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Session: 29.08.2009
Die Hälfte der Übergangsfrist zur Umsetzung der eidgenössischen Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA CH) ist mittlerweile verstrichen. Im Bereich der Behinderten-Einrichtungen hat der Kanton erste Erfahrungen im Umgang mit der neu voll kantonalen Verantwortung sammeln können, wenn es darum geht, in unserem Kanton ein hinreichendes Angebot an Wohnheimen und Arbeitsbeschäftigungsstätten für psychisch, geistig und/oder körperlich behinderte Menschen sicherzustellen.

Bislang ist kantonsintern und kantonsübergreifend auf Arbeitsgruppen-Ebene am neuen Behindertenkonzept gearbeitet worden. Ergebnis dieser Bemühungen ist unter anderem das Musterkonzept SODK Ost vom 4. Juni 2009 („Konzept des Kantons X zur Förderung der Eingliederung invalider Personen gemäss Art. 10 IFEG“).

Mit der eidgenössischen Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA CH) und dem Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) haben sich die Rahmenbedingungen für die Trägerschaften von Behinderten-Einrichtungen grundlegend verändert. Es eröffnen sich Chancen, den unternehmerischen Freiraum für Behinderten- Einrichtungen ganz generell auszubauen und das Finanzierungssystem stärker als bisher nach den individuellen Betreuungsbedürfnissen der Menschen mit Behinderung und nach unternehmerischen Leistungskriterien auszurichten. Insbesondere bei Behinderten-Einrichtungen mit Werkstätten bietet sich die Chance, diesen Werkstätten wie bei einem KMU grosse Freiräume für unternehmerisches Handeln einzuräumen.

Die Unterzeichneten bitten die Regierung daher um Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie werden die Trägerschaften von Behinderten-Einrichtungen in die Ausarbeitung und Gestaltung des neuen Behindertenkonzepts mit einbezogen? In welcher Form können diese ihre Anliegen in welchem Verfahrensstand einbringen?

2. Beabsichtigt die Regierung, die Eigenverantwortlichkeit und die Eigeninitiative der Trägerschaften von Behinderten-Einrichtungen im Vergleich zur heutigen übergangsrechtlichen Regelung zu erhöhen? Wenn ja, welche Grundsätze verfolgt sie diesbezüglich im Allgemeinen und insbesondere bei der Finanzierung?

3. Beabsichtigt die Regierung, den Trägerschaften von Behinderten-Einrichtungen die Bildung von Eigenkapital (Reserven) zu gestatten? Wenn ja, nach welchen Grundsätzen?

4. Beabsichtigt die Regierung, die Leistungen der Behinderten-Einrichtungen im Vergleich zu heute verstärkt individuell zu bewerten und demnach verstärkt nach dem individuell anfallenden Betreuungsaufwand zu vergüten? Wenn ja, welche Grundsätze verfolgt sie, um ein Messinstrument für die Betreuungsintensität der verschiedenen Arten von Behinderungen zu entwickeln?

5. Beabsichtigt die Regierung, die heute bestehende geografische Verteilung der Behinderten-Einrichtungen - darunter einige private Trägerschaften in der Rechtsform von Vereinen, Stiftungen o.ä. - so zu belassen oder strebt sie politisch einen Konzentrationsprozess an? Wenn sie einen Konzentrationsprozess anstrebt, welche Grundsätze verfolgt sie diesbezüglich?

Chur, 29. August 2009

Cavigelli, Casty, Perl, Arquint, Barandun, Berther (Sedrun), Bleiker, Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Bucher-Brini, Buchli, Bühler-Flury, Bundi, Caduff, Cahannes Renggli, Candinas (Rabius), Casutt, Caviezel (Pitasch), Christoffel-Casty, Conrad, Darms-Landolt, Dermont, Fallet, Farrér, Federspiel, Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Geisseler, Hardegger, Jenny, Keller, Kessler, Kleis-Kümin, Koch, Kollegger, Loepfe, Märchy-Michel, Mengotti, Meyer-Grass (Klosters Dorf), Nick, Noi-Togni, Parpan, Peer, Portner, Ragettli, Sax, Tenchio, Thomann, Tuor, Wettstein, Bürkli, Candinas (Disentis/Mustér), Furrer-Cabalzar, Grendelmeier-Bannwart, Gunzinger, Mainetti

Antwort der Regierung

Um mit dem Inkrafttreten der NFA im Jahre 2008 die Kontinuität zu gewährleisten, sah der Bund im Sinne einer Übergangsbestimmung vor, dass die Kantone mindestens während drei Jahren die bisherigen Leistungen des Bundes - also die vormaligen Bau-, Einrichtungs- und Betriebsbeiträge der Invalidenversicherung an Wohnheime und andere kollektive Wohnformen sowie an Werk- und Tagesstätten - weiter führen. Die Aufhebung dieser Finanzierungspflicht nach den bisherigen Grundsätzen ist erst möglich, wenn ein durch den Bundesrat genehmigtes kantonales Konzept zur Förderung der Eingliederung invalider Personen vorliegt. Dieses Konzept wird im Rahmen des Projektes „Behindertenhilfe 2012” erarbeitet und umgesetzt.

Die Kantone der Konferenz der Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren der Ostschweiz (SODK-Ost) haben in einem ersten Schritt gemeinsam ein Musterkonzept zur Förderung der Eingliederung invalider Personen erarbeitet. Dieses Musterkonzept basiert auf dem im Jahr 2006 verabschiedeten Rahmenkonzept und wurde von der SODK Ost an ihrer Sitzung vom 4. Juni 2009 in St. Gallen verabschiedet. Dadurch sind die Bereiche festgelegt worden, in denen die Hilfe für erwachsene Menschen mit Behinderung gemeinsam weiter entwickelt werden soll. Die SODK Ost - Kantone sind zudem beauftragt worden, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen. Für die Erarbeitung der Instrumente zur Umsetzung der IFEG Konzepte werden die von September 2008 bis Juni 2009 erarbeiteten Resultate berücksichtigt. Das Folgeprojekt „Umsetzung IFEG” wird von den Kantonen der SODK Ost und neu mit dem Kanton Zürich gemeinsam durchgeführt.

1. Die Trägerschaften von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und die Anbieter ambulanter Dienstleistungen der Behindertenhilfe werden in die Ausarbeitung des IFEG-Konzepts mit einbezogen. Einerseits können sich interessierte Kreise in regelmässig stattfindenden Informationsveranstaltungen zum Projektverlauf einbringen und anderseits besteht zur Klärung von Fachfragen in der Projektorganisation eine Arbeitsgruppe, welche aus Vertretern der Einrichtungen und der Anbieter zusammengesetzt ist. Bevor das Konzept des Kantons Graubünden zur Förderung der Eingliederung invalider Personen gemäss Artikel 10 IFEG dem Bundesrat eingereicht wird, soll es den betroffenen Kreisen zur Anhörung unterbreitet werden. In den verschiedenen Stadien des Projekts „Behindertenhilfe 2012” wird den Trägerschaften und Anbietern zudem die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten. Die Revision des Behindertengesetzes wird mit Vernehmlassung und Botschaft erfolgen.

2. Grundsätzlich wird beabsichtigt in einem neuen Finanzierungssystem Anreizsysteme zu integrieren. Eigenverantwortung und Eigeninitiative sollen gefördert werden. Voraussetzung ist, dass das System die Elemente Ertrag, Investitionen und Aufwand gleichwertig berücksichtigt.

3. Im Rahmen einer ordentlichen Liquiditätsplanung wird die Bildung von Reserven nicht grundsätzlich abgelehnt. Die Steuergelder müssen aber garantiert dem ursprünglichen Verwendungszweck entsprechend eingesetzt werden.

4. Grundsätzlich soll die Leistungsabgeltung subjektorientiert erfolgen. Dies ist ein Hauptbestandteil des laufenden Projekts. Voraussichtliches Einstufungssystem zur Ermittlung des Individuellen Betreuungs-Bedarfs wird das im Kanton TG mit Vertretern von Einrichtungen gemeinsam entwickelte IBB-Rating sein. In Tests konnten damit in den Kantonen ZH und TG erfolgversprechende Resultate erzielt worden.

5. Die Zusammenarbeit mit mehreren privatrechtlichen Trägerschaften hat sich bewährt. Der Kanton beabsichtigt deshalb, dieses funktionierende System beizubehalten. Angebote in allen Regionen bereitzustellen wird weiterhin eine Zielsetzung der Behindertenhilfe in Graubünden bleiben.

8. Oktober 2009