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Session: 11.02.2009
Gemäss dem im November 2008 abgelehnten HarmoS-Konkordat war vorgesehen, dass zwei Fremdsprachen obligatorisch gelernt werden müssen. Eine der beiden Sprachen müsse eine zweite Landessprache, die andere Englisch sein.

Im Artikel 4 des HarmoS-Konkordates stand weiter: „In beiden Fremdsprachen werden per Ende der obligatorischen Schule gleichwertige Kompetenzniveaus vorgegeben.“ Dieser Satz bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schule eine zweite Landessprache so gut beherrschen müssen wie Englisch.

Für deutschsprachige Schulen in Graubünden mag es in Ordnung sein, wenn bei den Italienisch- und Englischkenntnissen dasselbe Niveau angestrebt wird. Für die rätoromanischen und italienischsprachigen Grundschulen heisst dies jedoch, dass die Schulabgänger Deutsch und Englisch gleich gut – oder eben gleich schlecht – können sollen.

Für alle Rätoromanen aber und auch für die Italienischbündner, die sich nicht Richtung Tessin orientieren, ist eine einwandfreie Beherrschung der deutschen Sprache absolut notwendig, auf jeden Fall noch viel wichtiger als Kenntnisse in Englisch. Auf dem Lehrstellenmarkt oder auch in der Mittelschule müssen sie sich nämlich plötzlich mit deutschsprachigen Schülerinnen und Schülern messen. Eine Gleichschaltung der Kompetenzniveaus der Schüler aus den verschiedenen Sprachgruppen, wie es mit dem HarmoS-Konkordat beabsichtigt war, verkennt die Realitäten und birgt die Gefahr, dass die romanisch- und italienischsprechenden Schülerinnen und Schüler massiv benachteiligt werden.

Diese Vorgabe betreffend Kompetenzniveaus im Artikel 4 des HarmoS-Konkordates gab vor allem in Romanischbünden zu heftigen Diskussionen Anlass und war auch ein Grund dafür, dass das Konkordat abgelehnt wurde.

Damit die bevorstehende Totalrevision des Schulgesetzes den Anliegen der verschiedenen Sprachregionen besser angepasst ist als die HarmoS-Vorlage, wird die Regierung beauftragt, in den rätoromanischen und italienischsprachigen Grundschulen sowie in den zweisprachigen Grundschulen die Kompetenzniveaus der Schulabgänger für die Erst-, Zweit- und Drittsprache den unterschiedlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen entsprechend festzulegen.

Chur, 11. Februar 2009

Parolini, Fasani, Pedrini, Arquint, Augustin, Berther (Disentis), Berther (Sedrun), Bezzola (Samedan), Bezzola (Zernez), Bischoff, Bondolfi, Brantschen, Brüesch, Buchli, Bundi, Butzerin, Caduff, Campell, Casutt, Caviezel (Pitasch), Cavigelli, Christoffel-Casty, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Fallet, Gartmann-Albin, Giovanoli, Hartmann (Champfèr), Jäger, Jenny, Keller, Kleis-Kümin, Koch, Mengotti, Niederer, Noi-Togni, Peer, Perl, Pfäffli, Pfister, Plozza, Quinter, Ragettli, Ratti, Righetti, Sax, Thomann, Thurner-Steier, Troncana-Sauer, Tuor, Wettstein, Zanetti, Furrer-Cabalzar

Session: 11.02.2009
Vorstoss: dt Auftrag

Antwort der Regierung

Die Regierung wird beauftragt, im Rahmen der geplanten Totalrevision des Bündner Schulgesetzes dafür zu sorgen, dass die für die jeweilige Erst-, Zweit- und Drittsprache vorgegebenen Kompetenzniveaus auch in Zukunft den besonderen Gegebenheiten und Bedürfnissen der einzelnen Sprachregionen Rechnung tragen. Der Auftrag basiert vor allem auf der Befürchtung, durch ein in beiden Fremdsprachen angestrebtes gleichwertiges Kompetenzniveau könnte die deutsche Sprache in den romanisch- und italienischsprachigen Kantonsteilen geschwächt werden und ihre in diesen Regionen unverzichtbare Vorrangstellung gegenüber dem Englischen verlieren.

Dieser im parlamentarischen Vorstoss formulierten Befürchtung liegt ein Missverständnis zu Grunde, welches im Zusammenhang mit der Interpretation von Art. 4 der Internationalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS-Konkordat) kreiert und verbreitet wurde. Der erwähnte Artikel besagt: „In beiden Fremdsprachen werden per Ende der obligatorischen Schule gleichwertige Kompetenzniveaus vorgegeben.“ Diese Formulierung will einen Mindeststandard sichern und dient in denjenigen Kantonen, welche als erste Fremdsprache Englisch einführen, dem Schutz der zweiten Landessprache. Selbstverständlich ist es jedem Kanton unbenommen, das Kompetenzniveau für eine als Fremdsprache eingesetzte Landessprache über einem interkantonal festgelegten Mindeststandard anzusetzen. Das Anliegen, in allen Regionen der Schweiz die Landessprachen zu fördern und zu stärken, kommt sowohl in der HarmoS-Vereinbarung selbst als auch in den dazu gehörenden Kommentaren verschiedentlich (wenn auch nicht immer explizit) zum Ausdruck. So hält zum Beispiel Art. 2 des Konkordats fest: „Im Respekt vor den unterschiedlichen Kulturen in der mehrsprachigen Schweiz folgen die Vereinbarungskantone bei ihren Vorkehren zur Harmonisierung dem Grundsatz der Subsidiarität“. Im Sinne dieser offenen Haltung hätte auch das Bündner Sprachenkonzept mit all seinen Besonderheiten im Rahmen des HarmoS-Konkordats problemlos seinen Platz gefunden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich in Bezug auf die im Auftrag formulierten Forderungen – unabhängig vom HarmoS-Konkordat – Folgendes festhalten: Die Regierung teilt die im parlamentarischen Auftrag formulierten Anliegen voll und ganz. Sie wird alles daran setzen, dass den drei Kantonssprachen in den verschiedenen Sprachregionen ihre spezielle Bedeutung als Erstsprachen und als Zweitsprachen erhalten bleibt und dass die Kompetenzniveaus der Schulabgängerinnen und Schulabgänger für die Erst-, Zweit- und Drittsprache auch in Zukunft den unterschiedlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen entsprechend festgelegt werden.

Die Regierung ist bereit, den Auftrag in diesem Sinne entgegenzunehmen.

Datum: 27. April 2009