beratungsstelle für Gewalt ausübende Personen betreibt (Art. 1 Abs. 3). Diese Beratungsstelle besteht seit Herbst 2007 und wird mit dem geplanten Justizvollzugsgesetz eine formell gesetzliche Grundlage erhalten. Zudem soll im Rahmen des sich in Ausarbeitung befindenden Justizvollzugsgesetz geprüft werden, ob die Polizei gefährdete Personen der Beratungsstelle für Gewalt ausübende Personen melden kann. Die Beratungsstelle würde dann mit den Gewalt ausübenden Personen umgehend Kontakt aufnehmen. Für die Opfer steht die Opferhilfe-Beratungsstelle mit besonderem Fachwissen zur häuslichen Gewalt zur Verfügung. Weiter setzte das Departement für Volkswirtschaft und Soziales gestützt auf die regierungsrätliche Verordnung über die Zusammenarbeit und Koordination in der Jugendhilfe vom 15. August 2006 (BR 219.210) eine Kindesschutzkommission ein, die im Bereich des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der Jugendhilfe tätig ist, und schliesslich ist mit der vom Grossen Rat unterstützten Erhöhung des Korps der Kantonspolizei Graubünden die Schaffung eines Jugenddienstes vorgesehen. Damit sind nach Ansicht der Regierung im Kanton Graubünden die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen und Angebote vorhanden, um Opfer von häuslicher Gewalt zu schützen und Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Die Aufrechterhaltung des nach wie vor wichtigen „Runden Tisches“ zur Wahrung der institutionellen Zusammenarbeit und die Vernetzung auf nationaler Ebene benötigen nach Ansicht der Regierung keine eigene Fachstelle „Häusliche Gewalt“ und auch keine neuen gesetzlichen Grundlagen. Die Regierung ist jedoch bereit, die finanziellen Mittel für die Weiterführung des Interventionsprojektes unter der Leitung der Stabsstelle für Chancengleichheit in das Budget 2010 beim Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement aufzunehmen. Nach Vorliegen des Schlussberichtes zum Interventionsprojekt wird es zu entscheiden sein, ob und wie das Bündner Interventionsprojekt weitergeführt werden soll. Dafür bestehen aber genügende gesetzliche Grundlagen, weshalb die Regierung beantragt, den Auftrag abzulehnen

Datum: 13. März 2009