Funktionierende Justiz bedeutet, dass die Ansprüche der Bevölkerung
von den Gerichten gut und rasch behandelt und beurteilt werden. Eine
funktionierende Justiz liegt im Interesse der ganzen Bevölkerung und ist
eine der Kernaufgaben jedes Staatswesens. Von grösster Bedeutung sind
dabei die erstinstanzlichen Gerichte; sie sind sozusagen die
Visitenkarte der Justiz. Die bündnerische Gerichtsorganisation vermag in
der heutigen Form den hohen Anforderungen nicht mehr zu genügen. Am 12.
März 2000 werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über eine
Gerichtsreform befinden.
Reform ist notwendig
Die geltende Gerichtsorganisation beruht auf Strukturen, die zum
Teil über 150 Jahre alt sind. In jener Zeit reiste man mit der Kutsche,
zu Pferd oder zu Fuss. Seither hat sich ein enormer gesellschaftlicher
Wandel vollzogen. Die Gerichtsorganisation gleicht einem alten Kleid,
das einmal wie angegossen sass, heute jedoch nicht mehr passt.
Staatliche Strukturen haben möglichst wirksam und schlank zu sein; dies
gilt auch für die Justiz. Gerade bei den erstinstanzlichen Gerichten
besteht heute eine klare Überorganisation. Viele Richterinnen und
Richter haben kaum Fälle zu beurteilen. Sie können sich trotz grossem
Engagement nicht die nötige Erfahrung aneignen. Diese strukturellen
Mängel führen zu Nachteilen für die Rechtsuchenden. Die Notwendigkeit
einer umfassenden Gerichtsreform ist im Grossen Rat und in der Regierung
unbestritten.
Die vorgeschlagene Reform hat das Ziel, eine professionellere und
wirksamere Gerichtsorganisation zu schaffen. Angestrebt wird grössere
Effizienz bei den erstinstanzlichen Gerichten, gesteigerte Qualität der
Urteile sowie schnellere Verfahren. Dabei schliesst die Zielsetzung die
Wahl von Laienrichterinnen und Laienrichtern nicht aus. Im Sinne einer
bürgernahen Justiz soll eine juristische Ausbildung weiterhin nicht
Voraussetzung für die Tätigkeit in einem Gericht sein.
Kernpunkte der Reform
Die vorgeschlagene Gerichtsreform verfolgt drei Stossrichtungen:
- Konzentration auf Kreisebene: Die richterliche Stellung des
Kreispräsidenten wird gestärkt. Die bisherigen Aufgaben werden in zwei
Richtungen erweitert. Neu übt er zusätzlich das Vermittleramt aus und
kann als Strafmandatsrichter höhere Strafen aussprechen. Die
Zuständigkeiten als Einzelrichter in Zivilsachen bleiben unverändert.
Die Kreisgerichte und deren Ausschüsse werden abgeschafft, da hier eine
klare Überorganisation vorliegt. Die Aufgaben werden den
Bezirksgerichten und deren Ausschüssen übertragen.
- Stärkung der Bezirke: Um eine effiziente Organisation zu
erreichen, ist eine neue Ausgestaltung der Bezirke als Gerichtssprengel
zwingend. Die vorgeschlagene Einteilung in 11 statt 14 Bezirke
berücksichtigt vor allem die zahlenmässige Grösse als auch
geographische, sprachliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte. Bislang
waren die Bezirksgerichte nur Zivilgerichte. Neu erhalten sie auch
strafrechtliche Zuständigkeiten. Die Bezirksgerichte sollen durch die
Stimmberechtigten gewählt werden, was ihnen eine erhöhte demokratische
Legitimation geben wird.
- Grössere richterliche Unabhängigkeit: Die richterliche
Unabhängigkeit als ein zentraler Aspekt der Vorlage betrifft einerseits
den Grundsatz der Gewaltenteilung. Andererseits geht es um die
persönliche Unabhängigkeit der Richterin oder des Richters. Die Reform
sieht daher eine strikte Trennung von Richteramt und Grossratsmandat
vor.
Daneben ergeben sich weitere Neuerungen. Abgeschafft werden
eigenständige Jugendgerichte. Neu verhängen vier Haftrichter die
Untersuchungshaft. Bei der unentgeltlichen Rechtspflege sind
kostenneutrale Verbesserungen für die betroffenen Personen und Gemeinden
vorgesehen. Das Betreibungsamt bleibt auf Kreisebene; das Konkursamt
soll jedoch bezirksweise geführt werden. In Zukunft will sich der Kanton
zudem stärker an den Kosten für die Bezirksgerichte beteiligen.
Überzeugender Mittelweg
Sowohl die Teilrevision der Kantonsverfassung zur Gerichtsreform als
auch das Gesetz über die Änderung der Gerichtsorganisation werden vom
Grossen Rat und der Regierung klar befürwortet und verdienen breite
Unterstützung. Die neue Gerichtsorganisation trägt den veränderten
Gegebenheiten im Kanton Graubünden Rechnung. Sie stellt einen
überzeugenden Mittelweg zwischen traditionellen Strukturen und
notwendigen Anpassungen dar. Sie liegt im Interesse aller Bürgerinnen
und Bürger. Im Namen der Regierung und des Grossen Rates lade ich Sie
ein, mit einem überzeugten "JA" zu den beiden Vorlagen zu einer
bürgerfreundlichen Stärkung der Justiz beizutragen.
Regierungspräsident Dr. Peter Aliesch
Vorsteher des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements Graubünden
Gremium: Regierungspräsident
Quelle: dt Regierungspräsident