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Eintreten bitte

Die Frage, wie man ein gutes Zusammenleben aktiv fördern kann, beschäftigt das Team der Fachstelle Integration Tag für Tag. Die besten Antworten dazu fin-den sie im Dialog mit unterschiedlichsten Menschen, Organisationen und nicht zuletzt im internen Erfahrungsaustausch.

Wenn es um die soziale Integration von Neu-Bündnerinnen und -Bündnern aus dem Ausland geht, ist aus dem Team der Fachstelle Integration ein Duo des Ressorts Bildung und Soziales gefragt. Wäh-rend Donat Albin Menschen im Fokus hat, die mit der Fachstelle bereits im Rahmen einer Fallführung in Kontakt stehen, also vor allem vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge, so sucht Res-sortleiterin Tamara Gianera Lösungen für die breitere Migrationsbevölkerung. «Die Ausgangsfrage ist aber immer die gleiche», betont sie: «Welches sind die Integrationsbedürfnisse, die über die Sprach-förderung oder die beruflichen Integration hinausgehen oder diese ergänzen.» Bei der Beantwortung zeige sich ein sehr vielfältiges Bild. Ein Jugendlicher, der im Familiennachzug aus den USA nach Samedan komme, habe selbstredend andere Herausforderungen auf dem Weg zur gesellschaftlichen Teilhabe als eine kriegsversehrte Mutter, die aus Syrien nach Chur gekommen sei (vgl. S. 4). «Verges-sen wir nicht: Wir alle können den sozialen Anschluss verlieren und uns isolieren – sei es aus finanziel-len oder gesundheitlichen Gründen, sei es altershalber», gibt die ausgebildete Historikerin zu beden-ken. Ein gelungenes Zusammenleben müsse letztlich alle gleichermassen interessieren: «Es ist ein Zusammenspiel, ein Aufeinanderzugehen».

Puls fühlen und hinhören

Wo in diesem Prozess Stolpersteine auftauchen, erfahren Gianera und Albin im täglichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen der Fachstelle. Von den Jobcoaches beispielsweise. Sie begleiten die Geflüchteten bei der Integration in den Arbeitsmarkt oder auf ihrem Weg in eine berufliche Ausbildung. Aus den Berichten der Klientinnen und Klienten ziehen sie genauso ihre Schlüsse wie aus den Feed-backs der Arbeitgebenden und Lehrpersonen. «Neben unseren eigenen Erfahrungen sind Donat und ich darauf angewiesen, dass die Bedürfnisse auch von aussen an uns herangetragen werden", erklärt Gianera. "Bei der Lösungssuche in Form einer konkreten Projektförderung stehen wir gerne beratend oder finanziell zur Seite.» Vorausgesetzt, die Fachstelle müsse dadurch nur Lücken schliessen, welche die Regelstrukturen im Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialwesen selbst nicht könnten. Es sei erfreu-lich, dass sowohl aus der Migrationsbevölkerung als auch von längst hier verankerten Menschen im-mer wieder Ideen an sie herangetragen würden. «Wir haben aber Luft nach oben und ermuntern alle, auf uns zuzukommen», sagt Gianera und verweist auf ein Onlineportal für Projektgesuche, das sich kurz vor der Einführung befinde. In diesem Zusammenhang würden zeitgleich besser verständliche Richtlinien erstellt und zugänglich gemacht. Beispielsweise, dass die Projekte oder ihre Ziele langfris-tig angelegt sein müssten.

Kleinere und grössere Hebel

Sich begegnen, zusammen etwas erleben und bewirken, sich als Teil eines Ganzen fühlen. Alles As-pekte, die bei diesen Projekten im Vordergrund stehen. «Wir wollen zur Teilhabe animieren und Res-sourcen stärken, keine Konsumhaltung fördern», sagt Gianera. Das funktioniere schon im vermeintlich Kleinen, betont sie und nennt als Beispiel Velokurse. «Geflüchtete haben das Velofahren oft nie ge-lernt. Indem wir sie dazu befähigen, ermöglichen wir ihnen gleich mehrere Schritte. Sie haben ein sel-tenes Erfolgserlebnis, werden mobiler, unabhängiger und lernen dabei neue Menschen kennen», sagt die Ressortleiterin. Eine Velofahrt könnte sie beispielsweise in den Kulturpunkt in Chur führen. Eines der grösseren Projekte für soziale Integration, die der Kanton unterstützt und das Interessierten eine Vielfalt an Begegnungs-, Betätigungs- und Vernetzungsmöglichkeiten bietet. Dass das funktioniert, zeigt jeder Besuch auf eindrückliche Weise (vgl. S. 10).

Tamara Gianera - Ressortleiterin Bildung und Soziales sowie Fachverantwortliche Projektförderung, Fachstelle Integration

Die Frage, ab wann man dazugehört, beschäftigt mich schon lange. Ich konnte nie ganz nachvollziehen, weshalb ich keine Schweizerin sein soll, obwohl ich hier geboren war. Lediglich, weil meine Mutter einen jugoslawischen und mein Vater einen italienischen Pass besassen, als sie sich vor Jahrzehnten in Graubünden kennenlernten, heirateten und Kinder bekamen. Meine Mutter lebt seit den 1970er-Jahren in der Schweiz, mein Vater machte den Sprung über die nahe Grenze sogar schon als 16-Jähriger. Als Kind galt ich bei Verwandten im Ausland als Schweizerin und hier wiederum als Ausländerin… Wo gehörte ich hin? Eine schwierige Situation. Später, als politisch engagierte, junge Frau, galt meine Stimme lange nichts ohne Bürgerrecht auf dem Papier. Der Zufall wollte es, dass mein Schweizerpass schliesslich nur wenige Tage vor der Lancierung meiner Kandidatur für den Grossen Rat eintraf. Das war knapp – und eine Befreiung.


Dabei hatte ich noch Glück im Vergleich zu anderen Verwandten mütterlicherseits, die in die Schweiz gekommen sind. Gianera weckte weniger Vorurteile und Ressentiments als ihre Namen, die auf -ić endeten. Sie bekamen das immer wieder zu spüren. Entsprechend weiss ich, wie belastend der Weg sein kann, wenn man dazugehören will, es aber irgendwie doch nicht tut. Ich mag meine Arbeit bei der Fachstelle Integration, weil ich dazu beitragen kann, dass es anderen nicht mehr so ergeht und die Menschen sich hier willkommen fühlen. Bewusst würde ich meine Berufswahl aber nicht darauf zurückführen. Ich war bei all meinen bisherigen Berufsstationen in erster Linie daran interessiert, eine sinnstiftende Arbeit zu machen. Das war als Parteisekretärin einer Kantonalpartei in Graubünden genauso wie als Kampagnenleiterin bei Wahlen und Abstimmungen, als kantonale Gleichstellungsbeauftragte oder als Geschäftsführende Sekretärin des Gewerkschaftsbundes Graubünden. Ich wollte immer direkt etwas zum Gelingen von Veränderungen und zu einem besseren Leben beitragen. Genau das kann ich auch hier tun.

«Ich war bei all meinen bisherigen Berufsstationen in erster Linie daran interessiert, eine sinnstiftende Arbeit zu machen.»


Text: Philipp Grünenfelder; Illustration: Daniela Rüttimann