Wir haben festgestellt, dass die öffentliche Hand in letzter Zeit immer häufiger systematisch Entscheidungskriterien anwendet, welche den Anbieter mit dem tiefsten Preis bevorzugt, und so andere Vergabekriterien in den Hintergrund rücken lässt. Dies führt zu Missbräuchen, Unfällen auf den Baustellen und Lohndumping, wie dies bereits auf den Baustellen der Alp Transit Ceneri und bei der Kehrrichtverbrennungsanlage von Giubiasco der Fall war.
Die letzten Beispiele, die im Tessin ans Licht gekommen sind, könnten auch bei uns Realität werden.
In der Tat hat das Bundesamt für Strassen in Bern (ASTRA) bei der Ausschreibung für die Materialbewirtschaftung des Umfahrungstunnels von Roveredo die Gewichtung des Preiskriteriums auf 90% festgesetzt und so die anderen Kriterien praktisch ausser Acht gelassen. Dies bedeutet, dass jener gewinnt, welcher den tiefsten Preis anbietet, ohne Rücksicht auf Qualität, Umweltaspekte, Zuverlässigkeit des offerierten Preises, auf ein Bauprogramm, welches auf einen angemessenen Einsatz von Personal und Lernenden abgestimmt ist, etc.
Wir erhoffen uns, dass sich die öffentliche Hand nicht von dieser neuen spekulativen Mode blenden lässt, die einerseits am Anfang tiefere, politisch vertretbare Budgetkosten bedeuten kann, andererseits aber eine Reihe von Kontraindikationen mit sich bringt, welche den erwarteten wirtschaftlichen Vorteil zunichte machen könnten.
Man hofft auf den Willen der öffentlichen Hand, den günstigsten Preis auszuwählen, welcher die Einhaltung der Vertragsregeln begünstigen soll, was fachspezifische Erfahrung und Kenntnis, Beschäftigungslage, Ausbildung, Steuern und Zahlungen an die Sozialversicherungen bedeutet.
Wir möchten die Regierung zudem auf die Kehrseite aufmerksam machen: Unternehmen, welche öffentliche Aufträge erhalten haben, vergeben diese Arbeiten an ins Ausland (z.B. Oststaaten) ausgelagerte Firmen weiter, die ihrerseits die Arbeiten an Unternehmen untervergeben, welche unterbezahltes Personal zu prekären allgemeinen Bedingungen beschäftigen.
Der Regierung werden folgende Fragen gestellt:
a) Ist die Regierung in der aktuellen wirtschaftlichen Krise bereit, dieser Situation mehr Beachtung zu schenken und die spezifische Gewichtung von preisunabhängigen Vergabekriterien (z.B. Einsatz von Lernenden, Umweltschonung etc.) zu erhöhen?
b) Sind spezielle Kontrollen vorgesehen, um "wilde" Untervergaben zu verhindern?
c) Ist die Regierung bereit, beim ASTRA zu intervenieren, damit andere - preisunabhängige - Vergabekriterien vermehrt berücksichtigt werden?
Poschiavo, 16. Juni 2009
Righetti, Pedrini, Keller, Augustin, Berther (Sedrun), Bleiker, Blumenthal, Brantschen, Bucher-Brini, Buchli, Butzerin, Cahannes Renggli, Candinas (Rabius), Castelberg-Fleischhauer, Casty, Cavigelli, Christoffel-Casty, Conrad, Fallet, Fasani, Felix, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Giovanoli, Hardegger, Jäger, Kleis-Kümin, Mani-Heldstab, Meyer Persili (Chur), Parpan, Peyer, Plozza, Portner, Quinter, Stiffler, Stoffel, Thöny, Thurner-Steier, Trepp, Tuor, Zanetti, Candinas (Disentis/Mustér)
Session: 16.06.2009
Vorstoss: dt Anfrage