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Session: 23.04.2009
Die in dieser Parlamentssession geführte Debatte über den neuen Finanzausgleich hat erneut Fragen betreffend Aufnahmeprüfungen in die Mittelschule unseres Kantons aufgeworfen und diesbezüglich zu Verwirrung unter den Parlamentarien geführt. Ich stelle fest, dass dies eine Diskussion ist, welche im Parlament immer wieder geführt wird und seit mindestens fünf Jahren von dem im Jahr 2003 offiziell eingeführten und dann wieder aufgehobenen Numerus Clausus, zu den Umsetzungsfehlern in den folgenden Jahren bis zu den plötzlichen Veränderungen reicht, welche – neben der Tatsache, dass sie Gegenstand einer Frage anlässlich der Fragestunde waren – die Einreichung von zwei parlamentarischen Vorstössen zur Folge hatten, welche in der Februarsession 2009 behandelt wurden. Als Beweis dafür, dass die Sorgen, welche die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in den im Grossen Rat behandelten Vorstössen ausgedrückt haben, alles andere als unbegründet waren, steht heute die Tatsache, dass verschiedene Kandidatinnen und Kandidaten die Aufnahmeprüfung nicht bestanden haben (allein im Moesano 9 von 12) und dass die Rekurse gegen diese Ergebnisse immer noch beim Verwaltungsgericht hängig sind.

Es überrascht mich, dass Jugendliche aus dem Moesano, welche bestens vorbereitet waren und zuvor sehr gute schulische Leistungen erzielt hatten, die Prüfung nicht bestanden haben. Die Erfahrung zeigt, dass die Jugendlichen, welche die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium in Graubünden nicht bestehen, später im Tessin sehr gute Schüler sind. Dies kann durchaus auch positiv sein, man muss sich dann aber fragen, weshalb an der Kantonsschule in Chur eine italienische Abteilung geführt werden muss und weshalb man in Italienischbünden über "classi preliceali" (Progymnasialklassen) verfügen muss, welche die Schülerinnen und Schüler spezifisch für die Mittelschule in unserer Kantonshauptstadt ausbilden.

Daraus ergeben sich folgende Fragen:

1) Was schlägt die Regierung zur Verbesserung dieser entmutigenden Situation vor?

2) Hat sich die Regierung schon überlegt, ob die Aufhebung der Aufnahmeprüfung – eine in anderen Kantonen unbestrittene Praxis – eine Option wäre?

3) Ist die Regierung nicht der Meinung, dass, wenn man diese Situation nicht behebt, immer weniger Jugendliche ins kantonale Gymnasium eintreten werden (unter anderem aufgrund einer gewissen Entmutigung) und somit die seit Jahren an unserem Gymnasium geführte italienische Abteilung gefährdet wird?

4) Wie viel Prozent der Bündner Jugendlichen, welche die Maturität erlangt haben, besuchen nun eine Universität?

5) Glaubt die Regierung, dass es erstrebenswert ist, Akademiker aus dem Ausland zu rekrutieren (siehe Ärzte in den Spitälern und in den psychiatrischen Anstalten des Kantons) und damit die gymnasiale und folglich die akademische Ausbildung der in unserem Kanton wohnhaften Jugendlichen zu benachteiligen, um nicht zu sagen zu verhindern?


Chur, 23. April 2009

Noi-Togni

Session: 23.04.2009
Vorstoss: dt Anfrage

Antwort der Regierung

Im Zusammenhang mit vorliegender Anfrage ist vorab festzuhalten:

• dass die Ausbildungsangebote der classe preliceale (nach MAR-Lehrplan) und der zweisprachigen Maturität mit Deutsch und Italienisch für die Schülerschaft aller italienischsprachiger Kantonsteile konzipiert sind;
• dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 5. Mai 2009 sich auf einen Prüfungsentscheid aus dem Jahr 2008 bezog. Gegen die in diesem Zusammenhang im Mai 2009 erfolgte Teilrevision der Verordnung über das Aufnahmeverfahren (BR425.060) wurden inzwischen beim Verwaltungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden eingereicht, die pendent sind;
• dass im mehrjährigen Mittel die Erfolgsquoten der Prüfungsteilnehmenden aus den einzelnen Sprachregionen beim Eintritt in die 3. Gymnasialklasse einen Wert von 65 – 69% erreichen und recht ausgewogen sind; die italienischsprachige Schülerschaft wurde nicht benachteiligt. Zu beachten ist jedoch, dass die Quoten jährlichen Schwankungen unterworfen sind.

Die gestellten Fragen kann die Regierung wie folgt beantworten:

Zu Frage 1:
Für die Schulträgerschaften besteht keine Pflicht, eine classe preliceale zu führen. Aus gesamtkantonaler Sicht ist die Situation alles andere als entmutigend. Vielmehr hat bereits der dem Grossen Rat erstattete Bericht über die Erfahrungen mit der classe preliceale (Landesbericht Graubünden 2004, S. 125 ff.) positive und ermutigende Folgerungen betreffend das anforderungsreiche Ausbildungsangebot aufgezeigt. Im Schuljahr 2008/09 haben an der Kantonsschule 46 Schülerinnen und Schüler den Ausbildungsgang für die zweisprachige Maturität italiano/tedesco und 62 für deutsch/italienisch besucht, was rund 12 % derjenigen Schülerschaft entspricht, welche die dritte bis sechste Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule besucht. Die zweisprachige Maturität erweist sich somit als geeignetes Mittel zur Förderung der Kantonssprache Italienisch. Änderungen der beiden Angebote drängen sich derzeit nicht auf.

Zu Frage 2:
In der Februarsession 2009 hat die Regierung diese Frage aufgegriffen und dargelegt (GRP 4|2008/2009, S.640), dass sie aufgrund der speziellen Mittelschulsituation im Kanton Graubünden an einer Aufnahmeprüfung festhalten wolle. In der Botschaft zur Teilrevision des Mittelschulgesetzes (Heft Nr. 11/2007-2008, S. 603) hat sie zudem die Situation innerhalb der EDK-Ost dargelegt. Die Mitgliedskantone wenden ein kombiniertes Aufnahmeverfahren an und der Kanton Zürich hat neu eine Einheitsprüfung – wie sie in Graubünden seit 2000 besteht – eingeführt.

Zu Frage 3:
Gemäss Art. 6 des Mittelschulgesetzes (BR 425.000) bereitet das Gymnasium auf den Besuch einer Universität oder einer Eidgenössischen Technischen Hochschule des Bundes vor und die entsprechenden Leistungsanforderungen sind durch die Schülerschaft der Bündner Mittelschulen zu erbringen. Die Regierung beurteilt die zweisprachige Maturität als anforderungsreichen und attraktiven Ausbildungsgang für die Jugendlichen sowie als geeignetes Angebot zur Förderung des Italienischen. Jugendliche entscheiden sich mit guten Gründen für diesen Ausbildungsgang.

Zu Frage 4:
Die Übertrittsquote in eine Universitäre Hochschule zeigt für Graubünden einen Wert von rund 80 Prozent. Der Wert liegt unter dem Schweizerischen Mittel. Die Werte für die einzelnen Jahre hat die Regierung in der Botschaft zur Teilrevision des Mittelschulgesetzes (Heft 11/2007-2008, S. 597) ausgewiesen. Die aktualisierten Daten sind im Internet publiziert (www.gr.ch -> Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement -> Aktuelles -> Entwicklungstendenzen).

Zu Frage 5:
Der „numerus clausus“ für das Studium der Medizin ist eine Folge der fehlenden Ausbildungsplätze in den Spitälern und kann nicht dem Gymnasium angelastet werden.

Datum: 8. Juli 2009